Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
“Geschichten sind ein bisschen wie Risotto: Das Ganze köchelt vor sich hin, und nach und nach werden verschiedene Zutaten hinzugefügt.” Donna Leon
Und jedes Risotto erzählt eine eigene Geschichte, wenn man nur aufmerksam genug zuhört. In seinem kleinen, aber feinem Büchlein führt Franco Luise, der wie das Gericht aus Norditalien stammt, in die Meisterklasse der Reiskochkunst ein. Das Buch schafft den Spagat, den Grundstein einer erfolgreichen Risottokarriere für Novizen zu legen, gleichzeitig aber auch alten Hasen am Risottotopf neue Inspiration zu bieten. Am Anfang steht die Theorie, zuerst werden die zehn goldenen Regeln eines gelungenen Risottos erläutert. Wichtig sind nicht nur die Wahl der richtigen Reissorte, die durch mehr Stärke bissfest bleibt, sondern auch eine gute Brühe – würzig statt salzig –, die immer heiß hinzugefügt werden muss, damit das Risotto gleichmäßig gart. Wer noch keine guten Brühen in seinem Repertoire hat, findet im Anschluß Rezepte für Hühner- oder Rinderbrühe, Fischfond, Schaltierfond und Gemüsebrühe.
Es lohnt sich, das einführende Kapitel zu Ende zu lesen, denn die folgende Schritt-für-Schritt Anleitung wie man ein Risotto kocht verbreitet durch kleine Erläuterungen, z.B. wie die einzelnen Phasen auf italienisch heißen – sofritto, tostatura, cottura, mantecatura – einen Hauch von dolce vita. V.a. aber wird hier deutlich beschrieben, was ein jeder Arbeitsschritt wie erreichen will. Der Arbeitsaufwand für ein einfaches Risotto ist überschaulich, es werden Zwiebeln angeschwitzt, Reis angebraten, mit Wein abgelöscht; der Reis schöpflöffelweise mit Brühe aufgegossen und vor sich hinköcheln gelassen; kurz vor Ende kommen die Hauptzutaten dazu, schließlich wird das Risotto verfeinert und kurz ruhen gelassen.
Da man Risotto ohne viele Zutaten kochen kann, eignet es sich ausgezeichnet als Lückenbüßer, wenn kaum noch Vorräte im Haus sind. Dass man dem Gericht damit noch nicht gerecht wird, kann man sich denken. Wie herausragend man ein Risotto aber tatsächlich inszenieren kann, das zeigt der Autor, der nach einer internationalen Karriere nun die Gäste des Molino Stucky Hilton in Venedig bekocht, mit seinen 27 facettenreichen Rezepten. Appetitanregend: mit süß-sauren jungen Zwiebeln in Parmaschinken. Als Kuchen: mit Zucchiniblüten; oder mit Artichoken und Lammkotelettes. Türkisch inspiriert: in geröstete Auberginen gefüllt; die Japan-Connection: mit Zucchinitempura; als Fingerfood: Safranreisbällchen mit Lachs gefüllt; weihnachtlich: das Gewürzrisotto; als Alternative zu Spaghetti: alla Bolognese. Auch die Fotos von Riccardo Lettieri sind äußerst appetitanregend, und da jedes Rezept bebildert ist, hat man als Leser die Qual der Wahl. Spätestens nachdem man ausgiebig geblättert hat, knurrt einem der Magen!
Die Bandbreite der Rezepte empfinde ich als sehr ausgewogen, an einem Ende des Spektrums wird mit Jakobsmuscheln, Hummer, Trüffeln und Steinpilzen gekocht, am anderen Ende heißt die Zutatenliste bescheiden Spinat oder Apfel. Der Band bietet eine überzeugende Auswahl für unterschiedliche Geschmäcker und Gelegenheiten. Manche Rezepte betreiben einen hohen Aufwand, andere sind relativ schnell zu realisieren. Da zu jedem Rezept Zeitangaben für alle Zutaten, nicht nur für das Kochen des Reises angegeben werden, kann man sich als Leser gut orientieren und sich ein Rezept passend zum verfügbaren Zeitrahmen aussuchen bzw. ggfs. einige Arbeitsschritte auf den Vortag verlegen.
Sehr gut gefällt mir, dass hier alles, von der Gewürzmischung bis zu den verschieden Einlagen selbst zubereitet wird. Beim Auberginenrisotto sind die getrockneten Tomaten selbstverständlich hausgemacht. Für das Risotto mit süß-sauren Zwiebelchen werden Frühlingszwiebeln karamellisiert und mit Essig abgelöscht. Das Exquisite dieser Rezepte ist meist die sorgfältig durchdachte Zubereitung aller einzelnen Komponenten. Man kann aber auf einem Salbeirisotto auch schon mal eine gebratene Wachtel finden.
“Risotto originale” ist das erste auf Deutsch erschiene Kochbuch dieses Autors, der bereits eine Reihe weiterer Titel auf italienisch veröffentlicht hat. Ein sehr gelungener Band, in dem man aus jeder Zeile den Könner, vielmehr aber noch den Liebhaber des Risottos herausliest. Franco Luise selbst schreibt im Nachwort, dass er mit seinem Büchlein den Reispflanzerinnen, die früher in Italien einer harten Arbeit nachgingen, indem sie von Ende April bis Anfang Juni gebückt bis zu den Knien im Wasser stehend sich um die Reispflänzchen kümmerten, ein liebevolles Denkmal errichten möchte. Eine sympathische Geste von einem kreativen, talentierten Koch.
Veröffentlicht im Dezember 2012