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Katharina Höhnk

Kochbuch von Ben Perry: Norddeutsch by Nature ★★★★

Norddeutsch by Nature – Die neue
Küche aus Deutschlands Norden
Ben Perry, Fotos: Tommy Hetzel
Christian Verlag (2019)
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Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Dietmar Adam

Von

Auch wenn ich nun mehr als mein halbes Leben in Bayern wohne, kann und will ich nicht verhehlen, dass ich in Norddeutschland geboren und aufgewachsen bin. Die Erinnerungen mögen zwar mit der Zeit blasser geworden sein, aber vor allem an einige Lebensmittel und Speisen denke ich gerne zurück und halte sie in Ehren.

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Deshalb hat es mir gefallen, dass Ben Perry (Foto unten) auf das über hundert Jahre alte Kochbuch seiner Uroma Meta aus Lüneburg zurückgreift, um in Vergessenheit geratene traditionelle Gerichte wiederzubeleben. Diese nostalgischen Reminiszenzen sind abgesehen von einem kurzen Kapitel mit alten Rezepten allerdings nur Ausgangspunkt für eine kulinarische Reise in das Hier und Heute. Eine Reise, die überaus opulent mit stimmungsvollen Fotos untermalt wird. Nordische Landschaften, anregende Rezeptfotos, Porträts – das Kochbuch Norddeutsch by Nature ist kurzum eine Augenweide.

Kochbuchautor Ben Perry

Von vorbildlichen regionalen Produzenten

Von kleinen Gerichten zur Einstimmung bis zum süßen Schluss mäandern die Themen mal hierhin, mal dorthin. Das mag Puristen und Anhänger einer klassischen Kochbucheinteilung stören, ich fand das aber eher sympathisch. Ganz am Ende finden sich noch ein paar Grundrezepte, um Fonds herzustellen. Unterbrochen werden die nur circa sechzig Rezepte durch kurze Abschnitte, in denen regionale Produzenten vorgestellt werden, etwa ein Käsemeister, ein Kutterfischer, ein Moorbauer, ein Apfelzüchter oder ein Bierbrauer. Das verschafft interessante Einblicke in eine qualitativ hochwertige alternative Landwirtschaft jenseits der Agrarindustrie. Bekannt war mir hier allein Olaf Schnelle mit seinen kreativen Ideen in Sachen Fermentation. Schade, dass dieses Thema nur ganz kurz und oberflächlich gestreift wurde. Weniger Fotos und mehr Text wäre auch bei den anderen Porträts besser gewesen.

Zwischen Tradition und modernen Trends

Man merkt, dass der Autor, der auch eine Kochschule betreibt, aus der Sternegastronomie kommt. Es geht hin und wieder schon ein wenig ambitioniert zu, auch was die Zutaten betrifft. Natürlich spielt Fisch eine große Rolle, wobei es meiner Erfahrung nach gar nicht so einfach ist, in Norddeutschland trotz Küstennähe frischen Fisch zu kaufen. Überhaupt empfiehlt sich das Buch nicht gerade für Vegetarier, auch Fleisch ist Bestandteil vieler Rezepte, und sei es wie im berühmt-berüchtigten Labskaus nur in versteckter Form.

Kochbuch von Ben Perry: Norddeutsch by Nature

Auch wenn dem Kochbuch der Uroma ein ganzes Kapitel gewidmet ist, kommt das Buch alles andere als altbacken rüber. Trotz aller Regionalität bei den Produkten fließen auch Inspirationen aus anderen Weltteilen ein, so gibt es ein norddeutsch angehauchtes Gazpacho oder ein mir etwas suspekt vorkommendes Kimchi mit Dosentomaten und Chilisauce. Ich habe mich da lieber an die vielen Rezepte gehalten, die einen tieferen Bezug zur norddeutschen Küche haben.

Nostalgische Erinnerungen

Erinnerungen wurden wach bei Kopfsalat mit süßem Sahnedressing, den ich in meiner Kindheit trotz Abneigung gegenüber gesundem Grünzeug begeistert gegessen habe und der im Süden Deutschlands eher auf Unverständnis und Kopfschütteln stößt.

Überhaupt sind es vor allem die Speisen mit Traditionshintergrund, die mir zugesagt haben, etwa der schon erwähnte Labskaus, die Schmorgurken mit Mehlklößen oder der Rinderbraten mit geschmortem Kohl. Alles nordisch deftig und gut. Und auch an die gekochte Rippe mit Steckrübenpüree habe ich mich getraut, obwohl ich die Steckrübensuppe meiner Mutter gehasst habe. Vermisst habe ich vor allem bei den Desserts einige traditionelle Standards wie Rote Grütze (natürlich mit Sago), Welfenspeise und überhaupt das ein oder andere süße Gebäck von früher.

Tünkram

Ben Perry über die norddeutsche Küche:

„Gibt es so etwas wie »die norddeutsche Küche«? Ich würde sagen ja. Zum einen ist, wie in vielen anderen Regionen Deutschlands, die typische Esskultur hier immer noch überall spürbar, zum anderen ist sie wie in den meisten Küstenregionen, stark mit der Natur, den Gezeiten, mit Wind und Wetter verbunden.“

Die Rezepte lassen sich meistens recht einfach zubereiten. Schwieriger wird es manchmal bei der Beschaffung von hochwertigem Fisch und Fleisch. Oder bei den unreifen Walnüssen, die aufwendig fermentiert werden, aber trotzdem auf meiner To-Do-Liste ganz oben stehen.

Leider sind mir auch einige Fehler aufgefallen: Beim Labskaus werden Kartoffeln gekocht, püriert und beiseitegestellt – und da stehen sie dann noch und werden nie mehr erwähnt. Und ich zweifle doch stark, dass Uroma Meta für ihre Orangenmarmelade Gelierzucker genommen hat, nicht nur, weil der erst in den 1960er-Jahren erfunden wurde. Aber das sind nur kleine Ausreißer, Tünkram halt, so was kommt vor.

Für mich hätte das wirklich schön gestaltete Buch etwas weniger Fotos und mehr traditionelle Rezepte enthalten können. Aber das ist sicherlich Ansichtssache. Gut zu wissen, dass es in Deutschlands Norden reichlich Idealisten gibt, die qualitativ hervorragende Produkte erzeugen, die eine solide Grundlage bilden für schmackhafte Gerichte, die auf bewährten Traditionen aufbauend als typisch norddeutsch wahrgenommen und genossen werden können. Das alles lässt sich in diesem Kochbuch entdecken. Smakelk Eten!

Veröffentlicht im November 2020

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