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Read, cook, enjoy!
Katharina Höhnk

Kochbuch von Caroline Dafgård Widnersson: Würzig! ★★★

Würzig! Ohne Geschmacksverstärker – ohne
Zusatzstoffe. 100% natürlich & selbstgemacht
Caroline Dafgård Widnersson
Fotos Matilda Lindeblad
Hädecke Verlag (2016)
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Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.

Ulrike Thyll

Von

Ich bin oft gefrustet, wenn ich Flaschen mit (manchmal attraktiv aussehenden und verheißungsvoll betitelten) Würzsoßen umdrehe und dann die Zutatenlisten lese. Das klingt eher nach einem Chemiebaukasten als nach einem Lebensmittel und wandert zurück ins Regal. Trotzdem scheint der Absatz reißend zu sein, wenn man seinen Blick über die Supermarktregale schweifen lässt und die schiere Menge des Angebots sieht. Und erst die vielen Pülverchen und Tütchen! Die schwedische Autorin Caroline Dafgård Widnersson zeigt uns, wie es anders geht. Ohne Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker würzen – eine prima Idee. Schon früher habe ich nach Rezepten von Jean Pütz aus der WDR Sendereihe Hobbythek an Senfen und Ketchups herumgetüftelt.

Ein breites Angebot mit deutlichen Schwerpunkten

Das Buch macht Lust, den Faden wieder aufzunehmen. Man nimmt es gerne in die Hand, denn es ist optisch attraktiv gestaltet mit vielen ganzseitigen Detailaufnahmen. Das Angebot ist breit. Im Bereich der gemischten Würzmittel gibt es von allem etwas: Senfe, Ketchups, Mayonnaisen, Chilisaucen, Würzsaucen, Essige, Pickles und Eingelegtes, Gewürzmischungen.

Der Schwerpunkt liegt bei den Saucen, viele davon im scharfen Bereich, aber es gibt auch ein Rezept für Worcestersauce. Besonderes Interesse wecken bei mir die unbekannten Größen wie Lauchasche und Aschesalz. Aschen sind gerade in der gehobenen Küche sehr beliebt. Solche selbst gemachten Pulver hätte ich gerne mehr gefunden, mehr Überraschendes auch im Bereich der Salze, denn da tut sich gerade etwas, wie ich kürzlich bei der Produktion von Vanillesalz selbst erleben konnte. Einige wenige Kochrezepte und Warenkunde zu Chilis ergänzen das Angebot.

Ich starte mit Senf – den habe ich früher öfter gemacht, mit gemischtem Erfolg. Mit vier Senfen hält Caroline Dafgård Widnersson (Foto links) diese Abteilung überschaubar klein, ein guter Startpunkt also. Bei der Beschaffung der Zutaten erste Probleme: Man benötigt für einige Senfe 10–12-%-igen Spritessig, den mein Supermarkt nicht vorhält. Deutsche Essige haben allesamt 5%, Essigessenzen 20%. Also selbst passend anrühren.

Dann soll man bei den Rezepten gelbe und braune Senfkörner nach Geschmack mischen. Das ist ein echtes Problem, weil man Senfe während der Herstellung nicht abschmecken kann. Ihre beißende Schärfe verliert sich deutlich erst in den folgenden Wochen. Hier wäre eine feste Anfangsmischung mit Angaben zu möglichen Variationen besser gewesen, um weniger gelungene Erstprodukte zu vermeiden. Man erhält also Zufallsprodukte. Mein bayrisch süßer Senf schmeckt gut, ebenso der süß-scharfe Senf. Der grobe Senf ist zu fest und der Dijonsenf zu grobkörnig. Das Rezept für Dijonsenf arbeitet zudem mit Essig, ein Fauxpas, denn echter Dijonsenf wird mit Verjus hergestellt, dem Saft unreifer Trauben.

Nur nicht verzagen – es lohnt sich!

Auf in die nächste Runde. Curryketchup ist mein Liebling, also los! Die Herstellung geht schnell und problemlos. Mein Erstversuch ist noch etwas zu flüssig, also mehr einkochen beim nächsten Mal, aber der Geschmack ist super.

