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Katharina Höhnk

Interview Nicole Klauß: Die neue Trinkkultur

Interview zu Die neue Trinkkultur –
Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol
Nicole Klauß
Illustrationen: Andreas Töpfer
Autorenfoto: Volker Wenzlawski
Westend Verlag (2017)

Der Status Quo der alkoholfreien Trinkbegleitung in Restaurants ist ein gefühltes Desaster. Den Gast erwartet blanke Langweile – eine Wahl zwischen Apfelsaft, Wasser, Wasser mit Sprudel und mit Glück einem Kräutertee ist zu treffen. Dann also doch Wein?

Dabei gibt es genug Inspiration. Erst recht mit dem Buch von Nicole Klauß, das den Nerv der Zeit trifft. Ein Gespräch über Tee und Käse, Kombucha mit frischem Grün und einen zweiten Kühlschrank.

Katharina Höhnk: Dein Buch heißt „Die neue Trinkkultur – Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol“. Was ist daran neu? Was begeistert Dich an dem Thema?

Nicole Klauß: Das Thema ist deswegen spannend, weil es – im Gegensatz zum Wein, der ja im Prinzip ein Convenience-Produkt ist, nämlich ein fertiges Getränk – bei alkoholfreien Getränken möglich ist, das Getränk individuell auf die Speise so zuzuschneiden, dass es perfekt dazu passt. Menschen, die keinen Alkohol trinken, müssen also nicht auf den Genuss eines passenden Getränkes verzichten. Neu ist am Pairing-Gedanken, der bei Wein, Bier, Sake ja schon selbstverständlich ist, tatsächlich nur die Tatsache, dass die Getränke keinen Alkohol enthalten.

Katharina: Alkoholfreie Getränk stehen doch schon immer auf den Menükarten der Restaurants?

Nicole: Stimmt, alkoholfreie Getränke sind tatsächlich auf jeder Karte zu finden. Was aber sehr häufig nicht zu finden ist, sind alkoholfreie Getränke, die passen.

Katharina: Man solle das alkoholfreie Getränk „eher als flüssiges Gericht wahrnehmen, das wie ein Satellit die Tellerkreation nach eigenem Ermessen komplementieren kann“, schreibst Du. Hast Du für uns ein genossenes Menü-Beispiel, das sofort Lust macht?

Nicole: Mein neuer Favorit in Sachen Pairing ist im Moment Tee. Tee zu Käse ist zum Beispiel eine tolle Alternative zu Wein. Der warme Tee schmilzt den Käse an und verbindet sich zu einem harmonischen Ganzen. Grüner Tee zum Brie de Meaux. Oder ein Gunpowder zum Schweinebauch. Rauchtee zum Barbecue. Zitronengrastee zum Thai-Curry. Genmaicha zu Ramen. Hojicha zur Sushi. Pu Erh zu dunkler Schokolade.

Katharina: Während das Zusammenspiel von Wein und Speisen in jeder Hinsicht auskommentiert wird, ist dieses mit alkoholfreien Getränken Neuland. Was sind die wichtigsten Grundlagen dafür?

Nicole: Grundsätzlich gilt: Das Gericht ist immer der Star auf dem Tisch – nicht das Getränk. Das Getränk ordnet sich immer unter. Faustregel: Die Speise ist die Queen – und drei Schritte dahinter: Prinz Phillip.

Do’s:
>Warme Getränke passen gut zu warmen und kalten Speisen.
>Fette und deftige Speisen brauchen einen flüssigen Begleiter mit einer frischen Säure und leichten Süße.
>Gerichte mit einem Säureanteil (Essig oder Zitrusfrucht) brauchen einen Begleiter, der einen höheren Säuregehalt hat, damit er mithalten kann.
>Getränke zum Dessert sollten mindestens genau so süß sein wie das Dessert (Ausnahmen: Tee, Milch oder Kaffee).
>Gerichte mit ordentlich Pfeffer können gut ein Getränk mit Zitronensäure begleiten, da in Pfeffer Piperin enthalten ist, das wiederum eine Substanz in sich trägt, die „Limonen“ heißt. Diese Gemeinsamkeit sorgt dafür, dass die Schärfe abgepuffert wird.

Dont’s
>Gerichte mit hohem Säureanteil nicht mit milchhaltigen Getränken kombinieren.
>Salzig und bitter ist eine schwierige Kombination: Roquefort und Tonic – keine gute Idee.
>„Zarte“ Gerichte aus der japanischen Küche, z. B. Sashimi, eher mit stillem Wasser kombinieren, da Kohlensäure die zarten Aromen überlagern würde.
>Vermeiden Sie „Sattmacher“ zum Essen: Smoothie, Lassi und reichhaltige Säfte, wie z. B. Birnen-, Pflaumen- oder Quittensaft, sättigen schnell.

Katharina: In Deinem Buch stellst Du verschiedene alkoholfreie Getränke kulturhistorisch vor, gefolgt von Warenkunde und naturwissenschaftlichen Aspekten. Dabei sind Wasser, sogar Milch, aber auch aromatisiertes Wasser. Wann passt Letzteres? Wie sieht hier das Vorgehen für ein Pairing aus und was ist ein besonderer Twist?

