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Katharina Höhnk

Interview Sabine Schlimm: One Pot Soulfood

Interview zu: One Pot Soulfood –
80 Seelenwärmer-Rezepte für Topf,
Blech oder Pfanne
Susanne Bodensteiner & Sabine Schlimm
Fotos: Mona Binner, Autorenfoto:
Karin Desmarowitz
Gräfe und Unzer (2018)
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Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich gutes Essen auf das Wohlbefinden auswirkt. Ein köstliches Mahl vermag einen grauen Tag handstreichartig in einen lichten zu wandeln. Wer wünscht sich also nicht täglich diese kleine Zufuhr innerer Wärme? Wenn da nur nicht der Alltag wäre, der der Kocherei manchen Strich durch die Rechnung macht.

Sabine Schlimm hat sich zusammen mit Susanne Bodensteiner der Fragestellung angenommen. Ihre Rezeptsammlung vereint, was scheinbar nicht passt – Soulfood und Minimalaufwand in der Küche. Herausgekommen ist ein One-Pot-Kochbuch besonderer Art. Anlass für uns, um mit ihr darüber zu sprechen.

Katharina: Euer Kochbuch verbindet One-Pot-Kochen und Soulfood. Was zeichnet diese Verbindung aus?

Sabine: Wir wollten mit unserem Buch zeigen, dass es selbst im Alltag möglich ist, sich Essen zu kochen, das nicht nur den Magen streichelt, sondern auch die Seele wärmt. Und zwar gerade dann, wenn es besonders hektisch ist – schließlich haben wir solche kleinen Genuss-Lichtblicke in stressigen Momenten besonders nötig. Das One-Pot-Prinzip senkt dabei für viele die Hürde, sich an den Herd zu stellen, weil es so simpel daherkommt. Einfach alles rein in den Topf – oder die Pfanne oder aufs Blech –, und daraus wird eine ganze Mahlzeit.

Katharina: One-Pot-Kochen ist ein Trendthema. Woher kommt es und wie hat es sich entwickelt?

Sabine: Der Hype ist, wie so vieles, aus den USA zu uns herübergeschwappt. 2013 veröffentlichte dort Martha Stewart ein Rezept, in dem Nudeln mit sämtlichen Zutaten für die Sauce und etwas Wasser einfach zusammen in einem Topf gekocht wurden. Das löste so was wie ein kulinarisches Beben aus, weil die Idee allem zuwiderlief, was bis dahin immer gepredigt worden war. Nudeln kocht man separat in reichlich Wasser, Punkt. Und jetzt stellte sich auf einmal raus: Nee, das geht auch anders, und die Pasta verbindet sich auf diese Weise sogar besonders gut mit der Sauce, die durch die Stärke der Nudeln gleich mit angedickt wird. Das Prinzip verbreitete sich über Zeitschriften und Blogs ziemlich schnell, und natürlich wurde es bald auch abgewandelt, nach der One-Pot-Pasta kam One-Pot-Reis, One-Pot-Quinoa …

Aber wie das häufig so ist: Da wirkt etwas so neu und trendy, und wenn man mal genauer hinguckt, stellt man fest, dass es das eigentlich schon ewig gibt. Gerade die Mahlzeit aus nur einem Topf ist ja die Urform des Kochens überhaupt! Und eine, die über Jahrtausende hinweg den Alltag der meisten Menschen bestimmt hat, weil es außer bei einer kleinen Oberschicht in der Regel eben nur ein einziges Kochgeschirr und eine einzige Feuerstelle gab. Kein Wunder, dass schon immer ziemlich viel damit experimentiert wurde, was innerhalb dieser Beschränkungen möglich ist. Unsere ganzen klassischen Eintöpfe sind ja auch nichts anderes als One-Pot-Gerichte, genau wie Risotto. Oder Paella. Oder Tajines. Oder die Sabbat-Schmorgerichte der jüdischen Küche, die am Freitag in den Topf geschichtet und in den Ofen gestellt werden, sodass der ganze Haushalt am Sabbat etwas zu essen hat, ohne dass gekocht werden muss.

Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, für das Buch auf die Suche zu gehen nach Gerichten, die das Zeug haben, den Hype zu überdauern und echte Lieblinge zu werden.

Katharina: Die Herausforderung bei One-Pot-Rezepten ist es, einen Geschmack zu kreieren, der nicht eindimensional ist. Wie lautet eure Lösung dafür?

