Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Ohne Honig ist seit meiner Kindheit kein Frühstück denkbar. Und nachdem eine Berliner Freundin am Stadtrand selbst zur Imkerin wurde, gibt es bei uns je nach Blüte- und Jahreszeit ihren frisch geschleuderten Honig. Bietet dieses Kochbuch Inspiration für mehr Einsatzmöglichkeiten als zum Brötchenaufstrich?
Zum Thema passend sind die Buchdeckel wabenartig braun strukturiert und mit honiggelbem Schutzumschlag sowie zwei (!) Lesebändchen ausgestattet. In dem 220 Seiten umfassenden Werk haben die bei Valentinas bereits vorgestellten Autorinnen Eva Derndorfer (Foto unten l.) und Elisabeth Fischer (Foto unten r.) sich nicht nur mit 85 Rezepten dem Honig gewidmet, sondern das Thema ganzheitlich erweitert mit viel Wissenswertem und Reportagen von Imkern.
Die Autorinnen plädieren für mehr Bienenpflanzen in der Stadt und auf dem Land, sie klären auf – z. B. damit, dass die Honigbienen nicht so sehr vom Aussterben bedroht sind wie die Wildbienen, Hummeln und andere Insekten durch den massiven Einsatz von Pestiziden und Insektiziden. Aber ihr Hauptanliegen ist, dem Honig den gleichen Feinschmeckerstatus zu geben wie dem Wein.
Gestartet wird mit der Geschichte des Honigs und dazu passenden Rezepten aus der Antike und dem Mittelalter. Danach folgen Salate, Suppen und Gemüse. Unterbrochen von Artikeln „Wie funktioniert ein Bienenvolk bzw. Bienenstock“ oder „Kraftfutter Pollen“ geht es zu Rezepten mit Käse, Fisch und Fleisch. Weitere Rezepte folgen zu den Themen Drinks, Desserts, Kuchen, Brot und Aufstriche. Den Abschluss bilden sechs Rezepte von den vorgestellten Imkern.
Ein Teelöffel Honig ist das gesamte Lebenswerk einer Biene
Schon beim ersten Sichten der Rezepte wird mir klar: Zwei Lesebändchen reichen da nicht aus. Und richtig, sowohl als optisches wie geschmackliches Highlight entpuppt sich gleich die Apfelcreme zur geräucherten Forelle. Und zu heißen Sommertemperaturen kommt ein schnell gemachtes Wassermelonen-Gazpacho als Erfrischung gerade recht. Ebenfalls eine leichte und trotzdem sättigende Mahlzeit ist der Brunnenkressesalat mit Avocado und karamellisierten Walnüssen. Wenn auch ein Teelöffel Honig als Gesamtlebensleistung einer Biene steht, wird Honig nicht nur kleinteilig als Gewürz in den Rezepten eingesetzt, sondern durchaus auch esslöffelweise oder mehr.
Dabei ist mir kein Rezept zu süß geworden, es gibt immer passende Gegensätze. Auch bereichern kleine Tipps am Rande manches Rezept. Keine langen Zutatenlisten oder ausgefallene Lebensmittel, überschaubarer Arbeitsaufwand und leicht nachzukochen sind die Rezepte sowieso. Die Mengen, die Arbeitsabfolgen, die Zeiten – alles stimmt und schmeckt. Sehr schön finde ich auch, dass fast alle Rezepte gekonnt pur abgebildet sind.
Jeder gute Honig wird irgendwann fest – ein Qualitätsmerkmal
Das Buch hat aber mehr als nur Rezepte zu bieten. Daher finde ich den Untertitel, „Das Kochbuch“, als zu kurz gefasst. Hier steckt viel interessante Lektüre über Honig drin, die eher im Liegestuhl oder auf dem Sofa zu entdecken ist als in der Küche. So wird der Gesundheitseffekt nicht ausgelassen, wie z. B. Honig als Antibiotikum, zur Wundheilung, gegen Erkältung wirkt, und dass dunkler Honig mehr antioxidative Wirkung hat als heller.
Zum Weiterlesen
Website von Eva Derndorfer
Website von Elisabeth Fischer
Mehr von den Autorinnen bei Valentinas
Ein spannendes Thema ist auch die Sensorik: Aussehen, Geruch, Geschmack, je nachdem, aus welcher Landschaft der Honig kommt. Welcher Honig passt zu welcher Speise. Oder Fehler erkennen, was weiße Ablagerungen oder eine schaumige Oberfläche bedeuten, wodurch gäriger oder rauchiger Geruch entsteht. Akazienhonig bleibt durch einen hohen Fruktoseanteil lange flüssig, ansonsten wird guter Honig unterschiedlich schnell nach einiger Zeit fest. Wichtig ist: Kühl und dunkel lagern. Eine Auflistung von verschiedenen Sortenhonigen und ihre sensorische Beschreibung ist interessant und erinnert an Weinbeschreibungen.
Zwischendurch werden acht Imker aus Deutschland und Österreich vorgestellt, in Bildern und als Reportage. Auf jeden Fall lesenswert und sympathisch. Fast bekomme ich Lust, selber der Imkerei zu verfallen – aber auf einem Balkon?
„Honig – Das Kochbuch“ ist weit mehr als ein Kochbuch. Hier kann man zum Honigkenner werden, ähnlich wie beim Wein. Köstliche und gut erklärte Rezepte, unkompliziert in der Herstellung. Und viel Interessantes gibt es zu erfahren: von den Vorlieben der Bienen für Küchenkräuter über Honigsensorik, unterschiedliche Terroirs bis zu Tipps für die Gesundheit – ein gelungenes Gesamtwerk zum Thema.
Veröffentlicht im April 2019