Nicole: Aromatisiertes Wasser ist ein perfektes „Einsteigergetränk“ für den Pairing-Novizen, denn hier kann man eine der einfachsten und zugleich effektivsten Regeln anwenden: die Regel der Ähnlichkeiten. Findet sich ein Aroma in der Speise, kann man es im Getränk wiederholen. Zu Thai-Currys geht gut ein Wasser mit Zitronengras oder ein Ingwerwasser. Zu Saltimbocca – klassisch mit Salbei – kann man frische Salbeiblätter als Infusion anbieten.

Katharina: Kombucha gehört auch zu den von Dir vorgestellten Getränke-Arten. Er kann in einer zweiten Fermentierungsphase aromatisiert werden, schreibst Du. Welche Kombinationen findest Du besonders gelungen und welche sind ideal für die Begleitung von Speisen?

Nicole: Ich bin sehr begeistert von der Version mit Espresso. Dabei wird kein flüssiger Espresso zur zweiten Fermentierungsphase dazugegeben, sondern ich hänge einen Teebeutel mit frisch gemahlenem Espresso für 2-3 Stunden in den Kombucha. Das gibt ein subtiles Aroma, das super zu Desserts passt. Gut für Empfindliche in Sachen Koffein: Hier hat man den Geschmack vom Kaffee, aber nur wenig Koffein im Glas. Eisgekühlt zur Mousse au Chocolat – ein Traum. Das geht auch mit Wasserkefir – und ist fast noch ein bisschen besser.

Kombucha mit frischem Grün – auch immer eine gute Wahl: Bronzefenchel, Koriander (durch die Süße super zu asiatisch-scharfen Speisen, Minze, Zitronenmelisse.

Katharina: In Deutschland keimt Dein vorgestelltes Thema erst, um es motiviert auszudrücken. Wo ist man schon weiter und wer sind die Pioniere?

Nicole: Skandinavien. USA. Australien. René Redzepi im „Noma“, Nick Duble im „Atera“ in New York, Ambrose Chiang im „Momofuku Seiobo“ und Dane Reid im „Spice Temple“ in Sydney. In Deutschland kommt das jetzt langsam in Fahrt.

Meine Theorie: Länder mit einer langen Weinkultur in der Alten Welt tun sich schwer mit der alkoholfreien Begleitung. Da ist der Alkohol schon so lange das begleitende Getränk, sodass ein Umdenken erforderlich ist. Und wie es so ist mit lieb gewonnenen Gewohnheiten: die legt man nicht so schnell und gerne ab. Das grundsätzliche Problem in Deutschland scheint mir aber: Die Gastronomen warten, dass der Gast danach fragt – und reagieren dann erst.

Nur wenige, wie zum Beispiel Tanja Grandits, Nils Henkel, Ivo Ebert, Sebastian Frank oder Marco Müller, gehen proaktiv an die Sache ran, experimentieren, kreieren Getränke und sprechen die Gäste an. Es entgeht dem Restaurant so wertvoller Pro-Kopf-Umsatz – es ist eben ein Unterschied, ob ich den Gast sechs Gänge lang mit einem Wasser für 5,50 Euro „beglücke“ oder ob ich zu jedem Gang ein anders Getränk für 5–10 Euro pro Glas anbiete. Damit und in der Kombination mit ein bisschen PR zu dem Thema hat man dann auch die Personalkosten schnell wieder drin – das ist ja auch so eine Sorge der Gastronomen.

Katharina: Wenn man jetzt in Deinen Kühlschrank schaut, welche selbst gemachten Getränke wird man dort entdecken?

Nicole: Diverse Sirupe. Wasserkefir mit Espresso – im Kühlschrank ist die Fermentation verlangsamt. Außerdem Experimente mit Kombu-Algen für Getränke mit Umami, ein Tomatenshrub und Kombucha mit grünem Tee und Honig, auch Jun Tee genannt. Wir denken ernsthaft über die Anschaffung eines zweiten Kühlschranks nach …

Katharina: Mit dem Buch „Die neue Trinkkultur“ bist Du nun erst recht Expertin für das Thema. Für uns Interessierte: Wo können wir von Dir lesen, lernen oder Deine Kreationen für alkoholfreie Begleiter genießen?

Nicole: Auf dem Blog zum Buch stelle ich immer mal Getränke vor oder beschreibe Restaurantbesuche mit alkoholfrei begleiteten Menüs. Bei Goldhahn & Sampson in Berlin gebe ich regelmäßig Workshops. Andere Veranstaltungen sind in Planung – sobald Ort und Datum feststehen, werden die Infos auch auf dem Blog stehen. Wer möchte, kann sich von mir auch beraten lassen, wenn für zu Hause ein mehrgängiges Menü geplant wird und da ein bisschen Inspiration benötigt wird.

Katharina: Meinen herzlichsten Dank!

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Veröffentlicht im September 2017

2 Kommentare

  1. Ulrike

    Hallo und danke für diesen Beitrag! Eine super Buchidee, längst überfällig. Das Buch werde ich mir gleich bestellen, und ich weiß auch schon mindestens drei Freunde, denen ich es bei nächster Gelegenheit schenken möchte!

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