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Katharina Höhnk

Kochbuch von Daniel Galmiche: Kochen à la Liberté ★★★★

Kochen à la Liberté – Französische
Rezepte neu interpretiert
Daniel Galmiche
Fotos Yuki Sugiura
Gerstenberg Verlag (2014)
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Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Annick Payne

Von

Französische Revolution 2.0: ausgerufen von einem Koch, rollen im Jahr 2015 allenfalls Salatköpfe. Während der Autor sein Thema unter den Aspekten der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verfolgt, kann man seine kulinarische Revolution aber auch im Sinne der 68er Bewegung zu verstehen. Daniel Galmiche befreit die traditionelle französische Küche vom Staub von tausend Jahren, und da kann es auch schon einmal passieren, dass sich im Eintopf bourguignon ein Hirsch in freier Liebe mit Schokolade und Sternanis paart. Vive la révolution!

Galmiche teilt seinen Band in drei Kapitel, die gemäß den Forderungen der französischen Revolution Liberté, Égalité und Fraternité heißen. Hierbei handelt es sich um “klassische Gerichte, von den Einschränkungen der traditionellen französischen Küche befreit” (Liberté), “demokratische Gerichte, in der schlichte Zutaten eine Hauptrolle spielen” (Égalité) und “Gerichte, die klassische Zutaten erfindungsreich und mit Stil neu kombinieren” (Fraternité).

Ein netter Gag, der aber leider das Auffinden von Rezepten erschwert, denn mir wenigstens ist nicht auf Anhieb erkenntlich, ob eine Schokoladentart mit Chili nun befreit, demokratisch oder erfindungsreich kombiniert ist. Wer also blätternd Rezepte wiederfinden will, muss sich hier durch dreimal Vorspeisen – Hauptgerichte – Nachspeisen wälzen. Zum Glück gibt es ein Register.

kochbuch-daniel-galmiche-kochen-a-la-liberte-franzoesische-rezepte-neu-interpretiert-cover-uk-valentinasWas für ein Cover!

Etwas wundern muss man sich über die Umsetzung der deutschen Fassung. Wo das englische Original vom knallig pinkfarbenen Cover “Revolutionary French Cooking” (links) schreit, verspricht der kraftlose deutsche Band nur noch “Kochen à la Liberté”. Armes Deutschland, traut man Dir die Revolution nicht zu? Oder soll der großartige Inhalt unter der Geschirrtuchoptik von Vorgestern verborgen werden, damit er nur Eingeweihten zugänglich ist?

Lüften wir das Geheimnis: dieser Band wird unter meinen Lieblingen 2015 in erster Reihe stehen.

Genial

Wie sieht sie also aus, die kulinarische Revolution? Deutlich erkennbar ist ein asiatischer Einfluss beim Würzen, Limettenschale, Zitronengras, Chili und Ingwer ergänzen typisch französische Kräuter wie Kerbel und Estragon. Klassische Gerichte erscheinen in neuer Interpretation, z.B. übernehmen Ananas, Chili und Zitronengras das Konzept Tart Tatin, und Schnecken gibt es mit Fenchel und Mandeln in Rotweinsauce. Rindercarpaccio trifft auf Wasabi-Sahne und gebratene Rochenflügel tauschen die klassischen Kapern und Nussbutter gegen eine Chili-Limetten-Butter.

Nicht zu unterschätzen sind zwei Aspekte, die mir beim Nachkochen viel Freude beschert haben, nämlich dass die Rezepte sauber ausgearbeitet und fein austariert sind. Denn die Kreativität, die der Autor an den Tag legt, beruht auf dem Erfahrungsschatz eines Sternekochs. Der Franzose Galmiche kocht heute im Vineyard in Newbury, England, frühere Stationen lagen in Singapur, Portugal und Schweden.

Ganz ohne Profigerätschaften

Der internationale Hintergrund lässt sich in seinen Rezepten wiederfinden, darüberhinaus punktet er mit technischer Präzision und ausführlichen Angaben, z.B. zum Kochen Sous-Vide oder zum Räuchern. Seine zweiseitigen Einführungen zu solchen Techniken sind dazu geeignet, die Hemmschwelle derartiger Experimente möglichst niedrig zu halten. Und nein, es benötigt nicht zwangsläufig etliche teure Neuanschaffungen für die Hobbyküche; für die Sous-Vide-Methode reicht bereits Frischhaltefolie, zum Räuchern ein Dampftopf bzw. -einsatz.

kochbuch-daniel-galmiche-kochen-a-la-liberte-franzoesische-rezepte-neu-interpretiert-inside-valentinasDie Übersetzung – hm

Kritisieren muss man die Übersetzung dieses Bandes, die u.a. auf mangelndes deutsches Küchenvokabular schließen lässt, so wird aus dem englischen “rice pudding” Reispudding statt Milchreis (S. 204), aus “watercress” echte Wasserkresse statt Brunnenkresse (S. 193). Mehrfach hat mich der Text aufhorchen lassen, ein Blick ins englische Original lieferte dann als Erklärung Übersetzungsfehler oder verkürzte Wiedergabe. So soll das Paprikahuhn (S. 46) mit 12 kleinen Steckrüben in Cidre geschmort werden. 12 Steckrüben? Nein, Galmiche verwendet Turnips, also Mairübchen (ebenso S. 176; 193; an anderer Stelle wird korrekt “Swede” mit “Steckrübe” übersetzt).

Ärgerlich auch, wenn hilfreiche Anleitungen unnötigerweise unterschlagen werden. Beispiel Birnenkuchen: das englische Original spezifiziert nicht nur Garzeit, sondern auch, welchen Zustand die Birnen erreichen sollen, was sicher die wichtigere Information ist. Die karamellisierten Birnen soll man (dt.) “auf einem Geschirrtuch kurz trocknen und abkühlen lassen” (S. 215), als kontextlose Angabe ist dies erst einmal leicht verwunderlich. Das Original erläutert, dass das Geschirrtuch überschüssige Flüssigkeit aufsaugen soll. Aha.

Mein Fazit zu Galmiches Revolution? Ich steige mit auf die Barrikaden und schwenke eifrig die Fahne für ihn, allerdings eher die englische (5 Sterne) als die deutsche (4 Sterne). Auf die große Frage, was bei uns noch nachgekocht wird, gibt es nur eine Antwort, nämlich „alles“. Denn es locken noch so köstliche Gerichte wie Schweinerilettes mit Koriander und Sternanis; (selbst) geräucherte Entenbrust mit Linsen und Lavendel; Jakobsmuschelsoufflé mit Pilzschaum; gebratene Lammsteaks mit Süßholzwurzel; Seeteufel im Speckmantel mit Karotten-Mandarinen-Püree; Paris-Brest mit Zichorienkaffeecreme.

Veröffentlicht im Oktober 2015

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