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Katharina Höhnk

Kochbuch von Eke Mariën & Jan Groenewold: Küchenlabor ★★★★★

Küchenlabor – Besser kochen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Eke Mariën & Jan Groenewold, Stiftung Warentest (2021)

Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Ming Cao

Von

Kochen und Chemie sind artverwandt. Deutschlands Vorzeige-Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen Kim wies in vielen Interviews schon darauf hin. Autoren dieses ungewöhnlichen Kochbuchs sind jedoch andere: der promovierte Chemiker Jan Groenewold und der Koch Eke Mariën aus den Niederlanden. Ich als Homecook wiederum verbinde mit Kochen hauptsächlich Spaß und Leidenschaft. Dennoch: Besser kocht es sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, kann ich nach dem Testkochen – und einer direkten „Bolognese-Battle“ – bestätigen. Spaß und Leidenschaft? Blieben trotzdem nicht auf der Strecke.

Kochbuchautoren Jan Groenewold & Eke Mariën
Kochbuchautoren Jan Groenewold (li.) & Eke Mariën (re.)

Das Hardcover und die festen, glänzenden Seiten lassen das Buch sehr hochwertig erscheinen. Die Theorie wird mit vielen Infografiken sehr gut veranschaulicht. Die Autoren (Foto links) gehen in 15 Abschnitten auf grundlegende physikalische und chemische Prozesse wie Maillard-Reaktion, Karamellisierung, Verdampfung, Emulgierung, Oxidation oder Fermentation ein.

Ein bisschen tiefergehende Theorie und viel Praxis

Die Theorie könne im Anschluss gleich im heimischen Küchenlabor umgesetzt werden, so die Autoren. Denn Kochen sei lediglich eine Aneinanderreihung molekularer Prozesse. Das Buch solle in erster Linie dabei helfen, besser kochen zu lernen und das Maximum aus Zutaten herauszuholen.

Einen „Vorgeschmack“ geben die großflächigen Fotos von Speisen in Formvollendung: Gelb-braun glänzende Crème Caramel, rosafarbenes Rindersteak oder cremige Polenta. Über 75 Rezepte von Vorspeisen und Hauptspeisen über Desserts und Getränke bis hin zu Beilagen oder Backwaren bietet das Kochbuch, um die Theorie zu untermauern.

Zum Weiterlesen:

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Und dieser Theorieteil hat es in sich: Pyrolyse, Enfleurage, Suspension, Polyphenoloxidase, Proteasen, Molekülketten – ich lerne, unter welchen Bedingungen Karamellsauce gelingt (die Temperatur entscheidet), welche Faktoren Einfluss auf das Aroma haben (u. a. Zucker, Aminosäuren, Zeit oder Temperatur) oder warum Erdnussbutter ranzig sein muss (das gibt den typischen Geschmack). Auch wenn mir nach kurzer Zeit der Kopf raucht und die Ohren klingeln, bin ich für das gebündelte Fachwissen, welches mir hier häppchenweise serviert wird, sehr froh. So lassen sich zukünftig vielleicht auch erprobte Lieblingsrezepte optimieren. Oder Rezepte, die nicht gelingen wollen, dadurch erklären.

Probieren geht über Studieren

Neugierig blättere ich zum Praxisteil und suche mir Rezepte aus unterschiedlichen Kapiteln heraus. Erfreulicherweise befinden sich auch bei den Kochanleitungen hilfreiche Tipps und Bezüge zur Wissenschaft. Nach dem Studieren der Rezepte fallen mir wiederkehrende Prinzipien auf: Einige Schritte sind zeitlich sehr genau festgelegt. Öfter werden Zutaten für ein Gericht getrennt voneinander zubereitet.

