Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
So richtig gespürt habe ich es bei der Butter: 250 Gramm in Bio-Qualität kosten derzeit 3,29 Euro – deutlich mehr als vor einem Jahr. Auch, wenn ich mir das (noch) leisten kann, steht durchaus die Frage im Raum: Darf’s auch ein bisschen weniger sein?

Hanna Olvenmark (Foto links) hat sich diese Frage schon vor einigen Jahren gestellt: Als ihr Traum, einmal zum Mount Everest zu reisen und ins Basecamp zu steigen, plötzlich zum Greifen nah war, sie aber binnen kürzester Zeit das dafür nötige Kleingeld aufbringen musste. Die Schwedin machte Kassensturz und fing an zu kalkulieren: Das ÖPNV-Monatsticket? Gestrichen. Ersparnis: 80 Euro und Gratis-Fitnesstraining auf dem Fahrrad on top. Mit den Kolleg/innen jeden Mittag auswärts essen? Olvenmark packte Lunchboxen und verschob monatlich 120 Euro aufs Sparkonto. Und sie begann, ihre Tipps zu notieren; Titel: „Portionen under Tian“.
Richtig haushalten
Das heißt auf Deutsch so viel wie „Essen für ’nen Zehner“ und meint, dass kein Gericht pro Nase mehr als 10 schwedische Kronen kostet – umgerechnet etwa einen Euro. Im Angesicht rasant gestiegener Energie- und Lebensmittelpreise ist das ein Versprechen, das längst nicht mehr nur Studierenden, Großfamilien und Geringverdiener/innen gilt.
„Mich nervt es wirklich, dass billig und ungesund fast synonym verwendet werden“, schreibt die studierte Ernährungsberaterin im Vorwort. Es sei an der Zeit, mit dem „Märchen aufzuräumen, dass sich nur Menschen mit viel Zeit und Geld gesund ernähren können.“
Wie es anders geht, zeigt Olvenmark noch vor den Rezepten: Zum Beispiel, dass es sich lohnt, zu verbrauchen, was da ist, bevor es verdirbt. Sich beim Einkauf eher von Regionalität und Saisonalität leiten zu lassen als von offensiv beworbenen Posten. Dass man, wenn man kocht, gleich ein bisschen mehr macht, um die Reste anderntags mit ins Büro zu nehmen. Dinge, die in unserer Großelterngeneration vielleicht noch selbstverständlich waren, inzwischen aber nicht mehr jeder/m geläufig sind. Wie die Sache mit den Hülsenfrüchten: „Hülsenfrüchte sind gesund, günstig und klimafreundlich. Sie enthalten viele Vitamine und Mineralien und sie sind eine tolle Quelle für Ballaststoffe, von denen wir ohnehin zu wenig zu uns nehmen“, erklärt Olvenmark im Interview mit Zeit Online.

Erbsen zählen (und Linsen und Bohnen)
Ich habe mal nachgezählt: 33 der insgesamt 57 herzhaften Rezepte in ihrem Buch (= zusätzlich gibt es 17 süße) setzen auf Erbsen, Bohnen oder Linsen als Proteinlieferant (wenn man jene dazurechnet, die Tofu oder Sojabohnengranulat verwenden, sind es sogar noch mehr). Das Besondere: Olvenmark kauft die Rohware getrocknet, kocht sie in großen Mengen vor und friert alles, was sie nicht sofort benötigt, portionsweise ein. So spare sie pro 100 g gekochter Bio-Kichererbsen z. B. 40 Cent im Vergleich zu jenen aus der Dose, schreibt sie. Das klingt im ersten Moment nach nicht viel, läppert sich aber, wenn man nach ihren Ideen isst.
Dass einem die Essen aus den Kapiteln Hauptgerichte, Lunchbox sowie Frühstück & Snacks ob der vermeintlichen Monotonie ihrer Grundzutaten nicht bald zu den Ohren rauskommen, sondern regelrecht süchtig machen, liegt an Olvenmarks Talent, Schlichtheit mit Know-how zu paaren.
Hanna Olvenmark:
Vor ein paar Jahren habe ich mit Freund*innen das Motto »Stay cheap« geprägt. Was anfangs eher als Scherz gemeint war, ist inzwischen zu meiner Lebensphilosophie geworden. Sparsam oder »cheap« zu leben hat nichts mit Geiz im herkömmlichen Sinne zu tun. Vielmehr geht es darum, die Ressourcen unserer Erde zu schonen, keine Lebensmittel zu verschwenden, nachhaltiger zu leben und das, was man dabei spart – Zeit, Geld und Energie -, in Dinge zu investieren, die einem wirklich wichtig sind.
Ihre Linsen Stroganoff etwa sind dem schwedischen Alltagsklassiker „Korv Stroganoff“ nachempfunden. Statt Wurst sorgt hier jedoch Rauchpaprikapulver für Aroma. Ich war so angetan, dass ich das Gericht binnen des Rezensionszeitraums gleich zweimal servierte. Auch ihre insgesamt drei verschiedenen Rezepte für Linsenlasagne sind keinesfalls austauschbar: Mal greift sie zu roten Linsen und Crème fraîche, mal zu einer Sonnenblumenkernsauce, Zucchini und Ajvar, mal zu einer Bolo auf Basis von Belugalinsen, die auch solo überzeugt.
Absolut alltagstauglic
Was mir auch gefällt: Olvenmarks Essen sind absolut unprätentiös und undogmatisch – nicht nur auf den unaufgeregt arrangierten Fotos. Zwar legt das Ziel, sowohl geldbeutel-, als auch klimaschonend zu kochen nahe, eher zu pflanzlichen Zutaten zu greifen. Bei Olvenmark geschieht das jedoch nie zulasten des Geschmacks. Wenn also in einem Rezept Feta oder Hartkäse den Unterschied machen, gibt es Feta oder Hartkäse – und für Veganer*innen Hinweise, wie sie ersetzen können.
Die Bilanz von 13 nachgekochten Rezepten spricht für sich: Mir hat diese 1-Euro-Küche richtig viel Spaß gemacht und ich habe einige neue Lieblinge. Zur vollen Punktzahl hätte ich mir noch ein Zutaten-Register gewünscht – und an zwei, drei Stellen ein bisschen mehr kulinarische Finesse: Es waren dann doch nur fünf uneingeschränkte Wows unter viel solider Alltagsküche. Trotzdem: Von diesem Weniger will ich unbedingt mehr!
Veröffentlicht im November 2022
Mit den Linsen Stroganoff hattest du mich sofort. Und ja, mit Planung und verkochen bin.ich aufgewachsen. Und noch besser als Einfrieren ist Einkochen. Frau sieht sofort, was da ist
Yeah, Ulrike 🙌! Olvenmark erfindet das Rad freilich nicht neu – gibt ihm aber frischen Schwung, wie ich finde. Und umso schöner, wenn man dabei an Dingen vorbeikommt, die unsere Mütter und Großmütter noch wussten.
Herzlich: Charlotte