Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Drei mal drei so lautet die Idee von Valentinas Kochbuchtest. Drei Leser kochen mindestens je drei Rezepte nach. In diesem Fall waren es Margit aus Benissa (Alicante), Peter aus Bad Vilbel und Susanne aus Schöneck, die sich eine Meinung über die Rezeptsammlung Orientalisches Fingerfood von Ali Bicer erkochten. Hier ihre Einschätzungen aus der Praxis!
Wie lange kochst Du schon und wie benutzt Du Kochbücher?
Ich koche seit fast 40 Jahren. Als ich jung verheiratet anfing, hatte ich schon eine riesige Rezeptesammlung, konnte aber nicht kochen. Da habe ich ein Jahr lang jeden Tag streng nach Rezept etwas anderes gekocht. Auch später, als meine Söhne noch zur Schule gingen und ich ganztägig berufstätig war, habe ich versucht, ihnen die Freude an gutem Essen nahe zu bringen. Nach der Devise “Probiert werden muss alles, schmecken nicht.” Heute kochen und essen beide mit Vergnügen.
Kochbücher sind für mich mittlerweile Quellen der Inspiration und purer Lesegenuß. Es gibt ja wunderschöne Koch-Lesebücher. Streng nach Rezept koche ich nur noch höchst selten. Meistens hole ich mir aus Kochbüchern die Ideen und experimentiere dann. Mir macht es Spaß, neue Gewürze, Zutaten und Zubereitungen auszuprobieren. Derzeit steht gerade die orientalisch-arabische Küche bei mir auf dem Kochprogramm.
Ich koche seit 1991. Der Grund, mit dem Kochen anzufangen, war ein ganz einfacher: ich wollte überleben… Im Ernst: Damals gehörten Tütengerichte zum Standard in der Küche meiner damaligen Beziehung. Um mich besser und gesünder ernähren zu können, begann ich mit dem Kochen. So kam ich in die Küche, an den Herd und probiere seitdem gern alle Richtungen beim Essen aus.
Nach dem Ende meiner Studienzeit habe ich begonnen, mich für’s Kochen zu interessieren und seitdem immer mehr Spass daran gefunden. Das Ausprobieren immer neuer Rezepte ist zum Hobby geworden. Zum Kochen benötige ich allerdings unbedingt gute Rezepte, weswegen ich Kochbücher auch als eins-zu-eins-Vorlage benutze. Es kommt selten vor, dass ich vom Rezept abweiche.
Zum Kochbuch: Was waren Deine Eindrücke beim ersten Stöbern?
Zunächst hat mich der Titel Orientalisches Fingerfood sehr neugierig gemacht. Beim Durchblättern des Buches war ich dann aber doch etwas enttäuscht. Nichts wirklich Neues für jemanden, der sich schon mit orientalischem Fingerfood beschäftigt hat. Leider sind auch sehr wenig Fotos von Gerichten in dem Buch. Dafür aber eine ganze Menge Dekorationsfotos, auf denen man kaum erkennen kann, was da abgebildet ist. Diesen Platz hätte man lieber mit Essfotos füllen sollen.
Mein erster Eindruck des Buches war ein sehr positiver: die Bilder ansprechend, die Aufteilung klar, schöne Farben. Die Rezepte sind einfach beschrieben und das Buch mit seinen Inhalten gut gegliedert. Einzig einige Ausdrücke irritierten mich, sind sie doch in den meisten Kochbüchern nicht vorhanden und für den Kochanfänger abschreckend: “Bircherreibe” und “Röstiraffel” sind mir zwar geläufige Begriffe doch ließen sie mich beim ersten Durchlesen erstmal kurz stutzen. Die Vorfreude auf das Kochen war auf jeden Fall da, als ich in Ruhe im Buch stöberte.
Das Inhaltsverzeichnis verspricht interessante Rezepte, zumal einige Rezepte ungewöhnliche Namen haben. Von kalten Pasten, Dips bis Desserts sind alle Kategorien abgedeckt. Die Vorstellung, dass man hier nun die „orientalische Küche„ findet, wird aber leider gleich im Vorwort relativiert. Es handelt sich hauptsächlich um türkische Rezepte. Ich lasse mich in Kochbüchern gerne von Bildern inspirieren. Davon gibt es für mich zu wenige.
Welche Rezepte hast Du ausprobiert und wie fandest Du sie?
Als erstes habe ich Tzaziki-Cacik ausprobiert. Es war einfach und gut. Bezeichnend war der Kommentar von Sohnemann: “Dafür brauche ich kein Kochbuch”. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.
Als zweites Rezept kochte ich Gefüllter Lauch. Das schmeckte uns allen sehr gut, auch wenn meine Lauchröllchen nicht ganz so schön aussahen, wie die auf dem Foto. Zum Rezept gibt es jedoch etwas zu bemerken. Ali Biçer schlägt vor, den Reis roh, d.h. ungekocht mit dem Hackfleisch zu vermischen. Ich habe ihn vorher bissfest gekocht. Bei einer Kochzeit von nur 30 Minuten wäre der Reis in der Füllung niemals gar geworden. Im Rezept heißt es auch, dass die gefüllten Lauchröllchen in Wasser gegart werden sollen. Auf dem Foto sieht man jedoch deutlich, dass sie angebraten oder im Backofen gegart wurden. Das werde ich beim nächsten Mal ausprobieren.
