Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Selber Schuld. Ich hätte es wissen müssen, dass ich zu alt bin für dieses Kochbuch. Zwar neugierig und offen für Neues, Exotisches, Anderes, aber doch auch verfangen in traditionellen Welten. Gut, Streetfood und Foodtrucks sind auch für mich zunächst einmal faszinierend. Die Idee, von einem Ort zum anderen zu ziehen, um ungewöhnliche und schmackhafte Sachen an die Leute zu bringen, das Ungezwungene dabei, alles wunderbar.
Und doch habe ich schon beim ersten Durchblättern gemerkt, irgendwie kommt bei mir nicht die rechte Begeisterung auf. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich etliche der vorgestellten Foodtrucks auf Dinge konzentrieren, die mich nicht interessieren oder mit denen ich nichts anfangen kann und möchte. Vegan etwa kommt für mich nicht in Frage, der Smoothie-Hype findet ohne mich statt (stattdessen koche ich lieber Sirup), Superfoods lassen mich ebenso kalt – kurzum, ich bin ein hoffnungsloser Fall.
Natürlich bleiben dann noch genug Foodtrucks, die mein Interesse angezogen haben. Polnische Küche mit Pierogi, Bigos und Barszcz, türkische Spezialitäten wie Gözleme, Kisir, Manti und Pastrami, Kimchi und gegrillter Käse, Deftiges aus den Südstaaten – da würde ich gerne mal kosten.
Genug genörgelt
Andererseits sind dann auch Trucks dabei, die sicherlich gutes Essen liefern, mich aber nicht vom Hocker reißen. Burger, Sandwichs, Pizza, Hot Dogs, Guacamole, Tiramisu, Cupcakes – schön und gut, aber vom Kulinarischen her etwas langweilig. So, genug herumgenörgelt.
Jetzt zu den Dingen, die mir gefallen haben. Salate, Suppen und Aufstriche, da kann ich mich immer begeistern, vor allem, wenn was Ungewöhnliches geboten wird wie etwa der grüne Kartoffelsalat mit vielen Kräutern vom Kiezwagen Blank. Oder der polnische Barszcz, der uns eher unter dem russischen Namen Borschtsch bekannt ist, von Pani Smak. Oder trotz des veganen und zeitgeistigen Etiketts die Bollywood-Bowl von Beet in the Box, mit Kichererbsen, grünen Bohnen, roten Linsen, Kartoffeln und Süßkartoffeln, mit allerlei indischen Gewürzen zu einem feinen Curry gekocht.
Rezepte aus aller Welt
Natürlich bekommt man mehr geboten als die nackten Rezepte. Viele stimmungsvolle Fotos von der auf Valentinas bereits vorgestellten Elissavet Patrikiou machen Lust, die Speisen der unkonventionellen Köchinnen und Köche auszuprobieren. Über das Rezeptregister sei aus Sicht eines Bibliothekars lieber der Mantel des Schweigens gehüllt. Gelungen hingegen sind die Blicke hinter die Kulissen. Schön etwa zu sehen, dass der Kiezwagen Blank Wert legt auf Mehrweggeschirr. Das habe ich schon ganz anders erlebt.
Spannend ist es allemal, die einzelnen Trucks und ihr Personal näher kennenzulernen. Sina hat das Kochen bei ihrer Mutter in Ostfriesland gelernt, hat Windräder an ihre Bestimmungsorte transportiert und sich zur Fitnesstrainerin ausbilden lassen. Sükriye und Zahide konnten sich den Traum von einem Restaurant nicht verwirklichen, aber mit ihrem Truck ziehen sie nun schon fünf Jahre durch die Lande und kochen traditionelle türkische Rezepte und Eigenkreationen. Deftige Hausmannskost steht auch bei Julia auf dem Programm. Zusammen mit ihrer Tante bringt sie ihren deutschen Kunden polnische Rezepte näher.
Einfache Rezepte ohne viel Schnickschnack
Da die Trucks nur wenig Platz haben und die hungrigen Mäuler schnell gestopft werden müssen, sind einfache Rezepte ohne viel Schnickschnack an der Tagesordnung. Manchmal ist es allerdings erforderlich oder angebracht, Teile des Rezepts vorzubereiten. Klar, dass es gerade bei den etwas exotischeren Küchen mal schwierig wird, spezielle Zutaten zu besorgen. Aber das hält sich in Grenzen. Insgesamt lassen sich die Kreationen problemlos auch daheim verwirklichen. Die kalten Sachen sind dann gut geeignet, zu einer Party, in den Biergarten oder zum Picknick mitgenommen zu werden.
Wer noch nicht allzu viel Erfahrung mit Kochen und fremden Küchen hat, wird dieses Buch sicherlich mögen und vielleicht sogar als Inspirationsquelle nutzen. Für mich gab es etwas zu viel Bekanntes und relativ wenig Anreiz, viele Rezepte nachzukochen, obwohl ich von einzelnen Highlights durchaus angetan war. Aber spannender als das Nachkochen ist ja wohl, Foodtrucks mit ihrem ganz eigenen Ambiente in natura zu erleben.
Veröffentlicht im November 2016