Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Das Frühstück ist die Lieblingsmahlzeit meines Mannes. Das war der Hauptgrund für mich, mir das Kochbuch von Camilla Jensen als Rezensionsexemplar vorzunehmen. Immerhin habe ich damit auch gleich den anspruchsvollen Testesser auf meiner Seite. In der Regel sitzt er am Frühstückstisch neben mir, während ich noch mit dem Wachwerden kämpfe und isst eine Bütterchen (wir sind aus dem Ruhrgebiet) nach der anderen. Diesen Genuss wollte ich erhöhen, indem ich ihm nun regelmäßig neue Rezepte vorlegen wollte.
Mein erster Eindruck des Buches war hervorragend. Es ist hübsch gemacht. Das Format ist nichts besonderes. Aber die Fotografien können sich durchaus sehen lassen, wohl auch deshalb weil sie von der Autorin selbst stammen, deren zweite Passion die Fotografie ist. Der Umschlag mit dem prallen Granatapfel wäre für mich nicht unbedingt eine Frühstücksassoziation gewesen, aber das erhöhte meine Spannung nur. Die Autorin war mir bislang unbekannt. Sie lebt etwas außerhalb von Oslo und gibt Kochkurse. Erfahrungen aus den Kochkursen finden sich, verbunden mit eigenen Rezeptideen in ihren Kochbüchern wieder. Etwas gestutzt habe ich offen gesagt bei dem Verlag. Der anthroposophische Verlag “Freies Geistesleben” ist nicht gerade für seine Kochbücher bekannt. Jedoch wächst laut Selbstauskunft in den vergangenen Jahren das Segment der “Ratgeber und Bücher zur vegetarischen Ernährung”, wo “Frühstück” bestens aufgehoben ist. So findet sich beispielsweise vor dem eigentlichen Rezeptteil ein ausführlicher Abschnitt zu Ernährungsund Lebensmittelfragen, der anregend und informativ geschrieben ist. In Norwegen übrigens ist das Buch bei Gyldenhal erschienen. Das ist ein alteingesessener Osloer Verlag, der keinerlei Denkrichtung anhängt, sofern das überhaupt möglich ist.
Die Rezepte sind nach Art ihrer Zubereitung gegliedert. Da findet sich “Gekochtes” oder “Flüssiges Frühstück”. Wer sich nach Zutaten oder konkreten Rezepten orientieren will, der muss hier das Register bemühen. Ich habe mich einfach von vorn nach hinten durchgearbeitet, wenig gekocht, viel geraspelt, und noch mehr geschnetzelt, aber auch manches mal geflucht. Da finden sich einerseits großartige Hinweise und Rezepte. Ja, verwendet mehr Blütenblätter in der Küche. Sie sind lecker und sehen gut aus. Tante Lilas bunter Blütensalat (s. 58) ist einfach lecker. Und mir gefällt, dass die Rezepte oft von Hinweisen flankiert werden, die wirklich nützlich sind. wie etwa übrig gebliebenen Obstsalat zu Smoothies oder Eis zu verarbeiten. Neben so klassischen Mischungen bietet Camilla auch ausgefallene Alternativen wie den Mung-Morgen. Hier wird Obst mit Paprika gemischt, Kräuter hinzugefügt, bei Bedarf sogar Chili. Eine interessante Variante, auf die man sich einlassen muss, die aber auch völlig neue Geschmackswelten eröffnet.
Einige Rezepte wie das Hirsotto (s. 63) würde ich zwar eher dem Mittagessen zuordnen, was aber nicht ihren Geschmack schmälert. Hier werden wieder Paprika und Petersilie mit Hirse kombiniert. Im Rezept fehlt jedoch der abgebildete Radichio, der das ganze wie ich finde geschmacklich abrundete. Die Angaben in den Rezepten hat die Autorin übrigens mit Absicht nicht sehr genau gehalten. Sie möchte mit ihrem Buch gerne anregen selbst zu kombinieren oder neue Dinge auszuprobieren. Als erfahrene Köchin ist das sicher nicht problematisch. Für Einsteiger sollten die Angaben lieber genauer sein. Interessant und nicht unerwähnt sollen hier die Müslivarianten sein. Es werden zwar Unmengen an Zutaten benötigt, aber die Rezepte sind alle wohlschmeckend und schnell zubereitet.
Neben diesen positiven Aspekten des Buches, sind auch negative zu bemerken. Um genau zu sein, sind sie zum Teil so unnötig, dass sie mich fast ärgerlich gemacht haben. So werden beispielsweise bei den Pfannkuchenrezepten über einige Seiten immer die gleichen Rezeptzutaten genannt und nur das Add-on, wie Holunderblüten oder andere variieren. Das EINE Rezept schmeckt zwar, aber nach Seite fünf fragt man sich, ob man das nicht anders hätte lösen können. Ein anderes Sache sind die Zutaten. So benötigt man beispielsweise für das einfache Pfannkuchenrezept sage und schreibe vier Mehlsorten!! Das kann nach meinem Dafürhalten niemand wirklich schmecken. Auch nicht in seiner Gesamtheit. Man wird bei solchen Rezepten den Eindruck nicht los, dass man hier auf Biegen und Brechen versucht hat, besonders zu sein. Das wird auch daran deutlich, dass immer wieder gesundheitliche Aspekte von Essen ins Blickfeld gezerrt werden. Wenn ich Granatapfel esse, dann weil ich ihn mag und nicht, weil er freie Radikale bindet. Schön, aber auch ein bißchen 80er.
Alles in allem ist es ein anregendes Kochbuch, das ich gern nachgekocht habe und auch einige Rezepte enthält, die mich wohl noch länger begleiten würden. Aber man sollte wohl vermeiden, es von vorn bis hinten durchzuarbeiten, dann kann es einfach etwas nervig werden.
Veröffentlicht im November 2012