Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Wer mag eigentlich nicht Sushi? Kaum jemand. Vielleicht diejenigen, die damit vor allem rohen Fisch assoziieren, den viele ablehnen. Aber sonst? Ich jedenfalls mag Sushi sehr gerne. Allerdings ist wohl bei keiner meiner Lieblingsspeisen die Diskrepanz zwischen mögen und selber machen so groß. Ich denke mal, es geht vielen so wie mir.
Woran liegt das? Erstes Vorurteil: Sushi machen ist kompliziert. Wenn ich die kunstvoll arrangierten kleinen Teile betrachte, egal ob im Kochbuch oder realiter in einem Restaurant, keimt in mir Bewunderung und Respekt, aber auch die Vorahnung, überfordert zu sein beim heimischen Versuch, etwas annähernd Ähnliches zustande zu bekommen.
Aber wie bei vielen Dingen des Lebens kann man diese Schwelle durchaus überwinden. Da bieten sich vor allem Nigiri und Onigiri an. Bei diesen Varianten lässt sich der Reis wirklich leicht in der Hand formen und dann entweder füllen oder belegen. Mit zunehmender Erfahrung wagt man sich dann vielleicht auch an kompliziertere Variationen.

Sushi ist eben nicht immer was mit rohem Fisch
Zweites Vorurteil: Sushi ist immer was mit rohem Fisch. Stimmt nicht. Auch wenn in Japan traditionell häufig Fisch im Spiel ist. Um mit diesem Vorurteil aufzuräumen, präsentieren Angkana und Alex Neumayer (Foto links) in ihrem Buch 70 vegetarische und vegane Rezepte. Das ist für Menschen wie mich, die weit weg vom Meer wohnen, ein großer Vorteil.
Außerdem verwenden die Neumayers vor allem regionale Produkte. Dass es trotzdem ohne Reis, Nori-Blätter, Wasabi und die ein oder andere asiatische Sauce nicht geht, dürfte klar sein. Aber ansonsten tummeln sich viele einheimische Dinge in den Zutatenlisten, etwa Pumpernickel, Knoblauchsrauke und Rote Bete, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Wer nun denkt, klasse, dann kann ich alles im Supermarkt bekommen, wird bei einigen Rezepten feststellen, dass auch außergewöhnliche Zutaten auftauchen, besagte Knoblauchsrauke zum Beispiel oder Steinpilzöl oder Blüten der Kapuzinerkresse. Aber das ist eher die Ausnahme, die allerdings andeutet, dass es im Buch schon ziemlich ambitioniert zugeht. Was nicht überrascht, wenn man den beruflichen Werdegang der Neumayers betrachtet, der Stationen wie Food Artist in der asiatischen Fünf-Sterne-Hotellerie oder Fähigkeiten wie die hohe Kunst des Gemüseschnitzens aufweist.
Alex & Angkana Neumayer:
„Ein weit verbreiteter Irrglaube – Sushi ist immer mit Fisch. Das stimmt nicht. Die Bedeutung des Wortes Sushi hat nichts mit Fisch zu tun. ‚Sushi‘ heißt frei übersetzt ‚gesäuert‘ und bezieht sich auf den Reis. Der Sushi-Reis wird bei der Zubereitung mit Essig gesäuert. Früher wurde er fermentiert. Sushi kann vegetarisch, vegan, mit Fleisch oder natürlich eben mit Fisch und Meeresfrüchten sein. Da Japan ein Inselstaat mit intensiver Fischerei ist, ist es naheliegend, dass die ersten Sushis Fisch als Komponente enthielten.“
Nicht nur regional, auch saisonal
Neben den heimischen vegetarischen und veganen Zutaten punktet das Buch auch noch mit einer stimmigen saisonalen Gliederung, die zudem auch optisch dezent farblich umgesetzt wird. Erwähnen möchte ich dann noch die überaus aparten Fotos, für die ebenfalls Angkana und Alex Neumayer verantwortlich sind.
Zu den Pluspunkten zählen auch im Anhang Step-by-Step-Anleitungen für die verschiedenen Sushi-Varianten – ein sehr nützlicher Service. Gleich nebenan finden sich einige Basics, die in manchen Rezepten verwendet werden, etwa violetter Reis, Miso-Mayonnaise und Fichtenwipfelsirup. Vor allem die Step-by-Step-Anleitungen sind essenziell – hier hätten die Fotos gerne etwas größer ausfallen dürfen.

Abstriche in der B-Note einkalkulieren!
Wie hat sich nun das Buch in der Praxis bewährt? Meine Erwartungen waren angesichts wunderschöner Fotos und mitunter übersichtlicher Zutatenlisten und eher niedriger Zeitangaben groß. Bei den angegebenen Zeiten ist allerdings das Reiskochen nicht dabei, geschweige denn die für das Abkühlen nötige Zeit. Aber selbst dann vermute ich mal, dass kaum jemand derart schnell Sushis in der abgebildeten Vollendung fertig stellen kann, zumindest nicht beim ersten Mal und ohne vorher alle Zutaten, die mitunter noch eine gewisse Vorarbeit benötigen, bereitgestellt zu haben.
Und auch die Optik wird bei zwar ehrgeizigen, aber nur mit mäßigem Geschick gesegneten Menschen wie mir vielleicht nicht auf Anhieb überzeugen. Da bleibt nur zu hoffen, dass bei einer Wiederholung begangene Unzulänglichkeiten ausgebügelt werden können.
Fazit: Ein wunderschönes, kreatives und nützliches Kochbuch mit vielen Ideen, Anregungen und Tipps. Aber auch vermutlich mit einigem Frustrationspotenzial für Hobbyköch:innen, denen es nichts ausmachen sollte, wenn ihre Ergebnisse vorerst hinter den Kunstwerken der Neumayers zurückbleiben. Deshalb mein Tipp, zunächst einmal mit wirklich gelingsicheren Varianten wie Nigiri und Onigiri zu beginnen. Denn auch die können optisch überzeugen. Geschmacklich sowieso.
Veröffentlicht im August 2023