Das dritte Rezept Gemüse-Börek, begeisterte uns alle. Die Gemüsefüllung, gewürzt mit Tahin, Rotwein und Olivenöl war erstklassig. Statt Curry nahm ich das marokkanische Gewürz Raz al Hanout. Der Mohnsamen, mit dem der Börek bestreut wurde, gab ihm den letzten Pfiff. Dass ich es nicht schaffte, die Blätterteigrolle zu einer Schnecke zu drehen, lag wohl daran, dass die angegebene Menge der Farce zu viel war für die angegebene Größe des Blätterteigstückes. Weder dem Geschmack noch der Optik tat das einen Abbruch. Statt des deutschen Blätterteigs nahm ich übrigens türkischen Filo/Yufka. Da empfiehlt es sich, 4-5 Blätter übereinander zu nehmen.
Die Frage war zunächst, womit anfangen? Antwort gab der Blick in den Kühlschrank, der noch einige Gemüseüberbleibsel beherbergte und so probierte ich den Gemüse-Börek als Erstes aus. Das Rezept war super einfach, einzig den Blätterteig ersetzte ich durch einen Fertigteig aus dem türkischen Lebensmittelladen, der eigentlich eben für Börek gedacht war. Dadurch war leider die Schneckenform nicht umsetzbar, was aber dem Geschmack keinen Abbruch tat. Die Kochumsetzung war der Beschreibung im Buch entsprechend und wirklich einfach. Der Geschmack des Börek war grandios. Kleine Gewürzexplosionen im Mund holten ein bisschen Orient nach Hessen.
Als nächstes kamen die Cevapcici, die vor allem sehr, sehr lecker und sehr, sehr einfach in der Zubereitung waren. Besonders die Schwarzkümmelsamen, die ich nach einer Geschmacksprobe mengenmäßig etwas mehr verwendete, waren grandios lecker darin. Was mir nicht zusagte, war die Verwendung des Mehls: durch das Mehl auf der Arbeitsfläche wurde das Hackfleisch etwas brüchig.
Als letztes Gericht kam dann das Baklava auf die Ausprobierliste und war genau so, wie man es kennt: lecker, süß, klebrig. Eine Kalorienbombe vom Feinsten, wie es sich gehört.
Käsebörek: Die Füllung mit dem Hauptbestandteil Feta ist ruckzuck zubereitet, der Teig ist entweder Blätterteig oder türkischer Börekteig, den es auch fix und fertig zu kaufen gibt. Ein schnelles Gericht, das auch lecker schmeckt. Mit einem Salat kann man es auch als „normales“ Hauptgericht essen.
Kanarienvogel-Kebab: Ich habe hier die vegetarische Variante probiert (Champignons statt Lamm). Der Omelettteig ist extrem flüssig, wodurch die Herstellung von unterteller-großen Omeletts etwas schwierig ist, da der Teig sich sofort in der ganzen Pfanne verteilen will. Ansonsten schmeckt das Gericht wie ein Pfannkuchen mit Gemüsefüllung. Unter die Kategorie „Fingerfood“ fällt es eher nicht, da die lockere Füllung leicht rausfällt.
Haydari: Erfrischend durch den Joghurt und die Minze. Kann man statt als Aufstrich auch als Dip verwenden.
Cherrytomaten mit Thunfischfüllung: Schmecken nach genau dem, aus was sie bestehen. Ist etwas für Thunfisch-Liebhaber.
Gefüllte Pilze: Bei dem Rezept ist die Mengenangabe für die Füllung zu hoch. Die Hälfte reicht vermutlich auch. Ansonsten unkompliziert. Die Pilze passen gut auf ein gemischtes Buffet. Dass sie orientalisch oder türkisch sein sollen, schmeckt man leider nicht.
Ali-Baba-Brötchen: Es sind einfache, relativ geschmacksneutrale Brötchen in der Größe einer Mandarine entstanden.
Wie gefällt Dir die Optik des Buches: Layout, Fotos, Ausstattung?
Ich finde sowohl das Layout und als auch die Ausstattung durchschnittlich. Bei den Fotos bin ich enttäuscht. Zu den Gerichten gibt es sehr wenige. Dafür eine ganze Reihe Dekorationsfotos, auf denen man kaum erkennen kann, was auf dem Foto eigentlich dargestellt ist. Man hätte stattdessen mehr Gerichte fotografieren sollen.
Das Layout des Buchs ist schön und übersichtlich. Ein Hauch von Orient mit klarer Gliederung. Schriftauswahl und Größe waren gut lesbar und passend zum Thema. Die Fotos sind – anders als die hochgestylte Foodfotografie – den Rezepten entsprechend und eher entspannt und typisch. Schöne Teller, orientalische Bildelemente, die den Charakter der Speisen unterstreichen und nicht etwas versprechen, was nicht gehalten wird. Das Papier hatte leider keine so schöne Haptik, wenig Charakter, aber zweckmäßig und relativ fest.