Für Lauchpulver trocknet man einfach Lauchstreifen im Backofen oder auf dem Dörrer und pulverisiert das getrocknete Gemüse anschließend. Es geht einfach und schnell und der Geruch ist umwerfend intensiv. Hier betrete ich Neuland. Ich bin so begeistert, dass ich anschließend mein gesamtes übliches Suppengemüse trockne und pulverisiere. Die Zwiebeln mariniere ich zusätzlich vorher in heller Sojasoße, wie die Autorin das vorschlägt. Anstatt Champignons und Tomaten nehme ich Sellerie und Möhren. Die sind zwar erheblich härter und entsprechend schwieriger zu vermahlen, aber ein leistungsstarkes Gerät schafft die auch. Die Autorin bezeichnet das Suppengewürz als echte Umami-Bombe, die anstelle eines Brühwürfels verwendet werden kann. Das kann ich nach den ersten Versuchen nur bestätigen. Hier hat man dann tatsächlich einen gesunden Ersatz für Industrieprodukte. Ich bin jetzt auf dem Trip und werde zukünftig alles Mögliche trocknen und pulverisieren und damit experimentieren. Spannend!

Für Porreeasche muss man das Gemüse im Ofen verbrennen lassen. Es dauert nur 15 Minuten, bis tiefe Schwärze erreicht ist. Abkühlen lassen und zu einem Pulver zerstoßen. Einen Teelöffel habe ich dann mit 125 g Meersalz zu Aschesalz weiter verarbeitet, wie die Autorin es vorschlägt. Vorsichtig haben wir beides in geringer Dosis probeweise auf gedämpfte Hähnchenbrust gestreut. Es hatte ein leichtes Grillaroma. Im Netz kann man lesen, dass die Asche keine Gesundheitsgefährdung darstellt, weil sie nur in geringen Mengen Verwendung findet. Im Buch selbst wird der Gesundheitsaspekt nicht thematisiert. Wie genau man die Asche als Würzmittel einsetzen kann und in welchen Mengen, muss man durch Experimente selbst austüfteln, weil das Buch kein Rezept anbietet. Das ist bei so unbekannten Produkten ungünstig.

Kein Mut zum Risiko

An die Essige wiederum habe ich mich nach der angebotenen Anleitung nicht herangetraut. „Es ist schwer, Rezepte für Essig aufzuschreiben. Die Herstellung ist größtenteils Gefühlssache und erfordert auch ein kleines Quäntchen Glück.“ – sagt die Autorin und bietet dann Rezepte für Anfänger an. Nun bin ich ja beim Kochen kein Angsthase, erinnere mich aber noch an eklig stinkendes Glibberzeug in Flaschen, als ich es mal versucht habe. Es dauert mindestens fünf Wochen, bei einigen Essigsorten auch mehrere Monate, bis sich Essig bildet, heißt es hier. Das übersteigt mein Zeitbudget für die Rezension, macht mir aber auch keine Lust, denn zwischendurch kann viel schiefgehen, heißt es da, und dann soll man wieder von vorne beginnen. Dabei habe ich durchaus Lust, Essige selbst zu machen. Wenn ich mich herantraue, werde ich aber viel mehr Infos brauchen, als mir hier angeboten werden.

Die Stärke des Buches liegt im Impuls, der von ihm ausgeht. Wer gesund kochen will, braucht gesunde Würzmittel. Dafür gibt es hier zahlreiche Anleitungen und Anregungen. Caroline Dafgård Widnerssons Anleitungen sind außerdem überwiegend schnell umsetzbar und bringen auf Ideen. Einige sind allerdings zu unpräzise, wie z. B. die Senfe, oder geben zu wenig konkrete Anwendungsbeispiele bei unbekannten Größen wie Aschen.

Man bekommt den Eindruck, dass die Autorin als Praktikerin eine Menge kann, z. B. selbst Essige herstellen, aber es gelingt ihr nicht immer, dieses Können so in Texte umzusetzen, sodass der Leser damit kompetent hantieren oder das entstandene Produkt weiterverarbeiten kann. Die breiteste Erfahrung scheint die Autorin mit Würzsoßen gesammelt zu haben und ich freue mich schon darauf, diese in größerer Breite auszuprobieren, wenn die Grillsaison anfängt bzw. viel neues Gemüse mich zu asiatischem Kochen anregt.

Hier gibt es nicht nur ein breites Angebot, sondern auch sehr präzise Zutatenlisten und Mengenangaben, was auf erprobte Rezepte hindeutet und Vertrauen einflößt. Das und die Anregung, viel mehr zu trocknen, ist für mich der größte Gewinn des Buches. Persönlich hätte ich mir allerdings mehr Anleitungen zur Herstellung von Gewürzsalzen und Kräuterzuckern gewünscht und etwas mehr Präzision für die Umsetzung.

Veröffentlicht im April 2017

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