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Katharina Höhnk

Interview: Maria Schiffer über „Eating with Africa“

Interview zu: Eating with Africa – Meine
Reise durch die afrikanischen Küchen.
Ein Kochbuch mit Geschichten
Maria Schiffer
Dorling Kindersley Verlag (2020)
Mehr über den Verlag

Maria Schiffer ist Autorin des Kochbuchs „Eating with Africa“. Sie bereiste dafür zehn afrikanische Länder wie Malawi, Uganda und Sierra Leone. Ihre Idee war es, ein Kochbuch mit Rezepten von normalen Afrikanerinnen und Afrikanern zu machen, sie ihre Geschichte erzählen zu lassen und den Kontinent durch das Essen zu verstehen. Gelungen ist ein einzigartiger authentischer Blick auf den Kontinent.

Katharina: Auf deinen Reisen in Afrika hast Du fremde Menschen angesprochen, ob sie mit dir gemeinsam kochen. Wie haben sie reagiert?

Maria: Es war wie Magie – je weniger ich plante, umso besser fügte sich alles. Manchmal hatte ich Unterstützung vor Ort, einen Kontakt, manchmal nicht. So wie in Namibia. An einem Sonntag habe ich einfach an eine Haustür geklopft – es war das einzige Haus in einem Umkreis von vier Kilometern. Die nächste Stadt war 45 Minuten Autofahrt entfernt. Ich klopfte also an und fragte: „Ich mache ein Kochbuch, kann ich mit euch kochen?“ Die Antwort war: „Komm rein, wir schlachten gerade eine Ziege.“ So lud mich die 54-jährige Lucrecia Hoeses in ihr Haus ein. So ist das Rezept für Ziegenfleisch mit Reis in das Kochbuch gekommen.

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa

Diese unkomplizierte und gastfreundliche Begegnung war nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Nicht einmal ist es passiert, dass ich abgelehnt wurde – ich, eine komplett Fremde, wurde immer und überall mit offenen Armen empfangen.

Meine Idee war, Afrika persönlich zu zeigen, anhand von Geschichten in der Küche. Das gemeinsame Kochen und die Frage nach Rezepten waren daher ein Türöffner für mich. Essen ist ja eine universelle Sprache, die verbindet. In dem Kochbuch „Eating with Africa“ stehen letztlich die Menschen, mit denen ich gekocht habe, im Vordergrund. Deswegen ist dieses Buch mehr als ein Kochbuch. Es ist auch ein Reisebuch mit persönlichen Geschichten über die Menschen oder Familien, mit denen ich zusammen gekocht habe. Das macht dieses Buch so einzigartig. Ich wollte das Thema Afrika für alle zugänglich machen.

Katharina: Was bedeutet Kochen sozial betrachtet in Afrika?

Maria: „Cooking takes time“, hatte mir eine Frau in Sierra Leone gesagt. In Afrika isst und kocht man zusammen und man nimmt sich Zeit dafür. Von klein auf hilft man in der Küche, ich habe sogar erlebt, dass auch Männer ihren Teil dazu beigetragen haben. In São Tomé und Príncipe zum Beispiel haben zwei Männer, Palmweinmacher, für mich eine Mahlzeit zubereitet aus frischer Palmfrucht und Schnecken, während ihre Frauen und Kinder am Rande mithalfen.

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa

Die Küche ist das Zentrum des Lebens, hier kommt man zusammen, um sich auszutauschen und zu kommunizieren. Bevor ich dieses Projekt angefangen habe, hatte ich mich selber gefragt, wie oft ich schon alleine gegessen habe – viel zu oft. Jedes Mal, wenn ich nun auf afrikanischen Boden lande, fühle ich mich wie befreit – Menschen kommunizieren wieder miteinander. Es ist anders als hier in Deutschland, wo jeder für sich lebt. Ich habe gelernt, dass vieles vom gesellschaftlichen Leben sich in der Küche widerspiegelt.

Katharina: Afrika ist vielfältig. DIE afrikanische Küche gibt es nicht. Welche Kontraste an Kochkultur hast du erlebt?

Maria: In Sierra Leone zum Beispiel sind Reis, Maniokblätter, Süßkartoffelblätter, Palmöl, getrockneter Fisch und Chili unverzichtbar in der Küche. Ein absolutes Lieblingsgericht dort ist „Cassava leaves“ (Maniokblätter) mit Fisch oder Fleisch gekocht. Wenn das nicht auf dem Speiseplan steht, dann gibt es stattdessen Süßkartoffelblätter in Palmöl gekocht. Diese zwei Gerichte werden wiederholt in der Woche gegessen. Dabei darf Reis nie fehlen.

