Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Die schlechte Nachricht: Auch der „entspannte Weg zum perfekten Curry“ ist ein verschlungener Pfad mit einigen Etappen und Zwischenstopps. Die gute: Am Ziel wartet köstliche Belohnung!
Aber der Reihe nach. Ich liebe die indische Küche. Ich fand sie auch nie besonders Furcht einflößend. Aufwendig, das schon, mit ungewohnten Zutaten, ungeübten Routinen, aber immer gut zu bewältigen. Dennoch ist sie nie so ganz in unserem Alltag angekommen, dafür sind die Hürden wohl doch noch zu hoch. Da kommt „Einfach indisch!“ wie gerufen: Die indische Küche auf entspannte Art genießen – ja, genau das will ich ausprobieren!
Indisch trifft nordisch
Amandip Uppal (Foto links) hat auch als Stylistin gearbeitet, und das sieht man. Das Cover ziert nur ein schlichtes, fast klöppelspitzenartiges Muster aus Reiskörnern auf schwarzem Grund. Innen dann: dezente, fast nordische Eleganz mit viel Weißraum und kühlen Farben, aufgelockert von schlichten Ornamenten aus zarten Goldfäden und entzückenden, winzigen Zeichnungen von Elefanten, Tigern, Tänzerinnen und Artisten, die hier und da über das Papier spazieren, dazu lässige Rezeptfotos, und gelegentlich auch mal ein Blick auf die Autorin, wie sie sich in einen übergroßen Wollpulli kuschelt. Gefällt mir!
Es sind nicht sonderlich viele Rezepte, aber der Bogen ist weit gespannt: Von Salaten, Samosas und anderen „kleinen Happen“ über Gemüsecurrys, Eierspeisen, Fisch- und Fleischgerichte, Brot, Reis und Kartoffeln, Chutneys, Kuchen, Eis, Lassi, Joghurt und würzige Heißgetränke ist wirklich alles vertreten. Zwischendrin eingestreut sind gezeichnete Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Handwerkliches wie Roti, Naan oder Panir. Neben vertraut Indischem entdecke ich auch Überraschendes – Puy-Linsen, Lachs, ja sogar Rind (!) kommen hier auf den Tisch.
Eingerahmt ist der Rezeptteil von einem Blick in den Vorratsschrank, einem Gewürzglossar, Grundrezepten und übersichtlich bebilderten Menüvorschlägen. Letztere haben es allerdings in sich: Bei den Uppals hat ein „Abendessen in der Woche mit der Familie“ mit „Hühnchen-Pulau“, „Tomaten mit Curryblättern“, „Grünkohlsalat mit Kichererbsen, Minze und eingelegter Zitrone“, „Joghurt mit Karotte, Gurke und Koriandergrün“ sowie „heißer Schokolade mit Chili“ nicht weniger als fünf mehr oder minder zeit- und schnibbelintensive Komponenten. Hut ab, wenn Amandip dabei entspannt bleibt …
Ein schwieriger Start …
Sehr angetan von diesem ersten Eindruck, beginne ich mit … nun ja, nix. Immer wieder nehme ich Anlauf, aber die vielen Querverweise bringen mich schier zur Verzweiflung. Etwa das Butterhühnchen: Übersichtliche 30 Minuten Vorbereitungszeit plus 20 Minuten Garzeit sind angegeben – wäre da nicht der fiese kleine Eintrag „418 g Hühnchen-Tikka“, versteckt in der Zutatenliste. Mal davon abgesehen, dass solche grammgenauen Angaben wenig Realitätsbezug haben – auf Seite 48 finde ich dann die „Hühnchen-Tikka-Wraps“ mit einer Vorbereitungszeit von 20 Minuten plus Marinierzeit von 2-8 Stunden plus Garzeit von 20 Minuten. Da die Zutaten und Zubereitungsschritte für das Hähnchen nicht vom restlichen Text abgesetzt sind, darf ich selbst herausarbeiten, dass ich unter anderem „1 Rezeptmenge Tikka-Masala-Marinade“ von Seite 246 benötige. Und hierfür wiederum darf es dann noch das „Garam Masala“ von Seite 242 sein. Dieses würde dann allerdings immerhin noch mal zum Einsatz kommen, sollte ich jemals die fortgeschrittene Rezeptstufe „Butterhühnchen“ erklimmen.
… und ein versöhnliches Ende
Schließlich ist mein Abgabetermin so nahe gerückt, dass ich mich der Herausforderung stellen muss. Und es knirscht auch weiterhin hier und dort, etwa für die Zutatenlisten hätte ich mir eine benutzerfreundlichere Einteilung gewünscht. Aber was soll ich sagen – wir schlemmen von Köstlichkeit zu Köstlichkeit, das lässt alle Strapazen vergessen! Dergestalt ermutigt, habe ich mich sogar noch in Etappen zum Butterhuhn vorgearbeitet. Ein krönender Abschluss.
Mit „Einfach indisch!“ wird es auch nicht unbedingt wahrscheinlicher, spontan ein komplexes indisches Abendessen aus dem Ärmel zu schütteln. Eine Abkürzung zum perfekten Curry hat auch Amandip Uppal nicht gefunden, ja, manchmal ist ihre verschachtelte Wegbeschreibung sogar eher eine Herausforderung der eigenen Art. Gelohnt hat es sich trotzdem, jedes Mal. Es duftet im ganzen Haus, das Auge freut sich, wir sagen selig Danke!
Veröffentlicht im Mai 2017