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Katharina Höhnk

Kochbuch von Gaitri Pagrach-Chandra: Wrapped ★★★★

wrapped – Crêpes, Wraps, and
Rolls from Around the World
Gaitri Pagrach-Chandra
Fotos Keiko Oikawa
Pavilion Books (2014)

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Charlotte Schrimpff

Von

Wer gerade etwas Essbares zu verkaufen hat, nennt es „Street Food“ – den Rest erledigt der Hype. Und es stimmt schon: Ein Großteil dieser Straßenküche schmeckt einfach richtig gut. So gut, dass man sich das Etikett auch schenken kann und die Dinge für sich sprechen lassen. Wie, das zeigt Gaitri Pagrach-Chandra.

Es gab eine Zeit, da begann eine Bahnfahrt für mich beim jeweiligen Ableger eines gelb-grünen Saft-und-Salate-Unternehmens, die man immer noch in vielen deutschen Bahnhöfen findet. Dort erstand ich ein Chicken Tandoori Wrap, das ich, angekommen an meinem Platz, vorsichtig auswickelte und langsam, Bissen für Bissen, verzehrte. Der Genuss bestand für mich weniger im allenfalls durchschnittlichen Geschmack, sondern war vielmehr dem Umstand geschuldet, dass dieses Essen gehüllt in einen grünen weichen Fladen gereicht wird. Ich liebe Fladen(brote) – seit… ach, vermutlich schon immer. Dass Gaitri Pagrach-Chandra dieser Liebe mit einem ganzen Buch begegnet… a dream come true.

Aus allen Regionen der Welt: Teig + Füllung

„wrapped“ heißt die inzwischen fünfte Veröffentlichung der gebürtigen Guyanerin für den Koch- und Backbuchmarkt. Denn genau darum geht es – Eingewickeltes. Ob in Weizen-, Buchweizen-, Mais- oder Reismehlteig, gebacken, gebraten, frittiert oder einfach pur aus der Hand: Gaitri trägt Gerichte aus fast allen Regionen dieser Welt zusammen, denn auf die Kombination aus „Teig“ und „Füllung“ sind offenbar nicht nur gelb-grüne Bahnhofs-Versorger abonniert. Ein guter Teil der Sammlung kommt, wie Gaitri selbst, aus Südamerika, aber mit Frühlings- und Sommerrolle wirft sie einen Blick nach Asien, mit Crêpe und Galette nach Frankreich, mit Falafel und Lahmacun in Richtung Orient.

Die Grundlagen – insgesamt zehn verschiedene Teige und Zubereitungen – stellt sie den eigentlichen Gerichten voran, die thematisch auf die Kapitel Gerolltes, Gefülltes, Frittiertes, Saucen und Süßes verteilt sind. Vor dem Stichwortverzeichnis am Schluss finden außerdem ausführliche Erläuterungen zu idealer Beschaffenheit und möglichen Bezugsquellen der verwendeten Zutaten Platz, ebenso Verweise auf Literatur und Inspirationsquellen. Allein das: sehr, sehr vorbildlich.

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Sympathie und Wärme 

Noch viel bemerkenswerter aber ist die Art, wie Gaitri (links ein Foto von ihr) das alles vorträgt. Die studierte Politologin und Übersetzerin pflegt ihren ganz eigenen, ruhigen und unheimlich sympathischen Ton – etwa, wenn sie erklärt, weshalb der Burrito Burrito heißt oder wie man die besten Tortillas bäckt. Aus den Erinnerungen und Geschichten, die sie jedem Rezept voranstellt, spricht so viel Patentheit und Herzenswärme, dass man das Gefühl hat, mit einer sehr lieben Freundin in der Küche zu stehen. Eine, die man spontan umarmen möchte – einfach, weil sie so ist, wie sie ist.

Die Anleitungen sind in der Regel einfach, und wenn es irgendwo doch komplexer wird, beschreibt es Autodidaktin Gaitri eben entsprechend genau. Dass eine Zutat wie geraspelter Käse in Mehr-Komponenten-Rezepten für besagte Burritos erst in den Zubereitungsschritten auftaucht, kann ich verschmerzen – irgendwo stößt auch die sorgfältigste Redaktion an ihre Grenzen. Immer wieder werden Querverbindungen zwischen den Rezepten hergestellt und die Mengenangaben sind durchweg stimmig – Dinge, die ich persönlich viel wichtiger finde.

Das, was am Ende auf dem Teller liegt, entspricht dem, was auf Keiko Oikawas Fotos zu sehen ist – ein weiteres dickes, fettes Plus. Geschmacklich sind die Ergebnisse zwar nicht spektakulär, dafür bodenständig und alltagstauglich. Einzig eine gewisse Fleischlastigkeit mag man bemängeln – die sechs vegetarischen und zwei veganen Rezepte muss man in den herzhaften Kapiteln ein bisschen suchen.

Die Basis für den Clou

Dass Zutaten wie getrockneter gesalzener Kabeljau in Deutschland nicht ohne Weiteres erhältlich sind, ist einem für den britischen Markt edierten Kochbuch nicht anzukreiden. Hier wären Hinweise zu Alternativen freilich schön gewesen – aber das könnte eine deutsche Übersetzung nachholen. Gaitri selbst scheint die prinzipielle Zugänglichkeit nämlich wichtig zu sein, weshalb sie zum Beispiel auf das in Europa nur schlecht erhältliche „Masa harina“, ein besonders verarbeitetes Maismehl, verzichtet.

Dass mit Ausnahme des großartigen Coco Bread viele der von mir probierten Brote – namentlich Tortilla und Dosti Roti – ohne Füllung nach nicht viel schmecken, merkt Gaitri selber kritisch an. Aber genau das – die Kombination aus beidem – ist ja der Clou des Ganzen!

Ach, Gaitri! Bestimmt gibt es Autoren, die diesen ganzen Straßenküchenkomplex viel ausgefuchster angehen, raffinierter. Aber ich bin mir absolut sicher, dass es niemand so angenehm und seelenvoll tut wie du. Kannst du dich bitte tatsächlich kurz in meine Küche stellen, damit ich dich eben umarmen kann? Ja? Dank u dus wel!

Veröffentlicht im Juni 2016

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