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Katharina Höhnk

Interview Surdham Göb: Vegane Superfoods

Vegane Superfoods
Surdham Göb, Fotos Oliver Brachat
AT-Verlag (2013)
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Surdham Göb ist Koch, Surfer, Reisender und Autor. Das erzählt alleine schon viel, aber seine Kochbücher können noch mehr berichten. Sein erstes becircte jeden Skeptiker der veganen Küche, aber sein neues verspricht zudem aromatische Abenteuer. Zeit für ein Gespräch – über Superfoods, die Wirkung von Desserts und explodierende Herdplatten.

Katharina: In Deinem neuen Kochbuch stehen Superfoods im Mittelpunkt. Dabei sind Zutaten wie Maca, Camu-Camu und Chia Samen. Von den meistens habe ich noch nie etwas gehört. Was zeichnet sie aus oder provokant gefragt: Sind sie nicht nur modischer Schnickschnack? 

Surdham: Für mich haben sie einen besonderen Benefit, für den es sich lohnt, mal was Neues auszuprobieren. Klar sind Superfoods, Rohkost und Veganismus bei uns in Deutschland mit einem starken Hype behaftet. Aber ich denke, dass es sich auch bald wieder beruhigen wird. Für mich sind die Superfoods nicht neu. Ich esse sie seit einigen Jahren. Jetzt ist es leicht geworden, sie auch bei uns zu kaufen – eine Folge des Gesundheits-Trends. Ich finde es daher spannend sie vorzustellen, damit man weiss, was man mit ihnen machen kann. 

Camu-Camu ist z. B. einfach super. Es hat so viel Vitamin C. Es ist aromatisch Zitronen und Orangen ähnlich – nur in Pulverform. Aus meiner Sicht ist es ökologischer als die Früchte aus dem fernen Süden zu importieren.

Katharina: Denk einmal an eine Leserin, die nicht experimentierfreudig ist. Welches der Superfoods sollte sie unbedingt ausprobieren? Und was sollte sie zunächst damit machen?

Surdham: Genau für sie haben wir das Buch gemacht, genau darum geht es darin. Das exotisch Wirkende einfach darzustellen und zu zeigen, was man damit machen kann – das war unser Ziel.

Für mich persönlich ist die rohe Kakaobohne das Spannendste. Sie ist die Grundzutat von Schokolade. Die Bohne wurde aber nicht stundenlang conchiert und mit Kristallzucker versetzt, sondern ist die pure Kraft des Dschungels. Sie macht wach, hat viele Spurenelemente und schmeckt ganz anders als Schokolade. So lecker und toll. Beim ersten Mal einfach in den Mund stecken und darauf beissen.

Katharina: Bei Deinem Buch kommt zusammen, was sonst nie so recht will. Deine Rezepte sind einerseits sehr sinnlich – man möchte in die Küche laufen. Andererseits bringst Du einen gesundheitlichen Aspekt ein. Woher kommt diese Sicht auf das Essen?

Surdham: Nach einer recht langen Findungsphase, in der ich nie recht wusste, was ich werden will, habe ich herausgefunden, das ich schon bin, was ich gerne wäre. Ich habe immer vegan gekocht, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei habe ich mich für den gesundheitlichen Aspekt interessiert und habe Essen als Primärmedizin gesehen. Der alte Spruch „Du bist, was du isst!“ ist zwar ausgelutscht, aber die Wahrheit darin ist mir wichtig. Gesundes, farbenfrohes, abwechslungsreiches, nahrhaftes und dabei leckeres Essen ist mein Ziel.

Ein Beispiel: Ich achte auf das Wetter und die Stimmung des Tages, wenn ich im Restaurant oder für größere Gruppen von Menschen koche. Das funktioniert sehr gut und ich habe viel Erfolg dabei. Denn wenn man gegessen hat, soll man Energie haben und nicht schlapp und müde werden.

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Katharina: Du bist Koch und bist in Deiner Familie nicht alleine mit der Profession. In unserem Vorgespräch erzähltest Du, dass Du schon die x-te Generation Gastronom bist. Könntest Du die Zahl bitte nochmal für die Leser wiederholen und auch erzählen, wie man zwischen so viel profundem Kochwissen aufwächst? Nervt das auch mal?

Surdham: Mütterlicherseits bin ich die fünfte Generation in der Küche, väterlicherseits die dritte. Meine Mutter kommt aus einem Südtiroler Hotelbetrieb. Sie war in Italien Lehrerin an der Hotelfachschule und hat in Deutschland einen italienischen Feinkost-Partyservice betrieben. Mein Vater, der zwar Arzt geworden ist und als Anästhesist im Herzzentrum gearbeitet hat, stammt eigentlich aus einer Konditorfamilie. Mein Urgrossvater war Konditormeister und meine Grossmutter hat bei ihm mitgearbeitet. Eine Generation später bin ich dann in der Backstube gelandet.

