Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Es ist die Leidenschaft für die Sache, die es schafft, die Leser mitzureißen. Und es ist die Expertise, die es schafft, ihn auch bis zum Ende mitzunehmen. Und nicht zuletzt sind es die Idee und der Witz und die Spritzigkeit, die einen dazu herausfordern, ein Buch immer wieder zur Hand zu nehmen. Das alles kann das Buch von April Bloomfield und ich prophezeie ihm eine reiche Leserschaft.
Die Eingeweihten wissen, seit ein paar Jahren ist die Kochbuchzeitrechnung wie das christliche Abendland geteilt. Während ich früher ganz laizistisch kochen konnte, gibt es nun eine neue Kategorie: Das Kochen vor Yotam Ottolenghis Jerusalem und das Kochen danach. Das heißt natürlich viel und wenig zugleich. Ich erwarte viel, gerade wenn es um grüne Küche geht, die die Gemüse ins Visier nimmt. Und es wurde tatsächlich dann oft recht wenig geboten. Vielleicht habe ich deshalb in der Vergangenheit allzu oft vegetarische oder vegane Kochbücher enttäuscht bei Seite gelegt. Nun wagte sich mit diesem Buch eine Köchin an das Thema, die so gar nicht bekannt ist für ihre grüne Expertise. Es ist vielmehr ihre Leidenschaft für Fleisch, mit der sie sich einige Anerkennung in der Vergangenheit erkocht hat.
Gemüse mit so unglaublich vielfältigen Geschmacksrichtungen
Das schön gebundene Buch nimmt seine Leser gleich zu Anfang mit in die biographischen Tiefen der Autorin und die lebendige Schilderung hat mich gleich mitgerissen. Oder war es die Tatsache, dass das Buch etwa gleichzeitig mit der überaus üppigen Ernte in unserem Garten rezensiert werden wollte. Am Ende macht das keinen Unterschied, denn die Motivation ist klar: Da gibt es herrliche Gemüse mit so unglaublich vielfältigen Geschmacksrichtungen, die wollen zubereitet werden. Und umgekehrt machen die Rezepte im Buch auch einfach Lust aufs Ausprobieren.
Schuld daran sind zumindest teilweise, die Fotografien von David Loftus, der in der Vergangenheit schon mehrere Bücher von Jamie Oliver fotografiert hat und sichtlich weiß was er tut. Und das weiß auch die Autorin (links ein Foto von ihr) Während der ganzen Zeit der Arbeit mit diesem Buch habe ich nie den Eindruck verloren, dass es ihr um nichts weniger geht, als den Lesern ihr Verständnis von Kochen und Genießen näher zu bringen. Schon deshalb haben auch ganz einfache Rezepte wie der Rosenkohl, wo nur das Gemüse gegart wird, einen Platz im Buch gefunden. Hier will die Köchin einfach für die Geschmäcker begeistern. Mehr noch: Da wird nicht einfach empfohlen, nehmen sie lieber die gesalzenen Anchovis statt der in Öl eingelegten. Vielmehr widmet sie der Erklärung gleich eine halbe Seite. Wie auch den anderen Zutaten, die sie als grundlegend für ihre Rezepte versteht. Das sind neben Knoblauch natürlich auch Kräuter oder Tomaten.
Der Bruch für die Leserin
Und genau an dieser Stelle gab es einen Bruch. Ich hatte gerade die einleitenden Kapitel durchgearbeitet, war im Geiste die bereits vorhandenen Gemüse durchgegangen und… fand kein Hauptgericht. Eine der großen Schwächen von A Girl and Her Greens ist der Aufbau des Buches. Da höre ich schon die Aber-Einwände: Es sei doch nach Jahreszeiten gegliedert. Ja, richtig. Genau das gaukelt einem das Inhaltsverzeichnis vor. Doch dann wiederum finden sich Pasta, Polenta, Pastries und ihre Freunde extra aufgeführt, war doch vorher eher das Gemüse sozusagen „Leitfossil“. Erschwerend wirkt sich zudem die überaus spritzige Titelwahl aus. Was bitte finde ich unter „a little beast goes a long way“?
Hier macht es einem das Buch also nicht gerade leicht, einen Einstieg zu finden. Denselben fand ich dann durch das schlichte Durchblättern und mittels ausführlicher Besichtigung der Fotos. Schon wegen ihrer vielversprechende Zusammenstellung mussten es natürlich so Rezepte sein wie „Roasted Cauliflower and Grain Salad with Pistachios and Pomegranate“. In der Folge fanden zunächst einmal die Salate wie der koreanisch inspirierte „Steamed and Raw Radish Salad with Kimchi and Sesame“ den Weg auf unseren Tisch, aber auch das eine oder andere Süppchen und zum Abschluss der Saison auch die Kürbispancakes. Gerade letztere sind ein gutes Beispiel. Hat es geschmeckt? Uns schon, den Kindern gar nicht. Aber April schreibt selbst in der Einleitung, dass sie als Kind vor allem dann gern Salat gegessen hat, wenn sie ihn in fertiger Cocktailsauce ertränken konnte. Daher verschiebe ich meine diesbezüglichen Sorgen auf ein anderes Mal.
Bei den Rezepten ist vor allem eines gelungen. Die unterschiedlichen Geschmäcker der Gemüse aufs Beste zu betonen und hervorzuzaubern. Der geröstete Treviso ist so zartbitter, wie er sein muss, und der Kimchi besticht durch leichte Schärfe bei milder Süße. Und ganz zum Schluss habe ich auch noch das Rezept für Caramel Popcorn with Nuts gefunden. Das war jedoch reiner Zufall, weil es sich völlig unmotiviert direkt hinter dem Rezept des Hühnerfonds findet … Lecker aber war es und diesmal waren auch alle begeistert. Alles in allem kann ich die Rezepte in diesem Buch uneingeschränkt empfehlen. Hier und da gab es kleine Fehler hinsichtlich der Anleitung. Aber wenn es dafür inspirierte und leckere Gerichte sind, ist das nur eine kleine Randbemerkung. Lediglich die deutsche Ordnung, die fehlte mir.
Veröffentlicht im April 2016