Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Eine Japanerin, die in Frankreich in den renommiertesten Häusern gearbeitet hat und nun ihre kulinarischen Stationen in Buchform präsentiert. Kann da etwas schief gehen? Eigentlich nicht, zumindest nicht, wenn man mit ein wenig Muße die Rezepte auf sich wirken lässt. Da ich die französische Esskultur ohnehin schätze und die japanische Küche wegen ihrer schlichten Ästhetik und Frische bewundere, hatte Fumikos Kochkunst ein Heimspiel zu bestehen, das sie mit Charme und Phantasie klar gewann.
Dabei sah es beim ersten Durchblättern noch etwas anders aus. Zunächst störte mich die scheinbare Unordnung, bis ich dahinter kam, dass die Rezepte sozusagen chronologisch nach den einzelnen Wirkungsstätten angeordnet sind. Deshalb zunächst zur Person: Fumiko Kono (Jahrgang 1969) kam 1993 nach Paris und begeisterte sich umgehend für die französische Küche. Enorm ehrgeizig machte es ihr nichts aus, ihre Karriere als putzende Praktikantin im L’Arpège zu beginnen, wo sie schnell aufstieg. Weitere Stationen waren das Traditionshaus Fauchon, Stellen als Privatköchin in weltweitem Einsatz, schließlich die Kochschule von Alain Ducasse. Fürwahr eine gastronomische Vita, die sich sehen lassen kann.
Die kreative Verbindung von Orient und Okzident, das ist ihre Intention, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Mal würzt sie den Klassiker „Ente à l’orange“ mit Sojasauce oder kreiert ein „Focaccia mit Lamm und Wasabicreme“. Oder sie interpretiert die eingelegten griechischen Zwiebeln japanisch, indem sie sie in einer Marinade aus Umeboshi, Dashibrühe, Sojasauce und Mirin ziehen lässt. Nur gelegentlich überwiegt klar der asiatische Einfluss, wie etwa bei der samtigen Kokossuppe „Der Geschmack Asiens“. Auch wenn manche der exotischen Zutaten nur schwer in gut sortierten Asialäden oder über das Internet erhältlich sind, fühlte ich mich wohl beim Nachvollziehen der meist einfach strukturierten Rezepte. Eher amüsiert habe ich die halbwilde Ente zur Kenntnis genommen, das Olivenöl von der Insel Shodoshima und mich wehmütig erinnert an jenen Sommer, als Salatchrysanthemen in unserem Garten zu stattlichen Pflanzen heranwuchsen und wir nicht so recht wussten, was wir mit ihnen anfangen sollten. Jetzt wüsste ich es.
Immer wieder überrascht Fumiko mit phantasievollen Rezepten, die mich unwillkürlich zum Lächeln gebracht haben, etwa die „In New York verlorenen Croissants“, eine Arme-Ritter-Variante oder ihre Trinksalate, wahlweise in Grün oder Gelb, eine Art Gemüsesmoothies. Oder das verwegene Rezept „Kaisergranat – Vom Winde verweht“, in dem sie das ausgelöste Krebsfleisch mit türkischem Engelshaar umwickelt.
Verschweigen möchte ich nicht, dass ich bei einigen wenigen Rezepten das gewisse Extra vermisste, das ansonsten so oft den Reflex auslöste: Koch mich! Und das gerade bei minimalistischen Gerichten, die ich sonst so schätze. Vielleicht habe ich aber auch nur schon so viele gute Zucchinisuppen gegessen, dass Fumikos Variante mit Zitrone und Thymian in mir keine Begeisterung auslöste.
Meistens zeichnen sich Fumikos Gerichte durch unkomplizierte Arrangements aus. Es gibt aber auch einige, die einen größeren Aufwand erfordern und geeignet sind, bei festlichen Gelegenheiten einen fulminanten Auftritt hinzulegen. An erster Stelle sei hier Fumikos Interpretation des russischen Klassikers „Kulebjaka“ genannt, eine üppige Blätterteigpastete mit Lachs, Reis, Spinat und Pilzen, die sie für „Fauchon“ entwarf. An dieser Stelle sehe ich mich gemüßigt, die angegebenen Zubereitungszeiten nicht nur leicht zu kritisieren, sondern ganz vehement ins Reich der Phantasie zu verbannen. Für „Gebratene Wachteln an Chasselasconfit und rotem Walnussreis“ werden 10 Minuten genannt, das ist ungefähr die Zeit, die ich gebraucht habe, um das Rezept zunächst einmal in allen Details zu verstehen. Wie habe ich da den Reis beneidet, der ohne Hektik 12 Stunden einweichen darf. Ich selbst aber muss rödeln ohne Ende – ach nein, nach 10 Minuten soll ja Schluss sein; gnädig gegönnt sind mir noch 30 Minuten, die fürs Garen draufgehen. Gewundert hat mich jedoch, dass für das einfach gestrickte Orangen-Quark-Eis auch 10 Minuten veranschlagt werden.
Ansonsten konnte ich den knappen, aber präzisen Angaben durchaus vertrauen. Dankbar war ich für die vorgeschlagenen Variationen und Tipps, die häufig dann hilfreich sind, wenn eine exotische Zutat ersetzt werden muss. Positiv aufgefallen sind mir außerdem (als Bibliothekar legt man auf so etwas besonderen Wert) die verschiedenen Register, die angesichts der Anlage des Buches sehr nützlich sind. So findet man ein Register nach Gelegenheiten und eines nach Zutaten.
Fazit: Fumiko Kono ist ein rundum schönes Kochbuch gelungen, das mit seiner Phantasie, Ästhetik und Schlichtheit den Leser inspirieren kann und wird. Vielleicht nicht gerade den Kochnovizen, aber doch eigentlich jeden, der ein Gespür hat für Kreativität und die vielen Möglichkeiten, die eine Welt ohne kulinarische Grenzen bereit hält. Schade nur, dass bei dieser Vielfalt einige wenige elitäre Zutaten wie Trüffel, Hummer, Jakobsmuscheln, Foie gras immer noch dermaßen im Vordergrund stehen. Loben möchte ich auch die ansprechenden Fotos, die sich auf das Wesentliche konzentrieren, mitunter die einzelnen Bestandteile aus dem Gericht extrahieren und neu zusammensetzen (muss man jetzt nicht unbedingt verstehen, sieht aber schön aus). Last but not least: die meisten Speisen lassen sich wunderbar kombinieren.
Veröffentlicht im Juni 2011
Vielen Dank für diese interessante und wunderbar formulierte Rezension! Habe mich bestens amüsiert.
Da kann ich mir nur anschließen! 🙂