Als Kind durfte ich schon sehr früh an den Herd. Ich durfte mit Messern hantieren und viel Zeit in der Küche verbringen. Für mich war das ein Spiel-, kein Arbeitsplatz und das hat sich bis heute nicht verändert. Mich interessiert immer, wie was in der Küche funktioniert. Wie bekommt man bestimmte Konsistenzen, Farben etc. hin? Ich freue mich über jedes vernünftige und neue Rezept, das ich aufschnappe, und jede Zubereitungsart, die ich kennenlerne.

Zurück zu Deiner Frage: Nein, genervt hat mich das nie. Ich liebe das Essen, Kochen, Backen und auch das Putzen, was unweigerlich damit einhergeht.

Katharina: Deine kulinarische Biografie ist anhand Deiner Rezepte in dem Kochbuch „Vegane Superfoods“ kaum auszumachen. Denn neben dem Aspekt des Veganen finden sich so viele kulinarische Einflüsse, dass man Dich kaum verorten kann. Also, mal ehrlich, nur München kann nicht Dein Zuhause gewesen sein?

Surdham: Hahahaha! Ja, ich war viel unterwegs in der Welt, in der ganzen Welt und ich bin dankbar, dass ich dabei von meiner Familie unterstützt wurde. Nachdem es die Ausbildung, die ich machen wollte, einfach nicht gab, musste ich mir anders behelfen. Veganer Koch und auch noch mit gesundheitlichem Interesse – also nicht nur der Veganisierung von klassischen Speisen – das gab es ja nicht. Nur in New York hätte es damals eine vegetarische Ausbildung gegeben, aber das passte aus anderen Gründen nicht.

Das Tolle an der Gastronomie ist, dass wenn du etwas kannst und es auch noch zeigst dann findest du ganz einfach Arbeit. Man sieht einem Koch, der neu anfängt, nach fünf Minuten an, ob er gut ist. So habe ich mit 19 Jahren als Chefkoch angefangen und habe mir, bis ich knapp dreißig war, jedes Jahr längere Auszeiten genommen. Ich habe zwei Mal ein ganzes Jahr ausgesetzt, öfter mal ein halbes Jahr, um Neues zu lernen, verschiedene Jahreszeiten auf der ganzen Welt zu erleben. 

Ich wollte dahingehen, wo die Menschen kulinarisch das als normal betrachten, was ich als normal empfand. In Europa ist vegane Küche seit den 80er Jahren ein Begriff. Bei den Indern und Japanern gibt es das wohl schon seit tausenden von Jahren. Es war dort eine Ernährung der Oberklasse bzw. der Mönche und „Heiligen“. Ich war es leid, hier gegen Windmühlen zu arbeiten, ich wollte in Genuss meine Leidenschaft für das Essen erleben, ohne dabei zu kämpfen. Die Veganer in Europa haben so viel gekämpft: gegen Massentierhaltung, gegen Tierversuche, gegen McDonalds, gegen Nestle und die Lebensmittelindustrie und den ganzen Wahnsinn, die diese betreibt.

So habe ich mir Flugtickets gekauft, in Deutschland hart und viel gearbeitet, um mir Auszeiten zu erlauben. Und dann habe ich so lange wie möglich das Land verlassen und bei der Rückkehr neu angefangen. Durch den Neuanfang war es einfach, das Erlernte einzubringen quasi als „Fresh start“ ohne alte Strukturen – neue Arbeit, neue Wohnung etc.

Ich habe über die Jahre verteilt drei Jahre in Indien verbracht, über ein Jahr in Indonesien, ein halbes Jahr in Hawaii, sechs Monate in Paris. Meine Reisen haben mich auf alle Kontinente dieser Welt gebracht. Nur Südamerika kommt erst dieses Jahr dran. Die verschiedenen Kulturen und Einflüsse haben mich stark geprägt. Die Welt ist so vielfältig und überall funktioniert sie anders. Es gibt andere Prioritäten, andere Systeme und doch funktioniert sie überall einfach gut.

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Katharina: Interessant finde ich auch Deine Back- und Dessertrezepte. Meistens schwächelt ja so ein Kapitel, wenn es davor hoch her ging. Mich interessiert dabei als veganer Laie, worauf es beim veganen Backen ankommt und wie Du Dir das erarbeitet hast? Was waren für Dich die zentralen Lernschritte? 

Surdham: Also einer der ersten Grundregeln in der Gastronomie, die ich gelernt habe, ist:
Die Gäste kommen, weil sie Hunger haben, aber sie kommen wieder, weil der Nachtisch gut war.