Die vorhandenen Fotos sind in der Regel ansprechend, allerdings für mich viel zu wenige. Gerade bei unbekannten Rezepten wären Bilder hilfreich. Die Rezepte sind sehr unterschiedlich dimensioniert. Bei dem einen Rezept muss man nur 6 Aprikosen verarbeiten, bei dem anderen 1 Kilo Fisch oder 1 Kilo Lauch. Hier wäre die Angabe hilfreich, wie viele Portionen entstehen.
Dein Fazit zu dem Kochbuch?
Ein Kochbuch, das vielleicht für Anfänger geeignet ist. Die Bezeichnung orientalisch finde ich eher fehl am Platz, denn wie Biçer schreibt, es sind größtenteils Rezepte aus der türkischen Küche. Ich habe jedoch das Gefühl, dass die türkischen Gerichte bereits sehr entschärft und dem schweizerischen oder deutschen Geschmack angepasst sind.
Wer sich bereits mit dem Thema befasste, kann enttäuscht sein, weil er wenig Neues erfährt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Ali Biçer wirklich alle Gerichte gekocht hat. Es sind einige Fehler in den Rezepten, die u.U. das Gelingen des Gerichtes unmöglich machen. So wie z.B. die Verwendung von rohem Reis in Füllungen oder dass in vielen Rezepten steht “1 rote Peperone/Paprikaschote”. Zwischen Peperone und Paprikaschote ist ein Riesenunterschied. Je nachdem was von beiden man nimmt, kann das für das Gelingen oder Nichtgelingen des Gerichtes verantwortlich sein. Die Rezepte bzw. Zutaten sind bei vielen Gerichten sehr ähnlich. Ich würde dieses Kochbuch eher nicht kaufen.
Ein schönes Kochbuch für die ersten Schritte in der orientalischen “Fingerfood”-Küche, wobei der Titel nicht umbedingt auf alle Gerichte zutrifft. Mehr Fingerfood hätte es ruhig sein können. Schwierig für Kochanfänger ist wohl eher der Einsatz der verwendeten Gewürze, wenn man eher westliche Küche kocht und die Gewürze nicht unbedingt vorrätig hat. Da lohnt kaum das Kochen eines einzigen Gerichts, wenn man dafür extra Sesampaste, Pistazien oder Kreuzkümmelsamen kaufen müsste. Aber das dürfte überhaupt beim Kauf des Buches oder beim Lesen der Rezepte klar sein. Schön wäre vielleicht eine kleine Übersetzung der Namen der Gerichte, eine zweisprachige Überschrift (Originalname und Übersetzung) und vielleicht eine kurze Einführung/Erklärung zu manchen Speisen.
Der Name und Untertitel des Buches versprechen mehr als sie halten. Unter Rezepten aus 1001 Nacht hatte ich mir teilweise Exotischeres vorgestellt. Es eignet sich aber trotzdem für die Zusammenstellung eines türkisch-orientalischen Buffets oder als Fundstelle für Mitbringsel zu Parties.
Veröffentlicht im März 2010
Margit: das Buch kenne ich auch, habe in der Bibliothek ausgeliehen
Zum Reis: Warum denkst du, dass “…Bei einer Kochzeit von nur 30 Minuten wäre der Reis in der Füllung niemals gar geworden.”?
In vielen asiatischen Küchen und auch indischer wird der Reis oft nur mit Dampf und innerhalb 15-20 Min. zugedeckt gekocht, der Herd wird aufgeschaltet und alles gärt im Dampf auf der heissen Platte.
Das klappt sehr gut, der Reis wird sehr gut gar. 30 Min. reichen da voll, man zählt ab dem Siedepunkt, deckt zu und köchelt auf der kleiner Stufe.
Dann: “…Im Rezept heißt es auch, dass die gefüllten Lauchröllchen in Wasser gegart werden sollen. Auf dem Foto sieht man jedoch deutlich, dass sie angebraten oder im Backofen gegart wurden. Das werde ich beim nächsten Mal ausprobieren.”
Die Lauchröllchen werden im Wasser gegart, aber am Schluss verdämpft das Wasser und die Röllchen werden dadurch “etwas angebraten”. Das steht aber nicht im Rezept und ist verwirrend. Nein, im Backofenw werden sie nicht gar, eher ausgetrocknet…
Wenn ich Reis in Wasser oder Dampf koche, braucht er auch nur ca. 20 Minuten. Daß der rohe Reis in den gefüllten Lauchröllchen niemals gar geworden wäre, weiß ich aus Erfahrung. Die Füllung als solche ist ziemlich trocken. Das Wasser war keineswegs nach der im Rezept beschriebenen Garzeit “30 Min. bei schwacher Hitze” verdampft. Die Röllchen konnten gar nicht “etwas angebraten” werden und sicher nicht auf der Oberseite. Ich würde den Lauch kurz anbraten und dann erst das Wasser auffüllen…