Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Italienische Kochbücher gibt es ungefähr so viele wie Sandkörner am Strand von Jesolo. Na gut, vielleicht (noch) nicht ganz. Es gibt billige auf den Grabbeltischen der Kaufhäuser und teure, die eine anspruchsvollere Klientel ansprechen möchten. Antonio Espositos „Mein Italien“ gehört zur zweiten Kategorie. Also liegt meine Messlatte ein gutes Stück höher.
Zur Person: Das Buch beginnt mit einem Bild und einer Liebeserklärung. Auf dem Schwarzweiß-Foto zu sehen ist Antonio Esposito, wie er konzentriert seiner Küchenarbeit nachgeht. Ein Bild, das Souveränität, Sachlichkeit und Ruhe ausstrahlt. Daneben dann ungleich empathischer ein Text seiner Tochter, die in warmen Tönen ihren Papa vorstellt. Beides, stille Zurückhaltung und Lebensfreude, geben den Ton an für die kommenden Seiten. Zunächst beschreibt Antonio Esposito seinen Lebenslauf, von der kargen Kindheit in einer vielköpfigen Familie in Kampanien über erste Kochmeriten auf Capri, dann der mutige Schritt in die Fremde nach Deutschland, bis hin zum eigenen Restaurant, das im Markgräflerland inzwischen zu den ersten Adressen gehört.
Die Fotos steuert Michael Wissing bei, der mir schon bei etlichen anderen Kochbüchern positiv aufgefallen ist. Die Speisen präsentiert er oft auf schlichtem weißem Porzellan, spielt dabei mit Schärfe und Unschärfe. Im Kontrast dazu kommen andere Fotos in Schwarzweiß daher oder in den kräftigen Farben des Südens. Alles passend zur Intention des Autors, klassische Gerichte der italienischen Küche in nüchterner Eleganz aufzutischen, ohne die bäuerlichen Wurzeln und die handwerkliche Arbeit dahinter zu vergessen. Das ist sehr schön anzusehen.
Anfänger? Eher nicht
Dem Lauf der Jahreszeiten folgend erwarten den Leser an die achtzig Rezepte, jedes übersichtlich auf einer Seite, kombiniert mit einem Foto auf der anderen. Am Ende rundet ein Kapitel mit Grundrezepten (Pastateig, Sugo, Risotto, Dressings usw.) diesen Reigen ab. Die Zutatenlisten sind in der Regel überschaubar, das meiste ist leicht zu beschaffen, vielleicht abgesehen von Trüffeln, Kaiserlingen (die auch durch Steinpilze oder Pfifferlinge ersetzt werden können), Wachteln, Stubenküken und Tauben. Die Kochanweisungen sind eher knapp gehalten, aber ausführlich genug, dass sich versierte Hobbyköche zurechtfinden. Blutige Anfänger werden jedoch ihre Schwierigkeiten haben mit Sätzen wie „Die Fische schuppen, filetieren, entgräten und in mundgerechte Stücke schneiden“. Oder sie werden hilflos vor einem Tintenfisch stehen und nicht wissen, was sie mit den sonderbaren Einzelteilen anfangen sollen. Oder sie werden, nachdem es ihnen irgendwie gelungen ist, eineinhalb Kilo Scampi aus der Schale zu brechen und in Mehl zu wälzen, wahrscheinlich alle Scampi auf einmal ins Öl werfen und sich dann über ein wenig begeisterndes Resultat wundern.
Vertrautes, Edles und Variationen
Gerichte wie „Wolfsbarschravioli in Limettenbutter“, „Ei im Hemd mit Käsecreme und weißer Trüffel“ oder „gebranntes Limoncello-Parfait“ zeigen, dass wir uns im gehobenen Bereich der italienischen Küche befinden. Schade nur, dass sich das nicht selten vor allem in Form von teuren Zutaten (Trüffel) offenbart. Es fehlen aber auch nicht einfache Rezepte wie Cantuccini, glasierte Karotten oder Tomatensalat. Bei der Vielfalt der italienischen Küche überrascht es etwas, dass einige Speisen mehrmals in abgewandelter Form erscheinen, etwa Stubenküken, Wachteln oder Piemonteser Tatar. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Kreativität und Abwechslung gewünscht. Hinzu kommt, dass man doch auf etliches stößt, was man schon kennt, etwa Ossobuco, Gnocchi oder frittierte Sardinen.
Die genannten Kritikpunkte möchte ich zwar nicht überbewerten. Es handelt es sich zweifellos um ein liebevoll zusammengestelltes Kochbuch mit vielen Rezepten, die sich lohnen, nachgekocht zu werden. Ob es seinen stolzen Preis rechtfertigt? Da bin ich mir nicht sicher.
Veröffentlicht im April 2013
Mea culpa, Michael. Natülich sind 30 Minuten arg knapp kalkuliert, obwohl ich bei meinen Notizen zu Torta Caprese vor langem mal vermerkt habe „35 Minuten, war innen noch schön feucht“, aber das will nicht jeder. 40 – 45 Minuten wären also angemessen und einer Randbemerkung in meiner Rezension wert gewesen. Letztendlich sollte man sich aber immer mittels eines Holzstäbchens vergewissern, ob der Kuchen fertig ist.
Nur ein kurzer Hinweis,
falls Sie die Torta Caprese tatsächlich nach diesem Buch zubereitet haben sollten, dann müßte Ihnen eigentlich aufgefallen sein, dass die vorgegebene Backzeit niemals stimmen kann. Da hat sich wohl ein kleienr Fehler eingeschlichen.
Vielen Dank für den Hinweis, Michael. Der Dietmar wird sich melden. Wenn es so ist (Zeit), hat er es wahrscheinlich hier nicht aufgenommen, weil er es einfach vergessen hat. Das passiert mir auch manchmal, weil die Rezensionen mit der Nachkocherei sich über 2 Monate erstrecken. Man notiert sich einiges, aber manchmal ist ein kleines Detail futsch.