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Katharina Höhnk

Kochbuch von Georg Schwedt: Experimente rund ums Kochen

Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen
Dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage
Georg Schwedt
Wiley-VCH Verlag GmbH (2015)

Katja Schmid

Von Katja Schmid

Bei Küchenexperimenten denke ich zuallererst an Rezepte, die ich noch nicht, selten oder mit äußerst wechselhaftem Erfolg getestet habe. Irgendwas im Salzmantel zum Beispiel (mit oder ohne Eiweiß), Baked Alaska (funktioniert das in einem Gasherd ohne Grillfunktion?), Backen mit wilder Hefe, selbst gebrauter Holundersekt (hochexplosiv!).

Meine letzte Chemiestunde ist jedenfalls schon mehrere Jahrzehnte her, entsprechend blass sind meine Erinnerungen. Aber ich mochte Chemie richtig gerne und hatte es bis zum Abitur. In meiner Heimat Baden-Württemberg musste man nämlich bis zuletzt mindestens einen naturwissenschaftlichen Kurs belegen und anrechnen lassen.

Zielpublikum Chemielehrer

Klar war ich fasziniert vom Titel: „Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen“ von Georg Schwedt. Das Buch erscheint bereits in der 3., aktualisierten und erweiterten Auflage (2004, 2010, 2015). Von der Aufmachung bis hin zum Text erinnert es ganz klar an ein Schulbuch und richtet sich eher an Wissenschaftler als an Gourmets. Auch historisch und sogar linguistisch Interessierte kommen auf ihre Kosten, denn der inzwischen emeritierte Chemie-Professor hat großen Spaß daran, sein Wissen über die (Sprach-)Geschichte der westeuropäischen Küche mit dem Leser zu teilen. Bebildert ist das Buch eher spärlich und wenn, dann handelt es sich um historische Stiche.

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In insgesamt 10 Kapiteln behandelt der Autor auf 220 Seiten den Wandel „Von der Kochkunst zur Lebensmittelchemie“, „Sieben Parameter für Versuche in der Küche“, die unterschiedlichsten Garungsarten, „Suppenchemie – Fertigsuppen und ihre Inhaltsstoffe“, ein paar Klassiker der Molekularküche und „Nährstoffverluste beim Kochen von Gemüse – analytisch mit Teststäbchen erfasst“.

Die einzelnen Experimente sind kurz und klar beschrieben, man bekommt detaillierte Anweisungen und auch gleich erklärt, was genau passiert und welche Reaktionen ablaufen. Überraschungen sind also nicht einprogrammiert und wer erwartet, dass es ordentlich knallt und stinkt, wird enttäuscht. Stellenweise findet man statt einer ‚Erläuterung‘ der Vorgänge nüchterne Angaben zur Zusammensetzung des Lebensmittels oder Exkurse in die Geschichte und Warenkunde. Insofern ist das Buch eher für fortgeschrittene Leser als für interessierte Laien geeignet.

Entschärfte Version

Sämtliche Versuche sind laut Autor „küchentauglich“, man braucht also keine Laborausstattung, um sie nachzustellen, außerdem wurden sie für die aktuelle Auflage eigens „entschärft“: statt über offener Flamme wird jetzt alles auf einer Heizplatte durchgeführt. An Gerätschaften braucht man vor allem Töpfe, Pfannen, Kochgeschirr aus Glas und eine Feinwaage (eine digitale Küchenwaage mit 1-Gramm-Schritten oder eine Briefwaage ist vollkommen ausreichend). Ab und an kommt eine Mikrowelle zum Einsatz. Das meiste hat man sowieso im Haus, außerdem gelingen die Versuche auch dann, wenn man nicht genau die empfohlenen Topf- und Pfannengrößen hat.

Auf der Jagd nach Alginat

Schwieriger wird es bei den Teststreifen, den diversen Chemikalien zum Nachweis von Nährstoffen und bei den Zutaten für die Experimente aus dem kleinen Kapitel über Molekularküche. Zum Glück habe ich im Freundeskreis einen Chemiker. Er konnte mir zumindest Calciumchlorid besorgen, eine der beiden Chemikalien, die man für Melonenkaviar braucht – ein Klassiker der Molekularküche, bei dem aus Melonensaft leckere kleine Kügelchen hergestellt werden. Alles, was mir fehlte, waren lächerliche 2 Gramm Natriumalginat, ein pflanzliches Verdickungs- und Geliermittel aus Braunalgen, das auch für Abformmassen verwendet wird und zusammen mit dem bereits erwähnten Calciumchlorid geliert. Im gut sortierten Bastelgeschäft bekommt man es in 200-Gramm-Eimern, im Bio-Laden leider nicht, auch nicht im veganen Supermarkt. Man kann es auch nicht durch Agar Agar ersetzen, auch wenn das so ähnlich klingt. Habe ich schon erwähnt, dass es in Berliner Apotheken nicht lieferbar ist? Kaum zu glauben, dass es so schwierig ist, diese Zutat zu beschaffen. Dabei hieß es in Gerlachs Alphabet schon anno 2007 „A wie Alginat“.

Zum Glück ergeben sich auch ohne weitere Hilfsmittel beim Kochen, Braten, Backen zahlreiche Möglichkeiten, die Experimente von Schwedt nachzuvollziehen. Denn viele seiner Erläuterungen beziehen sich auf ganz alltägliche Vorgänge, die bereits beim Kochen von Pellkartoffeln oder beim Andünsten von Zwiebeln ablaufen.

Mir persönlich gefielen die historischen Exkurse am besten, die laut Vorwort im Vergleich zu früheren Ausgaben jedoch gekürzt wurden. Wer schon immer mal wissen wollte, was genau bei einer Maillard-Reaktion abläuft und wie oft man Milch „häuten“ kann, findet hier die Auflösung und darüber hinaus zahlreiche Anregungen für weitere Versuche, die man schnell und einfach nachstellen kann – vorausgesetzt, man hat Zugang zu einer chemischen Grundausstattung. Wer spektakuläre Versuche à la „Die Schlange des Pharao“ oder „Kochen für Angeber“ erwartet, sollte an anderer Stelle suchen.

Veröffentlicht im Januar 2016

2 Kommentare

  1. Ulrike

    Liebe Katja,

    ich glaube, da kann ich helfen: Jean Pütz hat früher Alginat im WDR-Fernsehen zur Eisherstellung verwendet,also um die Cremigkeit der großen Eismarken hinzukriegen. Hier bietet er den Stoff an: https://www.jean-puetz-produkte.de/shopdev/alginat-30-g-natuerlicher-gelbildner-u-verdicker-p-730.html
    Ich hoffe, du hast Erfolg!
    Ulrike

    • Katja

      Liebe Ulrike,
      vielen Dank für den Tipp. Es gibt zahlreiche Anbieter im Internet – man muss leider immer eine Mindestbestellmenge erreichen und dann kommen noch die Versandkosten hinzu. Das lohnt sich dann am Ende doch nicht. Wir holen uns vermutlich den 200 Gramm Eimer im Bastelladen und machen einfach Experimente. Essen müssen wir das Ergebnis ja nicht unbedingt.
      Viele Grüße,
      Katja

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