Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Säure ist Bestandteil vieler Lebensmittel. Ob als Kohlensäure im Getränk oder in Obst und Gemüse wird sie als erfrischend, leicht und spritzig empfunden. Zitronensäure, Apfelsäure, Milchsäure, Weinsäure – welche eignet sich wofür und womit kann man einem Gericht den letzten Schliff verpassen?

Neben dem Schreiben für Foodmagazine hat der niederländische Journalist Bas Robben (Foto links) bereits mehrere Kochbücher veröffentlicht, bisher allerdings nur in seiner Landessprache. Nun ist sein neuestes Werk „Säure“ in deutscher Sprache erschienen. Neben seiner Kochleidenschaft reist er gern durch Ostasien auf der Suche nach neuen Geschmacksnoten.
Ein weiß-grünes Cover mit einer Zitrone auf dem Titelbild und sauer anmutende Tusche-Spritzer ziehen sich künstlerisch durch das ganze Buch. Und dann wird man auch gleich vorgewarnt:
„Bei vielen Gerichten in diesem Buch werden Sie die Kiefermuskeln anspannen, die Lippen spitzen und die Augen zusammenkneifen. Alles in diesem Buch ist sauer. Ich bin ein Fan des sauren Geschmacks.“
Ich bin gespannt, ab wann sich meine Kiefermuskeln zusammenziehen. Aber erst einmal gibt es Informationen rund um den sauren Geschmack. Säure als Marinade, in der Zubereitung oder zur Konservierung. So lerne ich gleich zu Beginn, dass eine Marinade nur dann Wirkung auf das Innere von Fleisch hat, wenn sie Säure enthält. Saure Zutaten beeinflussen die Textur des Fleisches und die Aromen können eindringen. Das Fleisch wird zarter und saftiger und wird vor dem Verderben geschützt. Alle anderen Zutaten bringen nur etwas für den Geschmack, ändern aber nicht die Textur.
Auch als Mittel zur Zubereitung wird Säure genutzt, z. B. mit „Tigermilch“ (eine Limetten-Chili-Knoblauch-Marinade), die rohen Fisch durch Säure gart, bekannt als Ceviche. Gemüse gart in einem sauren Milieu langsamer und bleibt fester. Auch ist Säure geeignet, Aromen aus Kräutern und Gewürzen zu lösen. Bas Robben schafft es dabei, auch den theoretischen Teil zur wissenschaftlichen Geschmacksforschung mit seinem lockeren und humorvollen Ton unterhaltsam zu vermitteln.

Nach so viel inspirierender Theorie steht eine Auswahl von über 60 Rezepten zur Verfügung, eingeteilt in die Kapitel: Pickles und Essige, Suppen, Fisch, Fleisch, Gemüse, Süßes, Cocktails und Mocktails. Auf dem matten Papier wirken die Fotos der Gerichte ansprechend rustikal und puristisch. Das gefällt mir, wenn auch leider nicht jedes Rezept abgebildet ist.
Ich starte mit meinen Gemüseresten ein Basis-Pickle. Alles easy und schnell gemacht. Aber wie bringe ich meine Möhren- und Pastinakenscheiben dazu, nicht oben auf dem Essigbad zu schwimmen? Schließlich sollen sie komplett bedeckt mindestens zwei Wochen stehen bleiben. Ein Weck-Glas bis zum Rand gefüllt, mit Gummi und Deckel versehen, lässt das Ganze tatsächlich luftdicht untertauchen. Das Ergebnis ist nach geduldig ertragenen 14 Tagen erfrischend knackig-säuerliches Gemüse, das perfekt als Kontrast zu einem gehaltvollen Fondue passte.
Viele Rezepte erscheinen verlockend, lassen mich angesichts der umfangreichen Zutatenlisten und dem nicht unerheblichen Zeitaufwand erst einmal zurückschrecken. Auch Zutaten, die nicht immer leicht zu finden sind, tauchen auf, wie z. B. Chinkiang, Oolong oder Golden Syrup. Sie werden im Nachspann zum Teil erklärt und manchmal hilft auch ein Hinweis, wo man fündig werden könnte. Aber leider keine Alternativen, das finde ich schade.
Gutes Essen braucht Zeit
Gerichte für ein schnelles Feierabendessen gibt es hier nicht. Und wegen der teils extravaganten Zutaten (z. B. roher Fisch in Sushi-Qualität) sind auch die Absätze in der Einleitung GUTES ESSEN KOSTET GELD sowie GUTES ESSEN BRAUCHT ZEIT wörtlich zu verstehen. Aber der Aufwand lohnt sich, z. B. bei dem in Buttermilch marinierten Fisch. Die Herausforderung zum Schluss: alle Komponenten warm zusammen auf den Teller zu bringen. Es empfiehlt sich (wie auch Bas Robben schon in der Einführung anmerkt), unbedingt vor Beginn das ganze Rezept zu lesen. Erste Zubereitungsschritte finden sich nämlich bereits in der Zutatenliste.
Bas Robben:
„So, wie einige Food-Blogger der Meinung sind, dass alles mit Speck besser schmecke (und okay, sie haben schon recht damit), finde ich, dass alles mit ein bisschen Säure noch leckerer ist.“
Eine schöne vegetarische Entdeckung sind die Sauerkraut-Kroketten (Zuurkoolballen) mit Gin-Mayonnaise. Nur das Formen der Kroketten ist etwas diffizil, sie passen aber perfekt zur Mayonnaise, der ich zusätzlich noch einen Spritzer Zitrone verpasst habe. Ein tolles Dessert ist das Easy Amaretto-Eis. Zitronen-Sirup, Nuss-Crunch und als Kontrast Angostura Bitter verbinden softe Süße, Säure, Knusper und bitteren Geschmack optimal. Unser neues Lieblingsdessert!
Auch die Chicken Wings mit Miso und Tamarinden-Sauce sind eine interessante Kombination und sehr lecker! Insgesamt sind viele der Rezepte skandinavisch oder ostasiatisch inspiriert. Da gibt es noch jede Menge zu entdecken.
Fazit: Kein Gericht, wo sich meine Gesichtsmuskeln wegen der Säure zusammengezogen hätten. Für die schnelle Küche sind die Rezepte von Bas Robben allerdings nicht gedacht. Doch mit ausreichend eingeplanter Zeit habe ich schöne Kontraste sowie harmonische Kombinationen entdecken können. Nur die teils exotischen Zutaten könnten zu einer Herausforderung werden.
Veröffentlicht im August 2023