Sabine: Kontraste machen ein Gericht erst interessant, das ist beim One-Pot-Kochen nicht anders als sonst auch. Salziger Halloumi mit knackigem Fenchel und süßsäuerlicher Mandarine zum Beispiel – das spielt mit etlichen Ebenen von Geschmack und Konsistenz. Dafür ist es allerdings meistens nötig, nicht alle Zutaten von Anfang bis Ende im Topf zu kochen, denn sonst gibt es Geschmackseinheitsbrei. Wir haben bei unseren Rezepten oft einzelne Zutaten erst zum Schluss zugegeben, damit sie aromatische Akzente setzen können – na ja, und im Fall von Gemüse natürlich auch, damit es knackig bleibt. Auch Kräuter oder Knuspriges wie Nüsse, ganz am Ende über das Gericht gestreut, helfen dabei, es spannend zu machen. Außerdem lieben sowohl meine liebe Kollegin und Co-Autorin Susanne Bodensteiner als auch ich Gewürze – weil sie oft den Geschmack richtig rund machen. Und außerdem natürlich ein wichtiger Gute-Laune-Faktor sind!

Katharina: One Pot Soulfood ist das achte Kochbuch, auf dem Dein Name steht. Unübersehbar ist, dass Deine Veröffentlichungen häufig Glück und Genuss verbinden. Was bedeutet Kochen und Essen für Dich persönlich?

Sabine: Auf jeden Fall hat gutes Essen das Potenzial, mich glücklich zu machen! Manchmal freue ich mich den ganzen Tag darauf, am Abend ein Lieblingsgericht zu kochen und mit dem Lieblingsmenschen zusammen am Tisch zu sitzen, um es zu genießen. Das hat für mich viel mit Geborgenheit zu tun. Wenn ich koche, dann schaffe ich mir damit eine kleine Insel des Wohlfühlens, wo ich ganz im Moment sein kann.

Beim Schnippeln komme ich außerdem oft runter und entspanne mich. Beim Salatputzen weniger; davor drücke ich mich gern. Zum Glück ist mein Mann da leidensfähig.

Klar koche ich im hektischen Alltag nicht immer aufwendig, und auch bei mir gibt es Phasen, in denen ich überhaupt keine Lust habe, am Herd zu stehen – oft dann, wenn ich gerade beruflich einen Rezeptentwicklungsmarathon hinter mir habe. Aber selbst in solchen Zeiten kann mir Essen den Tag verschönern. Ich lasse mich nämlich auch gern bekochen!

Katharina: Du beschäftigst Dich auch beruflich viel mit Nachhaltigkeit. Wie hat das Thema Dein Konsumentenverhalten in Bezug auf Einkaufen und Kochen verändert? Entdeckst Du weiterhin neue Möglichkeiten?

Sabine: Sehr umwälzende Veränderungen gab es bei mir in den letzten Jahren nicht mehr. Ich bin schon seit Langem Biokäuferin – aus der Überzeugung heraus, dass die Biolandwirtschaft die beste Möglichkeit ist, eine wachsende Weltbevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, ohne dabei unsere eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Und weil ich mein Gemüse größtenteils von einer Demeter-SoLaWi (Solidarischen Landwirtschaft) bekomme, bei der ich einen Ernteanteil habe, bin ich daran gewöhnt, mich in der Küche danach zu richten, was gerade bei uns Saison hat. Das hat im Lauf der Zeit natürlich schon einiges verändert. Früher habe ich halt auch oft einfach zu Tomaten, Paprika und Zucchini gegriffen, wenn mir nichts anderes eingefallen ist. Jetzt gibt es Tomaten eben nur drei Monate im Jahr – und auf den ersten Tomatensalat freue ich mich immer wahnsinnig! Genau wie auf die Äpfel der neuen Ernte oder auf den Beginn der Kürbissaison.

Im Detail verändert sich natürlich schon ständig etwas bei mir. Seit es bei uns im Viertel einen Unverpacktladen gibt, kaufe ich immer mehr Lebensmittel dort – und finde, das schafft ein ziemlich gutes Bewusstsein dafür, wie viel Verpackung wir im Alltag ganz selbstverständlich hinnehmen. Und seit diesem Jahr steht auf unserem Balkon eine Wurmkiste mit mehreren Tausend Regenwürmern, die unsere Bioabfälle zu wunderbarem Humus verwerten.

