Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.
Es war einmal die vielleicht entscheidende Frage an amerikanischen Hotelrezeptionen, gleich nach „Would you prefer a king-size or a queen-size bed?“: die Frage nach dem Frühstück. Sollte es „continental“ sein, also heimelig europäisch mit Gebäck, Marmelade, einem Becher Kaffee? Oder lieber „English“ mit gebackenen Bohnen, Toast, Würstchen und knusprigem Speck? Oder doch „American“ – mit Pancakes, French Toast, Oatmeal, Muffins und allem, was der süße Zahn begehrt?
Seit Frühstück nicht mehr zwingend zum Übernachtungspaket gehört und Coffeeshops auf der ganzen Welt daran arbeiten, solche kulinarischen Grenzen zu verwischen, stellt diese Frage niemand mehr. Auch das Frühstückskochbuch „Morgenstund“ nicht – und täte es das, lautete die Antwort vermutlich: ALLES – in beliebiger Reihenfolge!
Experten in Sachen Frühstück
Aber der Reihe nach: Die Idee zum Buch stammt von den beiden „Frühstückerinnen“ Barbara Haider und Dani Terbu, die sich seit 2010 durch die Morgenkarten von Cafés und Restaurants in Österreich testen, und Antonia Kögl und Benedikt Steinle vom Blog „Because you are hungry“. Vier Enthusiasten, die sich wiederum an einen Bäcker gewendet haben, einen Fischer, diverse Bauern, zwei Baristas, einen Keramiker und viele andere mehr. Ziel: die Spur der morgendlichen Hauptzutaten wie Eier, Getreide, Milch, Fleisch und Fisch bis zum Ursprung zurückverfolgen.
Diese Recherchen strukturieren auch das Buch: Jedes Kapitel ist einer Hauptkomponente und ihren Erzeugern gewidmet – zum Beispiel Gebackenem von Handsemmel bis Brioche aus dem Ofen des niederösterreichischen Bäckermeisters Georg Öfferl, Lieblings-Eierspeisen wie Egg Benedict und Shakshuka, Milchgerichten, Käsegerichten, Fleischspeisen und Fisch. Die Evergreens auf Getränkeseite – Tee und Kaffee – haben ebenfalls viel Platz für sich.
Morgens wie ein Kaiser
Benedikt Steinle hat all das und die insgesamt 70 Rezepte minutiös und atmosphärisch fotografiert und in ein luftiges Layout gebettet. Es ist eine leichte, sonnige und ziemlich zeitgeistige Morgenstunde, die die Vier da zelebrieren. Auf ihrem Frühstückstisch stehen nämlich nicht nur die Klassiker von der Hotelrezeption wie Brötchen, Pancakes, Porridge und besagtes „Full English“, sondern auch Tacos mit Kartoffelgröstl und Blutwurst, kleine Törtchen und Salate, Ceviche, Gazpacho und die eine oder andere „Bowl“.
Keine Zubereitung braucht mehr als eine Seite (Ausnahme: die Bildanleitungen für Georg Öfferls Gebäcke) – und das meiste steht nach wenigen Handgriffen auf dem Tisch. Zumindest, wenn man wie angedacht auf Convenience-Produkte wie Blätter- und Mürbeteig aus dem Kühlregal oder Dosenbohnen zurückgreift und SEHR genau liest.
Na, alle wach?
Die Organisation in den Zutatenlisten erinnert nämlich oft eher an ein morgendlich zerwühltes Bett: Bei den Belgischen Waffeln steht die für die begleitenden Kirschen benötigte Speisestärke so weit hinter den Teigzutaten, dass ich sie prompt da versenkt habe. Noch schlimmer beim Chicken Waffle Sandwich: Wehe dem, der aus der Reihenfolge einer Zutat in der Liste auf den Verwendungszeitpunkt schließt. Manchmal fehlen Dinge, die deutlich auf den Rezeptfotos zu erkennen sind, wie die Bohnen (oder Mandeln?) für den Frühstückssalat auf Seite 136. An anderer Stelle werden in der Liste ganze Eier gefordert, später aber nur die Dotter verwendet, oder es ist von Spezialitäten wie „Zillertaler Sennkäse“ die Rede, ohne Ersatzoptionen zu nennen. Ich finde das (gerade morgens) eher unkomfortabel – und auf Dauer ganz schön nervig.
Die Reinfallquote war dann leider entsprechend hoch: Die Waffeln schmeckten mangels Fett pappig und fad, das Bananenbrot ließ sich nur backen, weil ich den bröseligen Zutatenmix eigenmächtig um Eier ergänzte… und von manchen Essen habe ich trotz appetitlichster Fotos (Egg Benedict…!) lieber gleich die Finger gelassen. Am besten schnitten noch die Rezepte des Bäckermeisters Öfferl ab – vermutlich jahrelang erprobt und (nahezu) idiotensicher.
War man noch nicht ganz wach? Hätte es noch mehr Expertise gebraucht – weniger aus Erzeugerperspektive als aus gastronomischer Richtung? Denn Wunsch – eine entspannte und fröhliche „Morgenstund“ – und Wirklichkeit – frustrierende Küchenkämpfe mit durchschnittlichem Geschmack – klaffen doch ein wenig zu weit auseinander. Leider eher Queen Size als King Size, schade.
Veröffentlicht im März 2017