Kochbuch von Eke Mariën & Jan Groenewold: Küchenlabor
Kochbuch von Eke Mariën & Jan Groenewold: Küchenlabor

Wie bei der Tomatensalsa, ein Gericht, welches ich schon häufig gegessen habe. Die Tomaten werden gewürfelt und zwei bis drei Stunden ruhen gelassen. In dieser Zeit sollen Enzyme daran arbeiten, neue Aromen zu kreieren. Der Geschmackstest ergibt deutlich mehr „Zwischentöne“ bei der Salsa, als ich gewohnt bin. Die Tomate setzt sich virtuos als Star in den Mittelpunkt, die Gewürze stimmen harmonisch und stimmgewaltig mit ein. Ich schmecke viele Nuancen heraus.

Auch das nächste Gericht schafft, was die Autoren versprechen. Die gesonderte Zubereitung des Grünkohls für den Grünkohleintopf erhält den Geschmack vortrefflich. Der Gegenbeweis am Folgetag: Zusammen aufgewärmt, dominiert geschmacklich die Kartoffel.

Alle getesteten Rezepte waren geschmacklich entweder eine Offenbarung oder grundsolide, um den wissenschaftlichen Ansatz zu demonstrieren. Mit diesem Buch habe ich das erste Mal Kimchi zubereitet – ebenfalls mit Erfolg. Doch einen letzten und direkten Vergleich wollte ich noch wagen.

„Auf die Bolo, fertig, los!“

Beim letzten Experiment hole ich mir einen „Gegenspieler“ ins Labor. Bei Bolognese mache ihm keiner etwas vor, tönt mein Mann schon viel zu lange. Das sei schließlich sein „Signature Dish“. Und ich kann bestätigen: Seine improvisierten Bolognese-Saucen schmeckten bisher immer hervorragend.

Wir starten das lustige Küchenduell mit der Voraussetzung, dass uns die gleichen Zutaten in gleicher Menge zur Verfügung stünden, ich mich jedoch strikt an das Rezept aus dem Kapitel Maillard-Reaktion halten müsse.

Eke Mariën und Jan Groenewold:

„Unsere Küche ist eigentlich ein großes Laboratorium, denn was beim Kochen in unseren Töpfen geschieht, sind spannende chemische und physikalische Prozesse. Sie zu verstehen, hilft uns, besser und eindrucksvoller zu kochen.“

Nach dem Abwiegen, Anbraten und Rühren stellen wir fest: Die wissenschaftliche Bolognese benötigt länger und ist aufwendiger. Mein Kontrahent verzichtet auf die pH-Regulatoren Natron und Essig, wie das Rezept es vorsieht. Seine Bolognese blubbert ohne pH-Umwege bereits siegessicher vor sich hin, während ich noch über den letzten Kochschritten brüte.

Der Geschmackstest fällt tatsächlich recht unterschiedlich aus. Die „Impro-Bolognese“ ist flüssiger, das Gemüse gibt komplexe Aromen ab, jedoch stört mich der typische Hackfleischgeschmack. Die „Science-Bolognese“ fällt etwas trockener aus, weist jedoch ein deutliches Röstaroma auf (Maillard-Reaktion sei Dank, welche durch das Natron beschleunigt wurde). Das Gemüse schmeckt anders, jedoch ebenso aromatisch und vielschichtig. Für mich ist die zweite Bolognese der klare Sieger. Da meinem Kontrahenten angeblich beides schmeckt, bietet er mir großzügig ein Remis an.

Küchenlabor ist sowohl Lehr- als auch Kochbuch. Die Autoren erläutern fachmännisch die unterschiedlichen molekularen Prozesse, die beim Kochen entstehen, und stellen sie anhand von 75 Rezepten unter Beweis. Die von mir getesteten Rezepte waren allesamt gelingsicher und zeigten mir bei einigen Gerichten ganz neue Aspekte auf. Ein Buch ideal zum Ausprobieren, Experimentieren oder um einfach mehr über den Zusammenhang von Chemie und Geschmack zu wissen. Mir hat das Ausprobieren viel Spaß gemacht.

Veröffentlicht im Dezember 2022

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