Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
In Spanien heißen sie Tapas, in Portugal Petiscos und rund um das östliche Mittelmeer Mez(z)e: kleine, bunte Speisen, die von der Tischmitte aus eine große Runde satt und zufrieden machen. Koch Ali Güngörmüs liebt sie vor allem, wenn sie vegetarisch sind, und teilt mit uns gut 90 Ideen.

Das hat gefehlt: Die langen Abende mit guten Freund*innen, versammelt um einen gemeinsamen Tisch. Vermutlich nicht nur hier, sondern vor allem da, wo sie quasi Kulturgut sind und wo die Kleinigkeiten, die man bei solchen Gelegenheiten dazustellt, eine eigene Gattungsbezeichnung tragen. Auch in der Türkei, der Heimat von Ali Güngörmüs (Foto links), kennt man sie – als Meze: Cremes, Schafskäse, eingelegtes Gemüse, Salate, frisches Brot – ich kann mich in den Auslagen türkischer Feinkosthändler immer nur schwer entscheiden. Der Begriff „Meze“ geht dabei wohl auf das Persische „mazze“ oder „mazīdan“ zurück, was „Geschmack“ bzw. „Imbiss“ bedeutet.
Meze klassisch und modern
„Meze sind mehr als eine Vorspeise“, klärt Ali Güngörmus gleich zu Beginn: „Sie sind eine Lebenseinstellung. Sie stehen für Gastlichkeit, Vielfältigkeit, Geselligkeit und Genuss.“ Entsprechend üppig fährt er auf: Er bäckt Yufka, Simit, Pide und Gözleme, rollt Börek, rührt Dips, kocht Suppen, grillt, schmort und mariniert Gemüse und serviert danach noch diverses Dessert.
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Manches würde man so auch beim Händler finden (und möglicherweise in Güngörmüs’ Münchener Meze-Lokalität), etwa Gavurdagi Salatasi, einen fein gewürfelten Salat aus Gurke, Tomate, Paprika, Walnüssen und Minze, oder das ikonische Auberginen-Gericht Imam Bayildi. Anderes hingegen überrascht – wie die Topinambursuppe mit Sherry und Schnittlauch, Gebratene Pfifferlinge auf Kartoffelpüree oder Brombeerrahmeis mit Espressoschaum.

Vielleicht sind das Güngörmüs’ Versuche, das traditionelle Meze-Repertoire mit Gerichten aus seiner zweiten Heimat Deutschland zu erweitern und zugleich an seine Wurzeln in der Sternegastronomie anzuknüpfen. Gerade bei den etwas ungewöhnlicheren Ideen hätte ich mir solche Hintergrundinfos gewünscht, denn bei anderen Rezepten sind sie durchaus zu finden.
Der Grundgedanke allerdings ist klar: Pro Nase sollten mindestens zwei der je grob für vier Personen gedachten Gerichte auf dem Tisch stehen, Brot und Beilagen inklusive. Was sich gut kombinieren lässt, ist jeweils unter einem Rezept vermerkt, wobei Güngörmüs dabei auf ausdauernde Blätterreisen schickt, denn die Verweise erfolgen in der Regel einseitig. Das eher kurze Register am Schluss hilft in dieser Hinsicht auch nicht weiter, sodass man am besten mit Post-its oder Stift und Papier bewaffnet loslegt.
Darf’s noch ein bisschen mehr sein
Noch mitten im Winter fiel meine erste Wahl auf ein Schmorgericht mit Kürbis, zu dem ich einen würzigen Mandel-Zimtreis aus dem Beilagenkapitel wählte. Die Gewürze sind übergroßzügig bemessen (ein volles Gramm Safran plus 30 Gramm Ingwer) und schmeckten direkt nach dem Zubereiten alles andere als ausgewogen. Beim Aufwärmen der zweiten Portionen ging’s, aber ein neuer Liebling war das leider nicht.
Ali Güngörmüs:
„Wer jemals in einer türkischen Familie eingeladen war, kennt es: Kaum sitzt man, wird ein Tablett mit Leckereien gereicht. Man trinkt Tee (oder Stärkeres), isst, redet und vergisst die Zeit.“
Ähnlich underwhelmed ließ mich die Kichererbsen-Kokossuppe mit gerösteten Kichererbsen zurück, die zwar wirklich schnell gemacht war, aber so dünn geriet, dass die Röst-Kichererbsen nicht wie auf dem Foto aufliegen konnten, sondern einfach untergingen und ihre Curry-Ummantelung dabei abwuschen. Der finale Versuch mit einer Art „Lahmacun“ auf kurioser Backpulverteigbasis, Linsen-Kichererbsen-Ragout und Sesamcreme hingegen geriet passabel. Aber ganz ehrlich: Von einem Koch mit Sterne-Vergangenheit hätte ich mir ein bisschen mehr erhofft. Oder hätte ich einfach nur weniger vorsichtig sein und mich gleich an die exotischeren Sachen wagen müssen? Ich muss gestehen: Das habe ich mich nach den ersten Rezepten nicht mehr getraut.
Kleine Speisen, die sich gut vorbereiten lassen und allen schmecken – das ist die Formel, die dem Siegeszug der Meze rund ums Mittelmeer zugrunde liegt. In Güngörmüs’ Fassung ist dieser Zauber leider nicht überall angekommen. Schade!
Veröffentlicht im Mai 2023
als Buchhändlerin (mit Einkaufsrabstt) und Kochbuch-Fan ist die Versuchung ja sehr groß, direkt zuzuschlagen, wenn das Buch von so einem sympathischen Koch erscheint , noch dazu mit türkischem „Fingerfood“, dass ich so liebe. Doch schon das erste Durchblättern machte mich stutzig, die traditionellen Meze-Rezepte waren einfach nur die traditionellen Rezepte, keine spannenden Twists, wie ich erwartet hätte. Dazu kamen Rezepte, die mir recht kompliziert vorkamen, und nicht in mein Bild von den typischen türkischen Vorspeisen passen. Zu gedrechselt….
Ich fühle mich in Eurer Rezension bestätigt, und bin froh das ich hier nicht zugeschlagen habe!
Liebe Alexandra, wie verführerisch: mit Einkaufsrabatt! Aber nicht immmer – zum Glück. .- Danke für die wertschätzende Zeilen und Deinen ersten Eindruck. Herzlichst Katharina
Ich sah das Foto der Lahmacun, und mein Misstrauen wurde bestärkt. So oft habe ich den ungemein sympathischen Ali G. im TV in vielen Rollen erlebt. Sehr begeistert und mundwässernd hat er auch von familiären Mezze geschwärmt.
Aber wie bei vielen Star-, Sterne- und/oder Fernsehköchen scheint wohl auch hier mit der heißen Nadel gestrickt worden zu sein.
Um so dankbarer bin ich dieser Seite, auf der immer „knallhart“ und ungeschönt rezensiert wird.
Abgesehen davon, bin ich finanziell gar nicht in der Lage, jedes Promikochbuch zu erstehen. Da spare ich meine mageren Euronen für etwas, das mich nicht nur interessiert, sondern auch inhaltlich und didaktisch Hand und Fuß hat – wie z.B. Fuchsia Dunlop.
Liebe Thea, herzlichsten Dank für Deine Zeilen. Deine Wertschätzung für unsere ehrlichen Worte freuen mich sehr. Ich hoffe immer, dass sie immer so formuliert sind, dass die Autoren sie für sich konstruktiv verarbeiten. Ich finde auch: Lieber wenig publizieren und dann gefühlt für die Ewigkeit gut. Herzlichst Katharina