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Katharina Höhnk

Interview Isabel Lezmi: Yemek – Rezepte aus Istanbul

Yemek – Rezepte aus Istanbul, Isabel Lezmi, Lisa Rienermann, Veronika Helvacioglu, Edel Verlag (2015)

In diesem Sommer ist eine besondere Perle auf dem Kochbuchmarkt erschienen – Yemek – Rezepte aus Istanbul. Urheberinnen sind Isabel Lezmi, Lisa Rienermann und Veronika Helvacioglu. Welche Geschichte hinter diesem „Buch wie ein Ferientag am Bosporus“ steht, erzählt uns Isabel.

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Katharina: Isabel, Du bist mit Deinem Mann für drei Jahre nach Istanbul gezogen. Wie kam es dazu?

Isabel: Wir wollten beide dem festen Trott in Köln einmal für eine Zeit entfliehen und hatten eigentlich immer Beirut als Ziel im Kopf (als mein Mann ein Auslandssemester im Libanon gemacht hat, haben wir Beirut lieben gelernt). Die (politische) Lage dort schien mir aber auf lange Sicht zu unsicher und so haben wir nach einer aufregenden und günstigen Stadt gesucht, die uns in eine fremde Kultur entführt – da lag Istanbul nahe!

Katharina: Erzähle bitte von den ersten Wochen nach der Ankunft in kulinarischer Hinsicht. Was für eine Wirkung hatte die Stadt auf Dich? Was empfandest Du als wohltuend anders?

Isabel: Anfangs war ich in fast jeder Hinsicht ziemlich überfordert. Ich erinnere mich an einen Einkauf im Supermarkt bei dem ich ganz verzweifelt nach Dosentomaten für eine Pastasauce gesucht habe. Damals wusste ich noch nicht, dass die Türken stattdessen salça (eine Art Tomatenmark) nehmen. Und dann war auch noch die Milch ausverkauft. So was kennt man bei uns ja gar nicht mehr, dass es etwas mal einfach nicht mehr gibt.

Überhaupt mochte ich unseren winzigen, vollgestopften Supermarkt um die Ecke mit seiner Minimal-Auswahl an Joghurt etwa: zwei verschiedene Marken, normal und fettarm. Das war’s. Selbst heute noch überfordert mich das Joghurtregal in deutschen Supermärkten total.

Katharina: Die türkische Küche steht hierzulande weniger für das gehobene Segment. Was hast Du vor Ort vorgefunden? Wie steht es um den Zustand des Handwerks und der Qualität der Zutaten?

Isabel: In Istanbul gibt es sehr viele kleine Lokale, die für eine ganz besondere Speise bekannt sind: um leckere Bohnen in Tomatensauce zu essen, geht man zu einem bestimmten Laden, für einen guten lahmacun zu einem ganz anderen und für gutes iskender kebap fährt man schon mal auf die asiatische Seite.

Die Türken lieben ihre Küche und sind sehr kritisch, wenn die Qualität nicht stimmt. Anfangs fand ich das übertrieben, aber kurz nach meiner Rückkehr war ich hier lahmacun essen und als mir dann ein lauwarmer, labbriger, gerollter Fladen mit in Sauce ertränktem Salat darin serviert wurde, hätte ich fast geweint.

Das kann man nur verstehen, wenn man bei Borsam in Kadıköy schon mal den besten lahmacun der Stadt gegessen hat: direkt aus dem Ofen, saftig und knusprig zugleich, dazu frische Petersilie, etwas pul biber (Paprikaflocken) und einen eiskalten Ayran! Mmmmhhh! So muss es sein. In mir wohnt also mittlerweile auch schon ein kleiner, türkischer Genuss-Fetischist.

kochbuch-yemek-rezepte-aus-istanbul-5-valentinasKatharina: Bei vielen Einzelhändlern einkaufen, bedeutet viel Zeit. Nimmt man die sich in der Türkei noch?