Vegane Desserts waren im Zerwirk Restaurant, wo ich eine Zeitlang Chefkoch war, eine Sensation. Meine Schwester hat sie dort gemacht und wir haben sehr gerne gemeinsam an ihnen rumgetüfftelt. Wir hatten mehr Desserts auf der Karte als Hauptspeisen und sie gingen alle! Unglaublich, was da alles erfunden wurde und was heute davon noch in allerlei Kochbüchern und veganen Restaurants zu finden ist.

Das Backen kam dann erst viel später, als ich im Tushita Teehaus arbeitete. Meine Chefin wollte, dass ich vegane Kuchen backe. Aber ich hatte keine Ahnung davon. Also machte ich einen Biskuit mit einer Creme … aber nee, so richtig habe ich mir das nicht zugetraut, auch wegen des Pensums im Teehaus. So habe ich mit Backmischungen von Bauck angefangen und diese dann variiert. Nach den ersten 10-20 Kuchen habe ich mir die Zutatenliste der Backmischungen genauer angeschaut und gesehen, dass da eigentlich nur Mehl, Zucker und Backpulver drinnen ist. „Was du wieder rumzickst, das ist doch easy“, dachte ich mir. Ja, und da habe ich einfach angefangen zu experimentieren. Neue Bindungen zubereitet, Agar Agar und Maisstärke getestet, andere Mehle wie Dinkel, Hafer und Buchweizen ausprobiert, mit Kaltbindemitteln wie Johannisbrotkern und Guarkernmehl experimentiert und hier und da andere Schokoladen und Früchte kombiniert..

Das Lustige ist, ich habe nicht einmal einen besonders süssen Zahn, aber das Backen liebe ich. Es ist wie Zauberei und man muss viel Vertrauen mitbringen. Beim Kochen kann man bis zur letzen Minute etwas ändern – nachsalzen, nachwürzen, ein bisschen länger kochen, kurz abschrecken – , aber beim Backen ist es, was es ist. Und genau das ist das Schöne.

Katharina: Dein Kochbuch ist nicht hier entstanden, sondern auf Bali bei Sonne und Wärme. Oliver Brachat hat die Rezepte tatsächlich dort vor Ort fotografiert. Warum seid Ihr tausende Kilometer südöstlich geflogen, statt im sicheren Studio von Oliver in Düsseldorf das Projekt zu wuppen? 

Surdham: Ja, es ist unglaublich, was wir für Abenteuer zusammen erlebt haben. Bali ist mittlerweile eine Art Zweitheimat für mich geworden. Ich fliege seit 2001 dorthin, um zu surfen. Nach dem ersten Buch „Meine vegane Küche“ haben wir – Oliver Brachat und ich – uns überlegt, wie wir das zweite Buch machen können, weil wir so viel Spass bei der Produktion hatten. Wir haben ein paar Minuten überlegt und da dachte ich mir: „Wieso ein so schönes Buch verbessern, wieso nicht einfach ein ganz anderes Buch machen?“ und habe vorgeschlagen, ob wir das Buch nicht im Haus meiner Mama auf Bali machen sollten. Sein „Ja“ kam prompt!

Ich war vor der Produktion nochmal dort, um zu sehen, was wir an Requisiten vor Ort finden werden und habe die Märkte gecheckt mit der Frage, was ich mitbringen muss, um ein deutsches Kochbuch in Bali machen zu können.

Es war ein Traum, der wahr wurde, als alles klappte. Wir haben viele Abenteuer erlebt, mit denen man allein ein Buch füllen könnte, aber wir sollten ja ein Kochbuch machen.

Katharina: Gab es auch ein paar Küchenkatastrophen oder UPS-Dienste, die dem Ort geschuldet waren?

Surdham: Abgesehen davon, dass uns beim Rumfahren auf der Insel regelmäßig das Benzin ausging ohne Tankstelle weit und breit? Oder ein Loch im Reifen?

Vier Tage bevor die Photocrew angekommen ist, ist mir die Herdplatte explodiert. Ein Gasherd mit Ceranfeld. Komplett kaputt. Und das in Bali, wo es keinen Kundenservice gibt. Die Suche ging los, drei Tage vor Produktionsbeginn. Ich habe alle Küchengeschäfte der Insel angerufen, im Internet recherchiert – keine Chance nichts zu machen. Maaf tidak ada, sorry, we don t have it.

Auf Java angerufen. Nichts. Nur noch zwei Tage bis Oliver kommt und ich dachte schon ich muss im Garten auf einem Campingkocher arbeiten. Dann rief einen Tag vor Olivers Ankunft ein Händler an, dass er vielleicht so einen Herd bei sich auf Lager hätte. Ich war mir nicht sicher zwischen dem Sprachenwirrwarr, ob ich alles richtig verstanden hatte. Dann kam am selben Tag noch der Lieferant mit dem Herd auf dem Motorrad! Er lieferte ihn ab und ich durfte ihn einbauen. Von solchen Überraschungen gab es noch einiges.

Katharina: Herzlichsten Dank!

Veröffentlicht im Dezember 2013

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