Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Ein kulinarischer Roadtrip – das klingt nach großer weiter Welt und Abenteuer. Wie viel abenteuerlicher wird es erst, wenn man nicht die ausgenudelte Route 66, sondern China bereist, einmal alles – aber bitte vegan?!
Caroline Franke und Daniel Schieferdecker (Foto unten) haben es gewagt. In einem Berliner Restaurant, in dem man sich aufs Köstlichste auf die Zubereitung veganer chinesischer Gerichte versteht (ja, auch ich bin Fan …), kamen sie auf den Geschmack. Wie sie erzählen, verhalf dann ein klein wenig Reisschnaps zur Entscheidung, und gemeinsam mit Freund Sam, der damals im Restaurant arbeitete, vollzogen sie also ihren Plan, der umfasste: Vegane Lieblingsgerichte entdecken und sie in Buchform festhalten.
Von der Reisschnapsidee zum Big Trip
Nachdem ein Konzept entwickelt und ein Verlag gefunden war, ging es los. Gemeinsam machte sich das Berliner Paar zusammen mit Sam und seiner Freundin Xiao auf den Weg. Mit dem Auto durch China, wochenlang, in entlegene Bergdörfer und Megacities.
Ich bin eine große Anhängerin der kulinarischen Völkerverständigung und schon lange ein ausgeprägter Fan der chinesischen Küche. Begeistert blättere ich in dem prächtigen, farbenfrohen Buch. Endlich! Endlich traut sich mal jemand, die chinesische Küche von einer gänzlich neuen Seite aufzuziehen!
„Man man chi“ – sagt man hierzulande „Guten Appetit!“, heißt es in China wörtlich übersetzt: „Issˊ langsam!“ Ein frommer Wunsch. Mir kann es gar nicht schnell genug gehen. Gierig blättere ich in dem Buch, das die Gerichte dann doch traditionell gliedert in Frühstück, Snacks, Kleine Speisen, Suppen, Salate, Hauptgerichte und Desserts.
Vom Reisen und Speisen
Hier und da verweilt mein Blick bei den Fotos von unterwegs. Es sind viele Momentaufnahmen, die für sich kleine Geschichten erzählen. Meine Gedanken schweifen schnell ab: Wann werde ich mal wieder nach China reisen können? Ein längst überfälliger Plan, angefeuert durch die spannenden Anekdoten, die die Autoren einstreuen.
Die Rezeptauswahl, die es in das Buch mit dem wunderbaren Titel „Forever Yang“ geschafft hat, ist außerordentlich vielfältig – „fei chang hao!“ Meike Bergmann, die für die Foodfotografie verantwortlich zeichnet, und Caroline Franke als Foodstylistin haben sich einiges einfallen lassen, um die Speisen stylish-schrill, aber yummy in Szene zu setzen – und damit ein jüngeres Publikum anzusprechen, passend zum Thema „Veganismus“, dem laut einer Studie aus dem Jahr 2016 vor allem Personen zwischen 20 und 30 folgen. Für meinen Geschmack hätte allerdings die Ansprache in den Texten durchaus weniger juvenil ausfallen dürfen.
Wer einen gut sortieren Asienladen in der Nähe hat, dürfte keinerlei Probleme haben, die notwendigen besonderen Zutaten aufzutreiben, die vielleicht noch nicht im Vorratsschrank stehen. Besonders gefällt mir, dass die beiden Autoren zahlreiche Grundrezepte in das Buch aufgenommen haben, auch für Zutaten, die man sonst auch fertig kaufen könnte wie Chiliöl, Chili-Bohnen- oder Schwarze-Bohnen-Paste.
Mal traditionell, mal trendy – immer vegan
Rezepte für Trüffelreis oder die „Krach-Wach-Mische“ – Studentenfutter à la chinois mit geröstetem Grüntee, Popcon, Gojibeeren, Berberitzen, Nüssen, Chili und Bitterschokolade – zeigen, dass auch in China längst über den Tellerrand hinaus gekocht wird. Und eben auch vegan, denn das sind alle Rezepte im Buch. Obwohl ich vermute, dass es für Survival und Recherche schon auch ganz praktisch war, die eigenen Dolmetscher gleich dabeizuhaben, denn Gerichte in China werden gerne mal mit Fleisch „nur parfümiert“.
Für ein Abendessen in geselliger Runde gehe ich ganz klassisch chinesisch vor und wähle pro Person ein Gericht plus X aus. In diesem Fall: Neun Gerichte für sechs Personen. Was bei anderen Büchern bislang immer geklappt hat, funktioniert hier erstaunlicherweise nicht: Es bleiben Reste. Vor allem der fast rohe Rosenkohl fand nicht besonders viele Abnehmer. Und 600 g Rosenkohl sind dann halt auch eine sportliche Menge – im Buch übrigens für zwei Personen. Überhaupt: Die Rezepte werden für zwei Personen ausgewiesen. Wollte man tatsächlich eine typisch chinesische Speisenauswahl servieren (siehe oben), was ich aus Gründen des Genusses sehr empfehle, müsste man beinahe jedes Rezept erst von zwei auf eine Portion runterrechnen, damit das funktioniert. Ganz allgemein würde ich außerdem hier und da bei einigen Rezepten das nächste Mal weniger Essig verwenden (siehe unten).
„Forever Yang“ entführt den Leser auf eine kulinarische Entdeckungsreise ins moderne China. Das Buch nimmt den Leser voll Reiselaune mit. In der Praxis setzte sich das leider nicht fort. Im Detail haben uns die Rezepte – die übrigens allesamt vegan sind – nicht voll überzeugen können, zudem sind die Portionen pro Rezept meist (zu) üppig bemessen, was das Zusammenstellen eines typisch chinesischen Menüs erschwert. Aber hat man das mal „durchschaut“, kann das Buch durchaus Freude bereiten.
Veröffentlicht im Juni 2018