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Katharina Höhnk

Kochbuch von Harneet Baweja, Devina Seth & Nirmal Save: Gunpowder ★★★★

Gunpowder – Die moderne indische Küche
Harneet Baweja, Devina Seth, Nirmal Save
Fotos: Peter Cassidy
Ars Vivendi Verlag (2019)

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Katja Böttger

Von

Der kleine Elefant auf dem dunkellila Buchdeckel verrät: Nach Indien geht die Reise. Mit seinem Rüssel wirbelt er eine fröhliche orangefarbene Wolke in die Luft und lässt Gunpowder auf sich niederrieseln. Das „Schießpulver“ ist eine Gewürzmischung. Roter Chili und leuchtend gelber Asant ergeben die prachtvolle Farbe.

Das gleichnamige Restaurant Gunpowder befindet sich allerdings nicht in Indien, sondern in London. Die Eheleute Harneet Baweja und Devina Seth haben es 2015 eröffnet (mittlerweile sind es zwei). Nirmal Save (Foto unten), der dritte Autor, ist ihr Chefkoch und Freund. Im Gunpowder dreht sich alles um die überlieferten Familiengerichte, die die drei zwischen den vielen Londoner Curry-Häusern schmerzlich vermissten.

Kochbuchautor Nirmal Save

Ihr „Buch zum Restaurant“ ist eine Sammlung von Lieblingsrezepten kreuz und quer durch die Speisekarte des Gunpowder und über den gesamten indischen Subkontinent, die Familien leben offensichtlich außerordentlich weit verstreut. Vier Kapitel gibt es, „kleine Gerichte“, „Hauptgerichte“, „Getränke und süße Speisen“ und dann „Gewürze und Beilagen“ – letzteres zugleich eine Sammlung an Grundrezepten für die ersten beiden Kapitel.

Jedes Gericht wird autobiografisch gerahmt, das ist der rote Faden, der alles zusammenhält: Der Kichererbsen-Pfannkuchen ist die Leibspeise des Vaters, die Großmutter zaubert unvergleichliche Auberginen-Bharta, mit dem Masala Bhaat hat Nirmals Frau dessen Herz erobert. Die Zusammenstellung ist rein subjektiv, und das hat auch seinen Preis: Einiges, was wir standardmäßig aus buchstäblich jedem Indien-Kochbuch kennen – Naan, Chapati und Konsorten – gibt es hier nicht.

Zu den meisten Rezepten gibt es aber schlichte, appetitliche Fotos. Eingestreut sind außerdem ein paar Schnappschüsse aus dem Restaurant in London (schwarz-weiß) und Szenerien aus Indien (leuchtend bunt), und zu den Gewürzen gibt es ein kleines Gewürzglossar.

Kochbuch von Harneet Baweja, Devina Seth & Nirmal Save: Gunpowder

Exotisch, was ist schon exotisch …

Die lose und undogmatische Sortierung der vielen leckeren Gerichte laden ein, querbeet im Mezze-Stil kombiniert zu werden, so kommen sie auch im Gunpowder auf den Tisch. Die Kostproben sind schnell gefunden, bereits der erste Testkandidat – das Streetfood-Rührei – ist ein Knaller.

Und es geht auch gut weiter: Die meisten Gemüse-, Fleisch- und Fischsorten sind – abgesehen von den üblichen saisonbedingten Einschränkungen – problemlos erhältlich. Ein paar Exoten tauchen auch auf, aber meist ist geeigneter Ersatz angegeben. Auch bei den Gewürzen gibt es mit einem Asia-Shop in der Nachbarschaft keine Engpässe, meine Vorräte sind allerdings auch gewohnheitsmäßig gut bestückt. Die einzige Zutat, an der ich hier „vor Ort“ endgültig scheiterte, war lustigerweise ganz und gar nicht exotisch – grüner Apfelsirup. Auch die Zubereitungsschritte sind durchgehend verständlich und gelingsicher beschrieben, einschließlich hilfreicher Tipps für Abkürzungen und Alternativen.

Zum Weiterlesen

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Die Gewürze werden eher moderat bis dezent eingesetzt. Der elegante Kaschmir-Kahwa trifft uns mitten ins Herz, aber um etwa aus dem Reis-Gemüse-Allerlei Masala Bhaat ein wirklich interessantes Gericht zu machen, hätte es von der Gewürzmischung locker die doppelte oder dreifache Menge sein dürfen. Wollten die Autoren hier etwa auf europäische Gaumen Rücksicht nehmen? Bei der Chili-Schärfe sind sie allerdings kompromissloser, beim Weißkohl-Salat habe ich sogar Löschjoghurt gebraucht. Aber das soll den Gesamteindruck nicht schmälern. Das ist Geschmacksache und lässt sich gut anpassen, und die einladende familiäre Atmosphäre tut ein Übriges, dass ich mich sehr wohl fühle.

Modern? Modern!

An einem Punkt habe ich meine Erwartungen allerdings korrigiert: Die Autoren versprechen moderne indische Küche, und ich hatte Neues, Frisches erwartet, indische Küche mit Blick über den Tellerrand. Das habe ich – zumindest bei meinen Testkandidaten – nicht wiedergefunden. Gemeint ist wohl eher die praktische Seite: anschlussfähig für moderne Großstädter, die zum Feierabend auch mal zeitsparende Abkürzungen zu schätzen wissen. Auch gut.

„Gunpowder“ ist ein „Buch zum Restaurant“, ein virtuelles Stück Gunpowder für zu Hause sozusagen. Bei der Lektüre habe ich ein bisschen Tiefgang vermisst, aber als Rezeptsammlung funktioniert es. Die Atmosphäre ist sympathisch, persönlich und herzlich zugewandt, das Essen ist bodenständig und gut, solides indisches Comfort Food mit einigen echten Leckerbissen. Als Gast wäre ich zufrieden bis beglückt und würde sicher gerne wiederkommen.

Veröffentlicht im Februar 2020

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