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Katharina Höhnk

Kochbuch Ferran Adrià: Das Familienessen ★★★★

Das Familienessen
Ferran Adrià
Fotos F. Guillamet & M. Ruiz de Erenchun
Phaidon Verlag (2011)
Mehr über den Kochbuch-Verlag

Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Christiane Schwert

Von

Die El-Bulli-Familie, sprich das Mitarbeiter-Team des berühmten Restaurants, glaubt, dass nur der gut kocht, der auch gut isst. Deswegen gibt es jeden Tag eine gemeinsame Mahlzeit für das 75-köpfige Team. Diese Gerichte sind nun, verteilt auf 31 Drei-Gänge-Menus, in einem konzeptionell einmaligen Buch, veröffentlicht worden. Es sind abwechslungsreiche, international inspirierte Rezepte, die sich gut nachkochen lassen.

Natürlich ist auf dieser Publikation der berühmte Name in erster Linie Verkaufsargument. Denn im Vorwort erfährt man, dass die Rezepte von Eugeni de Diego (einer der Chefköche des El Bulli) und Ferran Adria stammen. Auch beinhaltet dieses Buch nur sehr wenig, was man gemeinhin mit dem Namen Adria bzw. seinem Restaurant El Bulli in Verbindung bringt. Es ist definitiv keine Anleitung für molekulares Home-Cooking. Jedoch bekommt man einen echten Einblick hinter die Kulissen des Sterne-Betriebs. So plaudern die Autoren im Vorwort, dass ihre Küchenbrigade besonders bei Pasta immer tüchtig zulangt und Hamburger ihr Lieblingsessen ist. Wie menschlich!

Der eigentliche Impuls dieses Buch zu schreiben, war die Schließung des Top-Restaurants im letzten Jahr. Die Rezepte sollten nicht in der Schublade landen, sondern anderen gastronomischen Betrieben bei der Versorgung ihres Personals helfen. Oder eben auch dem Homecook, denn in einer Profiküche gibt es viele Kniffe, von denen jeder profitieren kann.

Rezepte für 2, 4, 20 und 75 Personen

Vor den eigentlichen Rezepten geben die Autoren hilfreiche Anregungen für die Organisation der heimischen Küche und Empfehlungen zur Befüllung von Kühl- und Vorratsschrank. Außerdem Tipps für die perfekte Zubereitung von Fleisch oder Eiern oder wie man Pommes selber machen kann. Auf einer Doppelseite sind die im Buch verwendeten Fische abgebildet, auf einer weiteren die wichtigsten Küchenutensilien. Durchdacht sind auch die Rezepte zur Herstellung von Grundsaucen und Brühen, die man gut vorbereiten und tieffrieren kann. Es folgt eine übersichtliche Listung aller Rezepte, so dass man schnell einen Überblick bekommt und frei kombinieren kann. Denn: gut geplant, ist fast gekocht!

Das alles ist gut und nützlich, aber erst beim Aufbau der Menus werden die Qualitäten dieses konzeptionell besonderen Kochbuchs deutlich. Hier wurde einfach an alles gedacht! Auf der ersten Seite sind die zu kochenden drei Gänge als Endprodukt abgebildet, so dass der Nachkoch sein Ziel vor Augen hat. Es folgt eine doppelseitige Fotografie auf der alle benötigten Zutaten zu sehen sind. Mit einer Spalte auf der linken Seite, welche Dinge davon frisch gekauft bzw. aus dem Vorrats- oder Kühlschrank kommen.

Frische Zutaten und aus dem Vorrat

Im Vorwort empfehlen die Autoren am besten einen Wochenplan aufzustellen, so dass man am Tag selbst nur noch die frischen Produkte besorgen muss. Mit diesen Listen kein Problem! Auf der rechten Seite, hier erkennt man die Gastro-Profis, findet sich ein Zeitstrahl zum perfekten Timing der einzelnen Arbeitsschritte. Es folgen die einzelnen Gänge, Step-by-step abfotografiert und einfach nachzukochen.

Die Bilder sind null stilisiert, sondern nur auf das Notwendige reduziert. Sie zeigen den tatsächlichen Kochvorgang samt Ergebnis. Und das Ergebnis ist für mich als Nachkoch realistisch zu erreichen und leicht anzurichten. Diese Aufmachung muss man mögen, den pragmatischen Ansatz zu schätzen wissen. Mich spricht jedoch gerade dieser sachliche Stil besonders an.

Die Menus selbst sind meist stimmig komponierte Speisenfolgen. Wobei der Hauptgang immer ein Fleisch- oder Fischgericht ist. Es gibt keine vegetarischen Hauptgerichte, was ich nicht sehr zeitgemäß finde. Meinem deutschen Gaumen fehlte zudem oft die Sättigungsbeilage. Manchmal gibt es nur Fisch oder Fleisch ohne alles. Anfangs war ich mir daher nicht sicher, ob 1. und 2. Gang nicht zusammen gegessen werden sollten. Ich denke aber in Spanien wird wohl einfach Weißbrot dazugereicht.

