Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Das Hamburger Abendblatt ist ja nicht unbedingt für seine Kochbücher bekannt. Umso mehr überraschte es mich ein solches vorzufinden, als ich auf der Suche nach einem neuen Exemplar für eine Rezension war. Das ist übrigens mein persönliches Highlight des Rezensententums bei Valentina: Aus einem Füllhorn wunderbarster Kochbücher eines aussuchen. Im Kopf kocht man schon die Speisen, die einen besonders ansprechen, ist hin und her gerissen, kann sich nicht entscheiden und geht dann am Ende doch glücklich mit dem neuen Schatz nach Hause. Schön!
Ich hatte mich also für das Hamburger Abendblatt entschieden. Der Band ist schlicht aufgemacht mit geprägtem Titel und versammelt insgesamt 15 Menüs von 9 Köchen, die in kurzen biographischen Skizzen vorgestellt werden. Allesamt sind sie Köche in Spitzenrestaurants, zum Teil sogar mit Michelinstern ausgezeichnet. Ich war also gespannt. Damit die Gäste kommen können, hält der Band eingangs ein paar Hinweise für den Gastgeber bereit, am Ende des Buches finden sich kurz die sogenannten Grundrezepte wie Fischfond und ein paar Hinweise zu Getränken. Die Menüs selbst enthalten auch für jeden Gang eine Weinempfehlung.
Die Gäste werden wieder kommen
Ich überlege mir selten, wie ich die Gerichte nachkoche, damit sie auch für die Rezension geeignet sind. Es hat sich bewährt mindestens eine Vorspeise, ein Hauptgericht und eine Nachspeise zu kochen. Weitere Details muss man bei anderen Kochbücher allerdings nicht beachten. Das war hier anders. Es war wichtig, dass man die Menüs in Gänze nachkocht. Und am besten mehrere. Die Auswahl war ja groß genug. Es gab diesen Schwerpunkt in eher nach Norddeutschland zu verortenden Speisen, aber dank Julian Chen aus dem Ni Hao auch zwei asiatische Menüs. Los ging es also.
Der gerade erst vergangene Winter beschränkte die Auswahl an frischen Gemüsen, weshalb die Wahl auf Gerichte mit Zutaten fiel, die ganzjährig verfügbar sind. Die Spargelgerichte werde ich aber unbedingt demnächst nachkochen, denn soviel sei vorweg genommen: Die Gäste werden wieder kommen.
In unserem Freundeskreis wird meine private Nebentätigkeit sehr begrüßt, denn sie hat den angenehmen Effekt sich kulinarisch auf unsere Zusammentreffen auszuwirken. Im diesem Fall, dem besten also, sogar in Form eines ganzen Menüs. Das Viergang-Menü aus dem Töpferhaus war der Einstieg in dieses Kochbuch und es wurde gefolgt (selbstverständlich an einem anderem Abend mit anderen Gästen. Man muss seine Gunst ja auch etwas verteilen!) von einem Familienmenü aus dem Ni Hao.
Zutaten, die gesucht werden wollen?
Erstaunlicherweise war es bei keinem der Gerichte ein Problem die Zutaten zu beschaffen. Bisweilen gefallen sich Kochbücher in der Exklusivität der Zutaten. Da wollen sie ihre Nutzer wohl sowohl auf den Märkten Asiens wiederfinden, wie sie sie auf die Jagd nach dem besten ausgefallenen Gewürz schicken. All dies war hier nicht nötig und doch waren die Gerichte besonders. Frische Zutaten und nicht zuviel Geschmackszugaben machen feine Gerichte.
Besonders die Zusammenstellung der Menüs zu erwähnen ist mir ein Anliegen. Es ist ja keine Kunst sich ein zwei gute Gerichte auszudenken, die dann auch schmecken. Aber geben sie ein stimmiges Bild ab? Idealerweise werden aus zwei einzelnen, gut schmeckenden Gerichten im Menu mehr als ihre Bestandteile, wird das Geschmackerlebnis nicht nur verdoppelt, sondern vollständig. Das hat hier funktioniert. Nach dem frischen Thunfisch fehlte das milde, runde der Schaumsuppe. Und erst die Schaumsuppe machte richtig Hunger auf den deftigen Hauptgang. Vertilgt, verschlungen, gelobt. Ein erfolgreicher Abend.
Hand auf’s Herz …
Der aber auch der Abschluss eines anstrengenden Tages war. Das soll hier nicht verschwiegen werden. Die Gerichte sind nicht nur besonders im Geschmack, sondern zum Teil auch besonders aufwändig. Da ist es ein dankbarer Aspekt, dass sich einzelne Gänge gut vorbereiten ließen. Das schmälert aber nicht den Aufwand, der zu betreiben war, alles zu kochen. Besonders das Ni Hao Menü werde ich frühestens an der Hochzeit meines Erstgeborenen erneut nachkochen.
Das Hamburger Abendblatt hat also ein Kochbuch vorgelegt, das mir gefällt. Wobei ich zum ersten Mal in meinem Rezensionsleben zugeben muss, dass ich mir eine Gesamteinschätzung gar nicht wirklich zutraue. Sind es doch fast 10 Köche, und unterschiedlichste Menüs. Ich habe mir also nur einen Eindruck verschafft und der ist gut. Obwohl aufwändig, stimmen die Angaben. Man sollte etwas Kocherfahrung mitbringen, wird dann aber auf sehr angenehme Art an die Hand genommen. Und sollte sich demnächst der Chef mit Gattin zum Abendessen ankündigen: Hier ist das Kochbuch ihrer Wahl.
Veröffentlicht im Juni 2014