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa

Am Horn von Afrika dagegen sind die Grundnahrungsmittel ganz andere. Fast überall in Äthiopien wird jeden Tag „Injera“ gegessen, ein Sauerteigfladen zubereitet aus dem Landesgetreide Teff. In fast jeder Küche steht eine dafür besonders konstruierte Kochplatte. Denn um die Fladen zuzubereiten, brauchst du die perfekte Temperatur, den passenden Deckel und die richtige Plattengröße. Je nachdem, ob es Fastenzeit ist oder nicht – mittwochs und freitags gibt es kein Fleisch in der orthodoxen Küche –, isst man Injera mit Fleisch, Gemüse oder Hülsenfrüchten. Und immer mit der Hand.

Wenn wir dann aber nach Uganda schauen, existiert Injera nicht. Das ist erstaunlich, denn das Land grenzt fast an Äthiopien. Die Küche Ugandas ist vielfältig, aber was nie fehlen darf, das sind Bananen. Man sagt, dass die Ugander die meisten Bananen pro Kopf essen. Ich spreche aber nicht nur von süßen Bananen, so wie wir sie kennen. Denn es gibt allein in Uganda an die 30 verschiedene Sorten. Die Kochbanane dort ist eine der Lieblingssorten.

Eines meiner Lieblingsrezepte aus Uganda ist „Rolex“. Es besteht aus einem gewürzten Chapati (Fladen) mit einem Omelett und Tomaten. Es wird zusammengerollt zum „Rolex“. Es ist so einfach und so gut – ein Klassiker aus Uganda. Wenn du mal das Land besuchen solltest, musst du es mal probieren!

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa
Katharina: Das klingt so lecker. Das werde ich! Eine andere Frage: Authentische Küche hat auch immer etwas mit den Gegebenheiten vor Ort zu tun. Welches Rezept hat dich vor Herausforderungen gestellt, als du es für das Kochbuch hier zubereitet hast?

Maria: Da fällt mir eines sofort ein. Eines meiner ersten Rezepte für das Buch war ein Maismehl-Bananen-Kuchen aus Malawi. Eine Familie hatte es mir um 7:00 Uhr zum Frühstück serviert. Er wird über offenem Feuer mit Ober- und Unterhitze zubereitet. Er schmeckte so gut: diese leckeren Röstaromen, außen knusprig und innen weich – yum. Aber als ich ihn zu Hause nachbacken wollte, gelang er nicht. Ich hatte keine Maßangaben. Anhand meiner Notizen und des Filmmaterials versuchte ich das Rezept für die hiesige Küche nachzuahmen, aber es klappte nicht

Ich stellte irgendwann fest: Ein Backofen ist eben nicht das Gleiche wie ein Feuer. Nach mindestens fünf Versuchen habe ich mich entscheiden, ein nur angelehntes Rezept zu entwickeln. Es ist zwar nicht das mit den Röstaromen, was ich in Malawi gegessen habe. Geblieben sind aber die typischen Zutaten. Der Geschmack bringt für mich persönlich das Malawi-Erlebnis zurück. Spannend war, dass dieser Kuchen mich letztlich gezwungen hat, mein erstes eigenes Rezept auf Papier zu bringen.

Katharina: Welche Länderküche auf deinen Afrika-Reisen fandest Du besonders spannend?

Maria: Jedes Land war spannend auf seiner Art! In jedem fand ich mir Unbekanntes auf dem Wochenmarkt. Aber natürlich gab es ein paar prägende Momente wie in Madagaskar, als ich überall Reis sah. Da hatte ich das Gefühl, durch Asien zu reisen. Tatsächlich kam der Reis vor ca. 2000 Jahren aus Asien nach Madagaskar. Jetzt gibt es keine Mahlzeit ohne ihn.

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa

Aus Madagaskar kommen auch zwei meiner Lieblingsrezepte des Buches „Eating with Africa“. Das eine heißt Ravitoto, ausgesprochen Ravitutu, mit in Kokosmilch gekochten Maniokblättern und mariniertem frischem Fisch.

Den madagassischen Hühnereintopf mit Kokosreis lernte ich bei einer anderen Familie kennen. Lag es an den frischen Kokosnüssen, den Mengen an Knoblauch, der Umgebung oder daran, dass ich gänzlich keine Erwartung hatte? Wahrscheinlich alles zusammen. Auf jeden Fall war ich im Himmel des Geschmacks, als ich ihn probierte. Ganz große Küche!

