Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Colors of Greens – wer Farbe im Namen trägt, darf damit nicht geizen. Der Einband ist bunt, und beim Blick ins Innenleben geht endgültig ein ganzer Regenbogen auf. Dazu trägt auch die herzliche frische Fröhlichkeit bei, die die Australierin Alice Zaslavsky ausstrahlt. Hundert Punkte beim Gute-Laune-Test. Alles ganz schön und gut, aber sind es nicht die inneren Werte, die zählen?
Fast 500 Seiten rund ums Gemüse liegen vor mir, verteilt auf acht Rezeptkapitel, von Weiß, Gelb und Orange über Rot, Violett und Braun bis Dunkel- und Hellgrün, jedes in der „Leitfarbe“ gestaltet und randvoll angefüllt mit farblich passenden Gemüsesorten, ihren Steckbriefen und Rezepten, jeder Menge Wissenswertem zu Einkauf, Lagerung, Zubereitung, zu gesundheitlichen Aspekten, Pairing und Zero Waste.

Die meisten Rezepte nehmen eine übersichtliche Doppelseite ein, mit Anekdoten, Tipps, Varianten und einem ganzseitigen Rezeptfoto. Dazu gibt es vorweg eine Einführung mit den wichtigsten Zubereitungsarten, einer „Gemüse-Matrix“ mit den „Best of“ und einer Vorratskammer und am Ende einen Saisonkalender und das Register, eine pinkfarbene Rahmung, passend zum leuchtend pink Lesebändchen. Und überall tummeln sich plakative kleine und große Zeichnungen.
Die gesamte Palette
Was für eine Informationsflut – in jeder Hinsicht! Beim Kreuz- und Querblättern lese ich jede Menge Interessantes, aber auch Erstaunliches und Irritierendes. Eigene Zitronen und Limetten züchten, weil sie so teuer seien – oder vielleicht hat ja der Nachbar einen grünen Daumen? Da schreibt eine Australierin, erinnert sich die Rezensentin und seufzt über das nasskalte mitteleuropäische Aprilwetter. Kann ich wirklich aus einem Salatstrunk Blätter nachwachsen lassen und Ingwer aus der Knolle, die ich im Supermarkt kaufe? Ich werde es ausprobieren. Aber Tomatenpulver aus Tomatenhaut herstellen? Eher nicht, nach einer ganzen Nacht im Backofen bei niedriger Temperatur dürfte die Ausbeute minimal und die Ökobilanz verheerend ausfallen.
Auch Alice Zalavskys riesige „perfekte Vorratskammer“ überzeugt mich nicht auf ganzer Linie. So bin ich keine Freundin von Curry- oder Knoblauchpulver, die sie für unentbehrlich hält. Auch die Lagerung von Mandelmehl und Haselnusskernen im Kühlschrank oder Pinienkernen im Tiefkühlfach ist mir fremd. Vielleicht liegt es aber auch an meiner persönlichen Vorliebe, wenig einzulagern und mehr „von der Hand in den Mund“ zu kochen. Oder, ähm, an meiner viel zu kleinen Küche?
Für das Nachkochen will ich diesmal keine Klebezettel setzen. Ich will mit vorhandenem Gemüse mein Glück versuchen und zugleich die Einteilung nach Farben auf die Probe stellen. Also, Kartoffeln sind doch bestimmt Gelb? Nein. Weiß? Auch nicht. Braun! Dann gehe ich also nach der Schale? Avocado ist dann also dunkelgrün? Nö, hellgrün. So und ähnlich geht es weiter. Den Praxistest hat das dekorative „Prinzip Farbe“ damit bei mir nicht ganz bestanden.
Die meisten Rezepte sind übrigens vegan oder vegetarisch, jedoch nicht alle.

Don’t judge a book by its cover
Endlich geht es los, und mein „Vor-Urteil“ stand eigentlich schon fast fest. Okay, aber nicht mehr, das war mein Eindruck. Weit gefehlt. Denn die nachgekochten Gerichte ließen uns mehr und mehr stutzen und innehalten. Die frittierten Blumenkohlröschen nach Kerala-Art waren köstlich knusprig-zart. Die Sauce der Butterkarotten hatte ein tiefes, reiches, komplexes Aroma, das uns alle zehn Finger abschlecken ließ. Der Butternusskürbis war mit der Mischung aus schwarzen Oliven, Salbei und Macadamianüssen perfekt ergänzt. Der Juwelen-Couscous, optisch und aromatisch ein Gedicht; der Bunte-Bete-Salat mit Regenbogenbällchen aus Labneh ein kleines Kunstwerk.
Alice Zaslavsky ist keine große Freundin des schlichten, puren Geschmacks, sie mag es spektakulär. Ihre Zutatenlisten sind entsprechend lang und manchmal auch recht speziell, aber das lohnt sich. Die Krönung des Ganzen war ein Zufall, denn in der Resteverwertung fanden Juwelen-Couscous und Regenbogenbällchen auf einem Teller zusammen – spektakulär hübsch und zum Niederknien lecker.
Alice Zaslavsky:
„Dieser Wälzer hier ist meine Hommage an die fabelhafte Welt des Gemüses. Ich habe 50 meiner All-Time-Favourites ausgewählt und etwas genauer erläutert, was sie sowohl für Köche als auch für Esser so besonders macht, sowie Zubereitungsarten angeführt, die Ihnen ermöglichen, das Beste aus ihnen herauszuholen, ganz egal, wie geübt Sie in der Küche sind.“
Und nicht zuletzt hat mir auch die Gebrauchstauglichkeit gefallen. Das Farbschema als Ordnungsprinzip der Rezeptkapitel hat zwar für mich nur mäßig funktioniert, die Rezepte selbst erwiesen sich aber als gut strukturiert und trotz langer Zutatenlisten gelingsicher und einfach nachzukochen. Dazu gibt es Tipps, Abkürzungen für Eilige, vegane Varianten und Zweitverwertungen. Was will man mehr?
Am Start war ich eher erschlagen als überzeugt, das gebe ich zu. Zu viele Informationen, dann war ich über kleine Ungenauigkeiten gestolpert, war hier und da über Fertigzutaten irritiert und hatte bei dem Umfang und der lexikalischen Einteilung nach Gemüsesorten eine enzyklopädische Fülle erwartet, die ich dann nicht vorfand. Umso mehr überraschte mich das Nachkochen: gelingsichere Rezepte mit kreativen Ideen, von einfach bis aufwendig, kulinarisch so bunt wie das ganze Buch und einfach nur köstlich. Praxistext bestanden, im allerbesten Sinne!
Veröffentlicht im November 2021
Liebe Katja,
vergessen sie nicht, dass in Australien die Strecken in den nächsten Einkaufsmarkt sehr WEIT sein können. So dass eine gut gefüllte Vorratskammer wichtig ist. Das habe ich beim Besuch meiner Nichte, in den Blauen Bergen gelernt.
Die Rote Beete Päckchen sind auf den Sonntag geplant.
Danke für ihre interessante Besprechuneng, sie verstehen es, unsere Lust auf neuen Kochbücher zu intensivieren….
Mit liebem Gruss Regula
Vielen Dank, das freut mich sehr! Viele Grüße!