Isabel: Es wird einem ziemlich leicht gemacht, denn man kann sich zumindest in Istanbul alles liefern lassen: Das geht vom einzelnen Döner (klassische Lieferservice haben meist einen sehr niedrigen Mindestbestellwert) über riesige Kanister voll Trinkwasser (das Leitungswasser kann man nicht trinken) bis hin zu einer Flasche Wein direkt beim Büdchen gegenüber. In letzterem Fall schreit man das vorher ausgemachte Codewort für Alkohol (der ja immer mehr geächtet und extrem hoch besteuert wird) quer über die Straße. Dann kommt gleich der Laufbursche mit dem Wein in einer Papiertüte angerannt, wohnt man wie wir im 3. Stock, lässt man seinen sepet, einen kleinen Korb samt Geld an einer Schnur herunter und zieht sich dann das Bestellte hoch in die Wohnung. Sehr, sehr praktisch. Auch der nette Mann mit seinem LKW voller Tomaten und Kartoffeln bediente mich so.

Morgens weckte uns der Sesamkringelverkäufer mit seinem ruf „Simiiiit, simiiiit, sıcak simiiiiit“. Und wenn ich schnell genug war, und er mich hat vom Balkon brüllen hören, dann gab es schon frühmorgens ofenfrische Simits bei uns, ohne, dass wir dafür auch nur die Schuhe anziehen mussten!

Wenn unten ein Pferdekarren mit Wassermelonen anhielt, mussten wir allerdings runterlaufen, dafür war das Körbchen dann doch nicht stabil genug. Aber das war immer noch praktischer als die schwere Melone vom Markt bis nachhause zu schleppen. Wobei man sich auf den Märkten selbst „Schlepper“ mieten konnte: starke Männer mit Rucksäcken aus Bast, in die sie alle Einkäufe luden und einem bis nachhause trugen. Das hab ich nie genutzt, aber so ein sepet fehlt mir schon (wir wohnen auch in Köln im 3. Stock ohne Aufzug).

Katharina: Ist die türkische Küche mit ihrer starken Tradition für Einflüsse und Wandel offen? Was war Dein Eindruck in Istanbul?

Isabel: In Istanbul gibt es kaum erschwingliches Fast Food, das nicht türkisch ist. Pizza essen oder mal zum Thailänder gehen, ist dort ein echtes Happening und ziemlich teuer. Einige der gehobeneren türkischen Restaurants versuchen die starken, kulinarischen Traditionen aufzubrechen, tun das aber so vorsichtig, das ich oft schmunzeln musste: dann gibt es viel zu dezent gewürzte Rosmarin Köfte, einen Spargel (ziemlich unbekannt in der Türkei) zum Salat oder einen Klecks Sauerrahm zum Lammgulasch. Ganz Mutige füllen die mantı mit Pilzen statt Fleisch.

Eine große Ausnahme ist das Restaurant Neolokal in Karaköy: Das beste Menü während meiner Zeit in Istanbul habe ich dort gegessen. Ich hoffe, dass sich diese junge, moderne und mutige türkische Küche weiter verbreitet!

kochbuch-yemek-rezepte-aus-istanbul-2-valentinasKatharina: Euer Buch ist konzeptionell entlang eines Tages ausgerichtet. Warum habt ihr Euch dafür entschieden?

Isabel: Wir hatten wirklich sehr viel Besuch in Istanbul und haben auch allen Freunden immer eine oder mehrere Stadttouren gegeben. Die haben wir stets variiert, damit uns selbst nicht langweilig wird und sind so zu super Stadtführern geworden. Besonders meine Co-Autorin Lisa Rienermann fand das klasse und von ihr kam auch die Idee, dass wir das Buch wie einen Ferientag in Istanbul aufbauen. (Bild links, r.v.l.: Lisa Rienemann, Isabel Lezmi, 
Veronika Helvacioglu
)

Katharina: Besonders gefällt mir an Eurem Buch, dass es einerseits voll und ganz ein Kochbuch ist, dass es in erzählerischer Hinsicht aber die Kultur durch Details offenbart. Ein Beispiel ist die Sprache. Entzückt war ich von dem Kompliment für ein gutes Essen: „eline saglik“. Übersetzt: Man wünscht den Händen der Köchin oder des Kochs Gesundheit.

Isabel: Ein weiteres schönes Beispiel ist fıstık, das heißt Erdnuss und so wurde meine kleine Tochter oft auf der Strasse genannt. Also so in etwa „Du, süßes Nüsschen, du!“, fand ich sehr charmant. Außerdem findet man gerade im Kulinarischen in der türkischen Sprache viele französischstämmige Wörter, die im Türkischen eine sehr lustige Schreibweise haben z.B. „frambuaz“ (Himbeere) oder „milföy“ (Mille feuille).