Klar entdecke ich laufend neue Möglichkeiten. Je mehr Menschen sich Gedanken über Nachhaltigkeit machen, desto mehr Ideen kursieren ja, welche Beiträge man selbst dazu leisten kann; nicht zuletzt auf Instagram. Da nehme ich auch immer wieder Anstöße mit. Ich werde beispielsweise keine Papierservietten mehr kaufen und diszipliniere mich jetzt öfter, mir auf lange Bahnfahrten selbst geschmierte Brote mitzunehmen, statt zwischendurch ein Brötchen zu kaufen. Der Mehrwegbecher und die Wasserflasche sind eh immer dabei.

Allerdings finde ich, man muss bei allen Tipps schon sehr genau und kritisch hingucken. Muss man jetzt wirklich sämtliches Plastik aus der Küche verbannen, um sich alles in Glas oder Edelstahl neu anzuschaffen? Und kann man Brot erst ohne Tüte einkaufen, wenn man sich einen schicken Brotbeutel genäht hat, oder geht’s vielleicht auch mit einem nicht so schicken Baumwollbeutel mit Werbeaufdruck? Die wirklich wichtigen Stellschrauben sind ja oft weniger instagrammable: einfach weniger konsumieren zum Beispiel. Altes weiternutzen, bis es kaputt geht. Die Reste vom vorgestrigen Essen aufwärmen statt wegwerfen, auch wenn sie nicht mehr fotogen aussehen.

Katharina: Was sind deine fünf Tipps für jemanden, der nachhaltig einkaufen möchte, aber nicht viel Zeit hat und sparsam sein muss?

Sabine: Ich glaube, den ersten und wichtigsten Tipp muss ich hier auf Valentinas Kochbuch gar nicht extra erwähnen: selbst frisch kochen statt zum Imbiss zu gehen oder Fertiggerichte zu kaufen.

Der zweite lautet: nicht mehr als nötig einkaufen. Klingt banal, aber Supermärkte und Läden setzen alle psychologischen Tricks ein, damit wir mit einem vollen Einkaufswagen an der Kasse stehen – obwohl wir so viel häufig gar nicht verbrauchen können. Viel zu oft werden dann Lebensmittel im Kühlschrank schlecht, oder abgelaufene (häufig noch nicht einmal verdorbene!) Vorräte landen im Müll. Eine riesige Ressourcenverschwendung! Ein erster Schritt dagegen könnte sein, einfach mal konsequent alle Vorräte im Haushalt aufzubrauchen. Im zweiten Schritt hilft es manchen, die Mahlzeiten für die Woche im Voraus zu planen und nur das zu kaufen, was dafür nötig ist. Mir ist das zu starr, aber ich gewöhne mir an, für maximal drei Mahlzeiten einzukaufen – weil ich nicht immer zum Kochen zu Hause bin und wir von manchen Mahlzeiten zweimal essen, reicht das dann auch oft für eine Woche. Außerdem notiere ich auf einer Tafel in der Küche, was bald verbraucht werden muss. Das hilft mir, den Überblick zu behalten.

Tipp Nummer drei: Fleisch, Milchprodukte und Eier reduzieren. Ich esse nach wie vor tierische Produkte, weil ich der Überzeugung bin, dass eine ökologische Landwirtschaft nur mit Tierhaltung funktioniert – wer keinen chemischen Dünger verwenden will, braucht Mist und Gülle, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Aber Flächen und Tierbestand müssen aufeinander abgestimmt sein, und das heißt eben, dass wir tierische Produkte nicht in den aktuell als normal betrachteten großen Mengen essen können. Und das gilt nicht nur für Fleisch! Käse ist ebenfalls ein ziemlich ressourcenintensives Produkt, und da fällt es mir selbst schwer, den Konsum einzuschränken. Aber ich versuche es, unter anderem mit veganen Brotaufstrichen. Denn die Basis unseres Essens muss pflanzlich sein, und das nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit. Gesünder ist es nach aktuellem Stand der Forschung außerdem. (Foto links: Bild aus dem Kochbuch One Pot Soulfood)

Tipp Nummer vier: im Rhythmus der Jahreszeiten kochen. In jeder Saison gibt es Gemüsesorten, die günstig zu haben sind, weil sie gerade reichlich vorhanden sind. Im Sommer können das Zucchini sein, im Herbst Weißkohl und im Winter Wurzeln und Knollen. Es lohnt sich, mal gezielt auf die Suche nach Rezepten für diese günstigen Sorten zu gehen und sich dann damit auszutoben. Ein gutes Gefühl für das saisonale, regionale Angebot bekommt man mit einer Biokiste – bei den meisten Anbietern kann man Regionalkisten wählen, in denen dann kein importiertes, zugekauftes Gemüse mitgeliefert wird. Eine solche Kiste spart außerdem Zeit zum Einkaufen und zwingt dazu, sich mit Gemüsesorten auseinanderzusetzen, nach denen man im Laden selbst nicht gegriffen hätte. Das sorgt für Abwechslung.