Ungewöhnliches!

Manche Kombination erschien mir zudem kulinarisch etwas zweifelhaft, wie z.B. Tütenchips zum Burger oder auch die Verwendung gekaufter Croutons. Auch geschrotete Mentholbonbons über Melone finde ich eher trashig denn lecker, oder Kartoffelsalat mit Mayo und Wiener Würstchen… Na ja, Ferran Adria ist ja auch nicht wegen der gesundheitsförderlichen Wirkung seiner Küche berühmt geworden.

In den gegenwärtigen Zeiten des kulinarischen Credos von saisonal und regional befindet sich in diesem Buch eher eine Leerstelle. Saisonal ja, aber nur weil es da billiger ist. Auch Bio scheint kein Thema zu sein. Alle Menus sollen nicht mehr als 3(!)€ pro Person kosten. Wie das mit einem Fleisch- bzw. Fischgang zu realisieren sein soll, ist mir schleierhaft.

Besonders angetan haben es mir die Desserts. Ich bin im Alltag oft ratlos, wenn es darum geht, etwas Schnelles Süßes zu zaubern. Doch hier gibt es viele tolle Anregungen, wie z.B. einfach Joghurt und Sahne in ein Siphon zu füllen und geschäumt mit frischen Erdbeeren zu servieren oder Süßkartoffelhälften zu backen und mit Honig und Sahne zu bestreichen. Für Brot mit Schokolade und Olivenöl war ich nicht mutig genug, aber viele der Desserts stehen noch auf meiner Nachkochliste!

Diesem Kochbuch liegt ein wohltuendes Selbstbewusstsein zugrunde. Die Autoren müssen nichts beweisen, ihr Ruhm eilt ihnen bereits voraus. Das ganze Kochen als Lifestyle-Getue bleibt hier außen vor. Kochen als Notwendigkeit und um gut zu essen, das steht im Vordergrund. Dabei rundum so durchdacht, dass es für Kochanfänger und Profis gleichermaßen interessant ist. Mir ist bisher kein auch nur annähernd ähnlich strukturiertes Buch untergekommen. Dafür volle Punktzahl! Wenn es mich auch auf Rezeptebene nicht durchgängig überzeugt hat.

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Veröffentlicht im Februar 2012

6 Kommentare

  1. Margit

    Als familia bezeichnet man in Spanien das Küchen- und Servierpersonal. Es ist Sitte in Restaurants, daß man mit dem Personal gemeinsam ißt, meist bevor der große Ansturm losgeht. Es kocht rotativ immer ein anderer der angestellten Köche. Handelt es sich um die Verwandten, sagt man mi familia. Familienessen heißt auf Spanisch comida en familia. Vielleicht wäre “Essen fürs Küchenpersonal” und dann eine kurze Erklärung in einem Vorwort besser gewesen. Die Übersetzung Familienessen führt m.E. zu einem Mißverständnis, weil man denken könnte, es handele sich im deutschen Sinn um Verwandte. Nicht daß man die nicht auch mit dem bekochen könnte, was Adrià seiner familia vorsetzt 🙂

  2. Katharina

    Wie hättest Du den Titel übersetzt?

  3. Margit

    Mir gefällt das Buch sehr gut. Es ist ein ideales Buch für Kochanfänger, die Rezepte sind einfach und für den täglichen Gebrauch geeignet. Auch diejenigen, die täglich zuhause kochen (müssen), erhalten viele Ideen um komplette und ausgewogene Menus herzustellen. Was die Spanier einen Schuß Olivenöl nennen, kann dem deutschen Esser leicht ölig vorkommen. Mir gefällt gerade so gut, daß das Buch echte, spanische Alltagsküche zeigt. So mag es manchen stören, daß die Menus bzw. Gänge praktisch ohne Beilagen auskommen. Das ist in Spanien nicht üblich. Salat ist man vor dem ersten Gang und zu den Gängen meist frisches Weißbrot. Damit kann man auch die Sauce bzw. das gute Olivenöl so schön auftunken. Leider ist der Titel des spanischen Originals “La cocina de la familia” nicht gut ins Deutsche übersetzt und kann so zu falschen Erwartungen führen…

  4. Susue

    Ich habe das Buch, als es in Spanien erschienen ist und ich liebe es.
    Tatsächlich ist das Buch für den spanischen Geschmack konzipiert: Drei Gänge, keine Sättigungsbeilage. die Spanier essen immer Brot dazu und sehr oft noch mit einem grünen Salat zum Hauptgang.
    Die Süßkartoffel als Nachtisch ist toll in Winter und sättigend, wenn man keine “Sättigungsbeilage” im Hauptgang hatte.

  5. Zorra

    Das Buch hat sich in meinem Kochbuchregal ganz schnell einen Stammplatz erobert, auch mir gefällt es richtig gut!

  6. Petra

    Das Buch hat sich in meinem Kochbuchregal ganz schnell einen Stammplatz erobert, auch mir gefällt es richtig gut!

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