Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.
Was macht eine Pizza zu einer guten Pizza? Ein absolut subjektives und möglicherweise unangemessenes Kriterium ist für uns: Ei. Also: Ist auf irgendeiner Pizza auf der Karte einer Pizzeria Ei vorgesehen? Wenn ja: gut. Und was das betrifft, steigen die Tortoras gleich GANZ oben ein: Ein paniertes und frittiertes Onsen-Ei ziert ihre Pizza Carbonara. Bold.

Für uns ist weiterhin wichtig: Gibt es mehr als Margeritha, Quattro Stagioni und Calzone? Auch da – Punkt für Angelo (Foto links, re.) und Roberto (Foto links, li.): Ihre Pizza Bud Spencer krönen Fleischbällchen, Terence Hill bekommt stattdessen Kartoffel-Bohnen-Püree und frittiertes Karottengrün, und ja, es gibt Margeritha, aber u. a. mit Pesto vom Bärlauch (= Pizza Schwarzwald).
Ach ja, und dann wäre da noch etwas: der Boden. Das vielleicht Wichtigste, noch vor jedem elaborierten Belag. Den einen kann er nicht dünn genug sein, andere schwören auf neapolitanischen Stil – mit ordentlichem Rand, dicken Gärblasen und vielleicht sogar Leopardenflecken. Uns ist wichtig: Schmeckt der? Ist er saftig, luftig und hat ein eigenes Aroma? Hier lassen die ganzseitigen Fotos nur erahnen, dass die Tortoras auch in dieser Hinsicht wissen könnten, was sie tun.
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Zwei Brüder für ein Halleluja!
Und vielleicht sollten wir kurz klären, von wem wir überhaupt sprechen: Da wäre zunächst Carmine, der Vater, der 1987 aus Terzigno nach Baden-Baden kam und das „Mamma Lina“ eröffnete, in Reminiszenz an die kulinarischen Fertigkeiten seiner Mutter. Angelo und Roberto, seine Söhne, waren von klein auf mit von der Partie – und übernahmen 2017 selbst das Ruder.
Seitdem hat das Restaurant an der Langen Straße zwei Make-over erlebt sowie eine Pandemie, in der die Tortoras und ihr Team Sonntag für Sonntag das örtliche Krankenhaus versorgten und via Taxi die ganze Stadt. Die Liste der Stammgäste ist mindestens so lang wie die Zahl der Follower*innen auf Insta und beinhaltet illustre Namen wie Thomas Gottschalk und Frank Elstner. Die allerdings, betonen Angelo und Carmine, führen auf eine völlig falsche Fährte: Im Mamma Lina sei jede und jeder willkommen, der/die gute Pizza liebt.

Denn um die und nur die geht es ihnen. In ihrem Buch findet sich zwischen den Rezepten darum viel Hintergrundwissen und Know-how: Was zeichnet echten Fior di Latte aus und wie wird der gemacht? Welches Mehl braucht welcher Boden? Worauf ist bei der Wahl der Pelati zu achten – und was hat der Vesuv mit alledem zu tun?
Antwort: An seinen Ausläufern wächst nicht nur das „rote Gold“ Italiens („pomo d’oro“), sondern an ihn sollte man denken, wenn man seinen Teigling in Form bringt. Die Anleitung dafür findet sich praktischerweise mittig im Buch, sodass man es – aufgeklappt wie einen Pizzakarton – zum Nacharbeiten vor sich hinlegen kann. Direkt dahinter: die Grundrezepte für fünf verschiedene Teige und zahllose Saucen, Sugos, Cremes und Mayos, mit denen die Tortoras ihre Pizzen aufrüsten.
Pizza „Gourmet“
Denen merkt man Angelos Lehrjahre in der Sternegastronomie durchaus an. Da werden Trüffel gehobelt (Pizza Tartufo next level) und Eier sous-vide gegart (Pizza Carbonara), Kartoffeln und Meeresfrüchte frittiert (Fish and Chips) oder gleich die ganze Pizza (Pizza fritta – bzw. in süß als Pizza strizzi oder Pizza Krapfen). Das alles ist aber kein Selbstzweck, sondern dient stets dazu, die jeweiligen Komponenten voll zur Geltung zu bringen. Das gilt auch für den Neapolitanischen Grundteig, der mit zwei verschiedenen Sorten Mehl geduldig ausgeknetet wird und anschließend einen Tag im Kühlschrank ruht.
Angelo & Roberto Tortora:
„Mit Pizza con Amore decodieren wir die Geheimnisse der besten Pizza der Welt. Der perfekte Teig, die besten Saucen, Cremes und Toppings. Dass wir dabei weit über Marinara und Margherita hinausgehen, werden uns Traditionalisten vielleicht verzeihen. Wichtiger aber: Wir wollen euch, liebe Leserinnen und Leser, in die Lage versetzen, daheim genau so eine gute Pizza zu backen, wie es sie im Mamma Lina gibt.“
Und wie das lohnt! Unser Einstieg mit einer klassischen Margeritha und der Pizza ’87, die zusätzlich zarter San-Daniele-Schinken krönt, war schon unwahrscheinlich toll, weil hier wenige ausgesuchte Zutaten in der richtigen Zusammenschau ein fantastisches Ganzes ergeben (allein der Teig …!).
Je tiefer man den Tortoras und ihrem Küchenchef Michele Arsuto allerdings in die Karte(n) schaut, umso größer geraten die Ahas: Die Pizza Popeye etwa, auf deren Boden Steinpilzcreme verstrichen wird, bevor man sie mit Spinat und – ja – Spiegelei toppt! Pizza Manhattan, auf der süßlich-geschmorte Balsamicozwiebeln, herbe frittierte Zwiebeln, gutes Pastrami und viel Käse eine unvergleichliche Liaison eingehen. Die erwähnten Kumpels Bud Spencer und Terence Hill …
Pizza mit Liebe
Wir schwebten wochenlang im Pizza-Himmel. Und das zu Hause, ohne Holzofen und anderes Sondergerät. Die minutiösen Handlungsanweisungen und Grammaturen machen es leicht, die Profi-Kreationen kulinarisch und optisch nachzuarbeiten. Lediglich beim Anrühren der Grundmassen ist hin und wieder etwas Rechnerei gefragt, weil etwa die Parmesancreme für ca. 16 Pizzen reicht, der Grundteig in der Menge für acht Pizzen angegeben ist und die Beläge im Buch jeweils für eine Pizza ausgewiesen werden. Aber A) lässt sich vieles davon portioniert einfrieren und B) trübt das den grandiosen Gesamteindruck in keinster Weise.
I’m in love! Wer hätte gedacht, wie viel Geschmack, wie viel Gourmet auf eine Pizza passen? So mancher Pizzaiolo wird sich ab sofort arg strecken müssen, denn die Pizzen der Tortoras sind nun das Maß, mit dem ich messe. Ein Buch, für alle, die dem Geheimnis guter Pizza auf der Spur sind.
Veröffentlicht im Mai 2023