Tipp Nummer fünf: Hülsenfrüchte wiederentdecken. Linsen, Bohnen und Kichererbsen galten lange als ziemlich unsexy. Dabei sind sie richtig vielseitig, gesund, günstig – und auch nachhaltig, weil viele auf dem Acker sehr genügsam sind, weil sie als Leguminosen den Boden mit Stickstoff anreichern und weil sie sich getrocknet gut transportieren lassen. Den Ruf als lahme Enten in der Küche tragen sie auch zu Unrecht. Da ist zum einen die Sache mit dem „vorher einweichen“: Bei Linsen ist das schon mal unnötig, und rote bzw. gelbe (also: geschälte) Linsen kochen blitzschnell. Und selbst Bohnen und Kichererbsen verzeihen es, wenn man nicht vorgeplant und sie am Vorabend eingeweicht hat: Im Schnellkochtopf (Dampfdrucktopf) sind sie auch so in unter einer Stunde gar. Eine Stunde – das klingt zwar viel für die schnelle Küche. Aber ich koche Hülsenfrüchte immer in größeren Mengen und friere sie dann portionsweise ein oder hebe sie im Kühlschrank etliche Tage auf, um sie zu verbrauchen. Das eigentliche Essenmachen geht dann ganz schnell.

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Website & Blog von Sabine Schlimm

So, das waren meine Nachhaltigkeitstipps. Ganz generell bin ich mir allerdings nicht sicher, ob wir wirklich auf Dauer alles haben können: super Essen, das wenig kostet, ohne Aufwand auf dem Tisch steht und dann auch noch nachhaltig ist. Immerhin war es genau der Wunsch nach immer größerer Effizienz, der unser Ernährungssystem an den wenig nachhaltigen Punkt gebracht hat, an dem wir jetzt stehen. Weil Lebensmittel billig sein sollten, wurde die Landwirtschaft auf industrielle Methoden umgestellt. Und weil die Essenszubereitung möglichst wenig Zeit kosten sollte, hat uns die Lebensmittelindustrie an Fertig- und Halbfertigprodukte gewöhnt. Beides hatte nachvollziehbare Gründe: Nach dem Krieg sollte niemand mehr hungern müssen; Lebensmittel sollten ausreichend und für jedes Haushaltseinkommen verfügbar sein. Und der Siegeszug der Convenienceprodukte hängt auch damit zusammen, dass immer weniger Frauen den Haushalt als Lebensinhalt betrachteten. Das Kochen musste zwischen Beruf und Freizeit eine Nische finden.

Das alles ist absolut verständlich, und als Feministin wäre ich die Letzte, die hier das Rad zurückdrehen wollte. Aber ich glaube, wenn wir wirklich nachhaltig leben und essen wollen, dann müssen wir dem Essen auch wieder einen größeren Stellenwert einräumen – in unserer Lebenszeit und in unserem finanziellen Budget. Vielleicht kommen wir dahin, wenn wir gutes Essen wieder als Gewinn an Lebensqualität zu schätzen lernen und das Kochen nicht unter dem Aspekt „Bringen wir’s schnell hinter uns“ betrachten, sondern es genau wie das Essen genießen. Schließlich kann es durchaus „Quality Time“ sein, die wir mit anderen oder allein zur Entspannung verbringen.

Katharina: Was ist Dein liebstes und schnellstes Soulfood?

Sabine: Ich bin ein großer Fan von Pasta mit cremigen Saucen, zum Beispiel einer guten Carbonara oder sahniger Tomatensauce. Aber wenn das Bedürfnis nach Seelenfutter spontan zuschlägt, dann findet man mich am häufigsten vor einem überbackenen Brot mit Belag à la Kühlschrankinhalt unter der geschmolzenen Käsehaube. Wenn das dann so richtig schön Fäden zieht, bin ich glücklich.

Katharina: Herzlichen Dank!

Veröffentlicht im November 2019

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