Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Wenn man es gar nicht abwarten kann, dass wieder Weihnachten ist, um endlich die Rezepte nachzukochen, oder es einfach das ganze Jahr über tut und ignoriert, dass Sommer ist … dann hat man das Kochbuch von Donna Hay „Weihnachten – Festlich genießen“ in der Hand. Denn die Kochbuch-Ikone kommt aus Australien und da ist dann Sommer.
Diese Rezension stellt mich bedingt vor eine Herausforderung, weil ich besagtes Kochbuch von Donna Hay (Foto unten) gar nicht mehr habe. Es ist in den Besitz meiner Mutter übergegangen, die nicht bereit ist, es wieder rauszurücken. Und das hat Gründe, daher kann ich ihr das weder übelnehmen, noch bin ich bereit mein Erbe aufs Spiel zu setzen. Ich würde es nicht anders machen und hantiere daher froh mit Fotos aus dem Buch, die sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, und meinen Kochnotizen herum und bekomme schon wieder große Lust, etwas zu kochen.
Es ist immer ein besonderer Moment, wenn man nach der Auswahl des Kochbuchs selbiges zum ersten Mal in den Händen hält. Vielleicht ist es auch ein bisschen so wie die erste Begegnung mit Fremden. Vieles entscheidet sich gewollt oder ungewollt in den ersten Sekunden. Dieses hier ist hübsch gemacht, vielleicht etwas spießig, aber solide und zugleich vielversprechend.
Genuss und Optik
Spießig bin ich auch. Hat mir also gleich gefallen. Es ist ein großes klassisches Format, das gut aufblättert und wirklich dazu gedacht ist, offen auf der Anrichte zu liegen, während man seinen Anleitungen folgt. Und dass man sehr viel Lust bekommt, diesen Anleitungen zu folgen, liegt auch an der Fotografie der Rezepte und der Klarheit der Aufmachung.
Klar, auch Donna Hay kommt nicht um die üblichen Spielchen herum, etwa die Soßenkleckse wie essbare Malerei auf dem Teller zu platzieren, aber es ist nicht zu viel und nicht zu wenig. Stört also nicht weiter. Im Gegenteil, es wurde eigentlich bei allen Rezepten darauf geachtet, dass sie – gemäß des Anlasses? – optisch ansprechend angerichtet sind. Die knusprigen Kartoffelblätter mit Oreganosalz befinden sich daher hochkant geschichtet in der Kasserolle, der Kartoffel-Kräuter-Brotring ist schon optisch ein Genuss.
Die Gliederung richtet sich nach den klassischen Kategorien von Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise. Eine schöne Ergänzung sind die essbaren Dekorationen wie Lebkuchen-Knöpfe und Weihnachtsbäume. Es gibt Menüvorschläge. Und es ist ein Kochbuch aus dem englischsprachigen Raum, schon deshalb spielen Gerichte wie unterschiedliche Schinken eine große Rolle. Eine sehr große, um genau zu sein. Ob sie aber zu groß ist, vermag die Australierin in mir nicht so recht beurteilen. Auch der Schinken hat ein Publikum.
Es sind aber auch neue Interpretationen klassischer Gerichte zu finden, wie Yorkshire-Puddings mit Pastinake, Süßkartoffeln und Thymian. Schließlich spielen vor allem die Backwaren und Nachspeisen eine größere Rolle, um rund um die Weihnachtszeit auf alles gut vorbereitet zu sein.
Als kleine Einschränkung sei erwähnt, dass manchmal, zugunsten des Buchdesigns, die Schrift zu hell geraten ist und sich nicht so gut lesen lässt. Das kann bei aufwendigen Rezepten, die immer wieder einen Blick ins Buch erfordern, durchaus anstrengend werden. Insgesamt hat das mein Kocherlebnis aber nicht geschmälert und das schreibe ich im Bewusstsein, dass ich viele Stunden mit dem Nachkochen der Rezepte zugebracht habe.
Auch zu Weihachten: Zum Glück war ich Weihnachten 2019 zuständig für unser Weihnachtsmenü. Bei uns ändert sich das jährlich. Immer im Wechsel sind meine Mutter, meine Schwester oder ich „dran“. Seit Kurzem gibt es alle vier Jahre auch eine „Männerrunde“ angeleitet von meinem Sohn. Doch wie gesagt, dieses Jahr war es mein Part zu kochen und ich hatte große Schwierigkeiten, mich zu entscheiden, welche Gerichte am Heiligen Abend glänzen dürfen. Es waren insgesamt fünf. Man will sich ja nicht lumpen lassen.
Stresslos dank Vorbereitung
Andererseits ist es gerade zu Festtagen immer ein Seiltanz den Aufwand nicht so zu betreiben, dass der Stresslevel unnötig nach oben schießt. Das erledigt das familiäre Zusammensein auf engem Raum meist ganz von allein. Als hätte es die Autorin geahnt, enthält das Buch einige Rezepte, die sich gut bereits Tage im Voraus vorbereiten lassen, sodass am eigentlichen Abend nur noch die Hauptspeise plus entsprechende Beilagen gemacht werden müssen. Die Räucherlachs-Mascarpone-Pâté mit Estragon hat beispielsweise an Geschmack nach zwei Tagen durchaus gewonnen.
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Der Ehrlichkeit halber sei erwähnt, dass ich bei einem Gericht abgebrochen habe. Beim Kaffee-Amaretti-Schichtdessert fehlten einige Mengenangaben, die sich dann als Zutaten in der Beschreibung wieder finden. Die Verwendung von Gelatine erfordert aber sehr genaue Mengenangaben, sodass einem das Dessert leicht zu flüssig geraten kann. Daher habe ich nach dem Probekochen lieber auf eines von mehreren Pandoro-Rezepten gesetzt. Hier war es ein mit Eis gefüllter Pandoro, eine Spezialität, die dem Pannetone ähnelt, wo der Teig allerdings keine Zutaten wie Zitronat enthält, sondern ganz schlicht daherkommt. Ein köstliches Dessert, das vor allem wegen der unterschiedlichen Konsistenzen von Kuchen und Eis sehr gut funktioniert. Ich empfehle aber – nachdem man schon mit dem Kuchen sehr viel Aufwand betrieben hat – auch das Eis selbst herzustellen.
Hauptgang durfte eine Speckrolle mit Maronen-Salbei-Füllung sein, die von einem geschmorten Weißwein-Blumenkohl begleitet wurde. Beides ganz wunderbar! Die Beschreibung wurde mit vielen Bildern illustriert, sodass auch die ungeübte Hand sicher durch alle Schritte geführt wird. Die karamellisierten Zwiebel-Kartoffeltürmchen passten hervorragend. Etwas aufwendig, aber zu Weihnachten ist das ja in Ordnung.
Das Buch „Weihnachten – Festlich genießen“ von Donna Hay ist rundum empfehlenswert. Mein Dessertausreißer – siehe oben – sei der Australierin schon deshalb verziehen, weil dadurch die Qualität der anderen Rezepte umso deutlicher wird. Ein Hinweis sei Interessierten mitgegeben: Weihnachten findet in Down Under ja im Sommer statt. Spargel mit Feta ist dort deshalb durchaus ein weihnachtlicher Salat, hier nicht. So kocht man mit Donna Hay eben auch nach dem Fest weiter bis zum Frühjahrsgemüse.
Veröffentlicht im November 2020