Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Wein und Essen. Wie begeisternd die perfekte Kombi ist, wenn ein Wein ideal mit einem Gericht harmoniert (oder anders herum!), wie toll die landestypische Küche zu den regionalen Weinen passt – passionierte Foodies und Weinliebhaber sind immer auf der Suche nach dem „perfect match“. Dass Christiane Leesker und Vanessa Jansen die Küche der Buschenschänke entlang ausgesuchter Weinregionen genauer unter die Lupe nahmen, ist doch gleich mein Ding!

In dem 190 Seiten starken Buch geht es primär ums Essen, wie die Autorinnen gleich eingangs klarstellen, und die Auswahl der Weingüter- und Regionen entbehrt natürlich der Vollständigkeit. Aber 15 Winzer und ihre Besen-, Buschenschänken, Heurigen und Straußenwirtschaften (wie die angegliederte Gastronomie oft heißt) sind doch schon mal ein guter Anfang.
Kochbuch meets Wein-Reiseführer
Von der Ahr bis in die Wachau, von der Nahe bis nach Wien reisten die beiden, guckten den Weinmacher*innen in die Keller, den Köch*innen in die Töpfe, dem Kellner in Lederhosen auf die Waden. Herausgekommen ist ein Mix aus Reportagen, die Einblicke in die spannende Arbeit des Weinbaus geben, und sechs Kapiteln mit Rezepten zu und mit Wein.
Zum Weiterlesen:
Leseprobe beim Verlag
Websites von Christiane Leesker und Vanessa Jansen
Mehr von den Autorinnen bei Valentinas
Die Grafikdesignerin und Autorin Leesker kochte als Studentin in Frankreich in Kneipenküchen und half bei der Weinlese im Burgund. Darüber hinaus hat sie bereits neun Kochbücher verfasst, immer begleitet von der Fotografin Vanessa Jansen. Ein eingespieltes Team also. Was können sie mir mit ihrer Weinreise Neues und Interessantes bieten? Ich bin gespannt.

Ganz weintypisch sind Einband, Grafik und das erste Bild in Grün-violett gehalten, den Farben der Reben. Sehr stimmig. Fotos von Rebbergen wechseln sich mit Winzer*innen-Porträts, Einblicken in Keller sowie Stimmungsbildern im Lokal ab. Jedes Rezept bekommt ein eigenes Foto, dabei wechseln Geschirr, Besteck, Hintergrund und Deko – was die Food-Fotografie vor Ort bei gleichem Stil authentisch macht.
Kulinarisch divers!
Aber noch wichtiger: Was gibt es zu entdecken, was für Schätze heben die beiden zwischen Mosel, Bodensee, Donau und Unstrut? In den Kapiteln Herzhafte Kleinigkeiten, Suppen, Vegetarisch, Gerichte mit Fleisch oder Fisch und Desserts finden sich tatsächlich überraschend unterschiedliche Rezepte. Nicht nur die Klassiker wie Flammkuchen oder Weinsuppe (die natürlich auch vertreten sind) finden Erwähnung, sondern auch ein Curry, eine Bowl und griechisch inspirierte Küche. Interessant.

Dabei variiert der Anspruch von eher bescheiden (Datteln im Speckmantel) bis zu anspruchsvoll, wie etwa das Bachsaiblingsfilet mit Marillen-Senf-Kruste und Safranschaum. Natürlich landete mein Post-it sofort auf dieser Seite! Zumal ich das Weingut selbst vor Jahren besucht hatte und mich solch tolle Kombis gleich elektrisieren.
I like!
Zuallererst probierte ich allerdings den Kartoffelkuchen mit rotem Traubengelee. Der Boden besteht aus einem mit Butter angereichertem Hefeteig, die Füllung aus einer üppigen Kartoffelmasse mit Quark und saurer Sahne, die durch Eischnee schön locker wird. Der Clou ist das dazu gereichte rote Traubengelee, das dem Ganzen eine schöne fruchtige Note verleiht.
Ebenso spannend fand ich die Linsensuppe nach Tante Aphrodite. Eigentlich bin ich nicht der Hülsenfrüchte-Fan, was gewiss an der Linsensuppe aus Kindertagen herrührt, wo braune Tellerlinsen pampig-undelikat daherkamen. Diese Suppe aber versprach ganz anders zu sein: Die ungleich feineren schwarzen Belugalinsen machen schon den Unterschied, ergänzt werden sie durch Tomaten, Rotwein, Feta und Gewürze. Das schmeckte gleich viel mediterraner, feiner, zeitgemäßer. Wie kommt jetzt die griechische Aphrodite an den Rhein? Der Winzer Christos Theodoropoulos verbrachte früher seine Sommerferien bei der Oma in Griechenland und ist heute in Oberwesel zu Hause, wo er mit seiner Frau ein Weingut mit kulinarischen Events betreibt.
Die Autorinnen über ihr Buch:
„Für dieses Kochbuch bereisten wir viele Weingebiete von Ost nach West und von Nord nach Süd. Weingüter bieten oft neben einem Weinverkauf auch Gastronomie an. Wir haben bodenständige und traditionelle Gerichte ebenso vorgefunden wie mediterrane und mo derne, Überliefertes ebenso wie Innovatives. Die Speisekarten sind so verschieden wie die Winzerfamlien selbst.“
Auch der Coq au Riesling mit geschmortem Chicorée aus dem Weingut Bremer in der Pfalz gelang und schmeckte wunderbar, und das Apple Crumble mit Waldbeer-Minz-Sauce wurde in der Familie sogar als neues Dessert-Highlight gefeiert!
Persönlich hätte ich mir bei den einzelnen Rezepten jedes Mal eine Weinempfehlung gewünscht, nicht nur manchmal, und auch Angaben zur Herkunft des Rezeptes. Ganz am Ende des Buches, bei der Liste der besuchten Weingüter, fand ich dann den Hinweis, welche Rezepte beigesteuert wurden – ah! Auch mehr Einblicke in die Weinregionen und zu allen besuchten Winzern hätte ich mir gewünscht, aber das ist meinem professionellen Fachwissen-Durst geschuldet sein. Außerdem stellen die beiden gleich zu Beginn klar: „Um Wein geht es in diesem Buch aber nur in zweiter Linie.“
Die echte Winzerküche ist für mich ein gelungenes Kochbuch mit wunderbaren Entdeckungen. Dabei meiden die Autorinnen vorbildlich kulinarische Klischees, sondern bieten einen authentisch-modernen Blick auf die gastronomischen Gepflogenheiten vor Ort. Wer gute Küche und deutsch-österreichischen Wein schätzt, wird daher in diesem Kochbuch Inspiration finden und vielleicht auch direkt die nächste Reise planen. Der Genuss ist dabei sicher! Uns haben alle fünf probierten Gerichte begeistert.
Veröffentlicht im September 2022