Katharina: Wie hat sich dein Bild über Afrika verändert?

Maria: Ich hatte keine große Ahnung von Afrika, bevor ich dieses Buch-Projekt begonnen habe. Kurioserweise nahm ich aber an, dass ich viel wüsste. Denn hier in Europa wird ein klares Bild von dem Kontinent vermittelt. Aber es ist leider auch ein sehr einseitiges.

Kochbuch von Maria Schiffer: Eating with Africa

Jetzt, da das Buch fertig ist, ist das Einzige, das ich weiß, dass ich eigentlich gar nichts weiß. Es gibt so viel, was ich noch lernen muss, wie soll ich einen Kontinent mit 54 Ländern und 1000 Kulturen auf 240 Seiten Buch zusammenfassen? Alleine Südafrika hat elf Amtssprachen, in Äthiopien leben mehr als 80 verschiedenen Ethnien! Mit „Eating with Africa“ fange ich gerade erst an.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Angst. Viele Menschen, mit denen ich hier in Deutschland gesprochen habe, halten zum Beispiel Sierra Leone für ein gefährliches Land, wie Du zum Beispiel in unserem Vorgespräch. Der Bürgerkrieg endete aber 2002 – das ist ganze 18 Jahre her. Die Menschen in Sierra Leone haben viel durchgemacht und dennoch habe ich sie zum Teil als die tollsten und freundlichsten Menschen auf dem Kontinent kennenlernen dürfen. Noch dazu ist das Land sicher und ist mit wunderschönen Stränden und Landschaften gesegnet.

Es gibt so viel in Afrika zu entdecken. Wenn man außerdem will, wird man die tollsten und prägendsten Erfahrungen machen mit den Menschen. So erging es mir zumindest.

Katharina: Wie hat Afrika Dein Kochen zu Hause verändert?

Maria: Ich habe viele neue Gewohnheiten mitgebracht. Ich mische zum Beispiel jeden Morgen Baobabpulver, eine Art Superfood aus den Früchten eines Baumes, in mein Frühstück. Ich habe es aus Zambia, Malawi und Madagaskar mitgebracht. Denn 20 Gramm davon decken knapp 60 Prozent des täglichen Vitamin-C-Bedarfs.

Auch koche ich Sonnenblumenmehl mit grünem Gemüse und Bohnen seit meinen Reisen unglaublich gerne. Das habe ich von den Karamajong, einem halbnomadischen Hirtenvolk, in Uganda gelernt. Es ist nicht nur lecker, sondern super gesund. Das Rezept findet sich auch im Buch. Auch Kokosmilch selber zubereiten ist für mich selbstverständlich. Wie das gelingt, kann man auch in meinem Buch nachlesen.

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Das Lustige ist, ich bin ja eigentlich Fotografin. Ich liebe es zwar, zu essen, aber Kochen war nie mein „Ding“. Für das Projekt „Eating with Africa“ stehe ich jetzt oft am Herd, teste und probiere und koche sogar live auf meinem IG-Kanal! Manchmal schaue ich von außen darauf und muss lachen: Nie hätte ich gedacht, dass ich irgendwann in der Küche landen würde.

Am Ende ist es nicht nur das Kochen, das mich erstaunt, sondern dass ich immer wieder vor neuen Herausforderungen stehe, die ich meistern muss. Das war bereits während der Reise so. Dann denke ich: „Ich kann das“, auch wenn ich in dem Moment eigentlich nicht mal weiß, wie. Aber ich habe gelernt: Jeder kann viel mehr, als er denkt, und das gilt auch für mich. Ich habe ein Buchprojekt gestartet, ohne mich zuerst um einen Verlag zu kümmern, über einen Kontinent, für den sich angeblich keiner interessiert. Daraus wurde ein Kochbuch, ohne dass ich Köchin bin. Mittlerweile weiß ich, dass – wenn man loslässt und seiner inneren Stimme folgt – alles möglich ist. Das ist wahrscheinlich die größte Lehre, die Afrika mir beigebracht hat.

Katharina: Vielen herzlichen Dank!

Veröffentlicht im Juli 2020

2 Kommentare

  1. Jessica

    Sehr interessantes Interview, vielen Dank dafür. Dieses Kochbuch muss ich mir definitiv genauer anschauen.

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