Katharina: Was war Eure Leitlinie für die Rezeptauswahl und wie authentisch sind die Gerichte? Aufgefallen war mir die Nusspizza angelehnt an Lahmacun mit Nüssen statt Hackfleisch? Liegt dem Eure Autoren-Freiheit zugrunde oder ist das Thema Veggie als Lebenshaltung auch in der Türkei angekommen?

Isabel: Meine Co-Autorin Lisa ist ja Vegetarierin, da lag es für uns persönlich (ganz im Gegensatz zum türkischen Lifestyle) natürlich auf der Hand viele Gerichte zu „entfleischen“ und der Verlag fand diesen Ansatz auch gut. Wir haben uns also einiges rausgenommen und den nussigen lahmacun einfach frei erfunden.

Viele Rezepte sind echte Klassiker wie die gefüllten Auberginen oder die Linsennocken. Bei anderen haben wir unserer Kreativität freien Lauf gelassen, etwa bei den süßen Yufka-Röllchen, eine Art schneller, türkischer Apfelstrudel, den ich so auch noch nie in der Türkei gegessen habe, aber durchaus empfehlen kann!

Katharina: Über Portulak schreibt ihr, dass die Istanbuler geradezu der Saison ab März entgegenfiebern. Hier gibt es ihn nur sehr selten zu kaufen. In welchen Rezept-Varianten habt ihr ihn in Istanbul gegessen und fandet ihn besonders empfehlenswert?

Isabel: Ich mag ihn ja besonders gerne einfach nur als Salat, habe ihn in Istanbul aber auch schon als meze (kleine Vorspeise) mit viel Joghurt gegessen oder auch warm im Eintopf. Ein tolles Gemüse! Sollte man unbedingt kaufen, wenn es einem begegnet. Oder selber anpflanzen…

kochbuch-yemek-rezepte-aus-istanbul-4-valentinasKatharina: Was ist Dein Eindruck vom türkischen Kochbuchmarkt? Werden viele Bücher ins Türkische übersetzt und gibt es interessante Eigenproduktionen?

Isabel: Mein sehr subjektiver Eindruck ist, dass es nur wenig türkische Kochbücher gibt, die den Tanz aus der Reihe wagen. Meist ist das Konzept klassisch türkische Küche in klassischer Verpackung. Wirklich überraschend Neues findet man selten und auch englischsprachige Kochbücher werden nur sehr wenig übersetzt. Da geht also noch einiges …

Einen kreativen Anfang macht Foodblogger Cenk Sönmezsoy vom Blog Cafe Fernando mit seinem Backbuch, das hat dann aber doch nur noch ganz am Rande mit türkischer Küche zu tun.

Katharina: Wie hat sich Dein Kochen durch den 3-jährigen Aufenthalt verändert?

Isabel: Ich koche sehr viel mit Joghurt, das habe ich früher nie gemacht. Bei uns steht immer so ein kleiner Eimer fetter, türkischer Joghurt im Kühlschrank und oft tue ich auch einfach einen Klacks auf den Teller, wenn mir etwa die Kartoffelpfanne etwas zu trocken geraten ist.

Und tahin (Sesampaste) ist auch immer im Haus! Außerdem schäle ich Tomaten auch für den Tomatensalat. Und ich habe ein Faible für getrocknete Aprikosen entwickelt (machen sich auch prima in Eintöpfen).

Katharina: Welche Mitbringsel aus Istanbul hast Du immer im Koffer?

Isabel: Pistazienpulver, das streue ich dann über alles Mögliche wie etwa Obstsalat, Kuchen, Suppen oder Salate.

Katharina: Kommen wir noch zu Deinem aktuellem Blog-Projekt. Du hast Neues vor. Willst Du schon davon erzählen?

Isabel: Meine Tochter ist ja während unserer Zeit in Istanbul geboren und hat seitdem meine Kochroutine ziemlich durcheinander gewirbelt. An Kochen, wie ich es gewohnt war, war gar nicht zu denken. Zum Glück ändert sich das jetzt gerade wieder (das Kind ist in der Kita, juhuu!) und ich habe große Lust einen Familienkochblog zu starten – mit sehr alltagstauglichen Rezepten, die den Kindern und vor allem auch einem selbst richtig gut schmecken. Ich gebe Bescheid, wenn es soweit ist …

Katharina: Vielen Dank!

Veröffentlicht im August 2015

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