Es gibt viele Wege, Kochen zu lernen. Man kann den Eltern über die Schulter schauen, als Autodidakt dem Instinkt oder Kochbüchern folgen.
Matthias F. Mangold und der GU Verlag gehen einen bemerkenswerten, erfrischenden Weg – sie widmen sich dem Prinzip. 48 Rezepte werden mit ihrer Grundidee erklärt, worauf es ankommt. Es folgt ein Masterrezept und schließlich ein Kreativlabor zur Inspiration. Online stehen 10 Videos zur Verfügung. Zeit für ein Gespräch mit dem Autor.
Katharina: Matthias, wie hast Du Kochen gelernt?
Matthias: Zunächst einmal durch Zugucken und gerne Essen (eher dickes Kind). Ich bin größtenteils bei meinen Großeltern aufgewachsen, meine Oma war Gemüsegärtnerin, mein Opa leitete den damals recht wichtigen überregionalen Gemüsegroßmarkt bei uns im fränkischen Dorf. Mit Lebensmitteln in ihrer jeweils saisonalen Form hatte ich dann auch schon von Kindesbeinen an zu tun. Ich musste Kartoffelkäfer aufsammeln, vor der Schule raus zum Spargelstechen, Salat pikieren oder im November Rosenkohl abbeeren – in der offenen Garage mit eiskalten, klammen Fingern.
Später kochte ich im Jugendhaus einmal die Woche für 30-40 Leute, da war ich vielleicht 15 Jahre alt. Kochen hat mir immer Spaß gemacht, keine Ahnung wieso. Essen gehen auch – und da lernt man dann das Allermeiste, glaube ich. Von Leuten, die´s wirklich können. Oder es wirklich versieben. Also tatsächlich gelernt habe ich Kochen als Beruf natürlich nicht. Typischer Seiteneinsteiger, interessierter Laie.
In Kalifornien habe ich 1983/84 in einem kalifornisch-französischen Restaurant als Kellner und Weinkellner gearbeitet. Da habe ich gesehen, wie die in der Küche Fonds herstellten, in Töpfen mit teilweise 100 Litern Fassungsvermögen. Am Ende blieben nach dem Einreduzieren vielleicht 3 Liter übrig. So was prägt schon auch. Später, als Journalist, durfte ich mal für die FR den Foodfotografen Christian Teubner interviewen. Im Nachgang beauftragte er mich, für das Witzigmann-Kochbuch „Schinken“ die ersten 50 Seiten Warenkunde zu schreiben – meine erste Erfahrung als Autor auf diesem Feld. Über solche Dinge zog´s mich dann noch tiefer in die Materie hinein.
Katharina: Du gibst Kochkurse in Deiner Kochschule. Was hast Du über die Jahre dabei übers Kochenlernen erfahren?
Matthias: Leute nicht zu überfordern. Nicht so zu kochen, dass eine Distanz entsteht. Selbst Menschen, die wirklich nichts in der Küche anfangen können, sollen Erfolgserlebnisse haben. Weil ich kein weißbejackter Profikoch bin, sondern mich mit meinen Gästen quasi auf (besser vorbereiteter) Augenhöhe befinde, ist die Hemmschwelle sofort überwunden.
Das Hinhören ist wichtig: Was möchten die Gäste? Was können sie zu Hause umsetzen? Es ist nicht zielführend, ein verzwirbeltes Rezept mit mächtig Schnickschnack hervorzufummeln, welches sie daheim nie wieder hinbekommen. Und es bringt ebenso wenig, jemandem das Kochen nur zu zeigen – er muss es selbst machen. Nichts ist vorbereitet, alles wird händisch erledigt. „genusstur“ gibt es inzwischen seit mehr als 13 Jahren, dennoch lerne ich jede Woche mit jedem Kurs hinzu. Einem Gast Leidenschaft fürs Kochen zu vermitteln geht nur über die eigene Leidenschaft. Viele meiner Gäste sind Wiederholungstäter, und zwar fast immer Leute, denen das Kochen zuvor nicht so lag.
Katharina: Die meisten lernen das Kochen zuhause oder übers Rezepte ausprobieren bzw. Freestyle. In Deiner Neuerscheinung schlägst du einen anderen Weg ein, pädagogischer würde ich sagen. Wie kam es zu der Idee und was ist der Grundgedanke?
Matthias: Hmm, als pädagogisch habe ich das noch nie betrachtet, aber eine gewisse Didaktik steckt natürlich dahinter. Die Grundidee stammt vom Team meiner Redakteurin bei Gräfe und Unzer, Sabine Sälzer, die vor vielen Jahren auch die Bände um „Basic Cooking“ konzipiert und teilweise geschrieben hat. Zusammen haben wir dann diesen Faden aufgegriffen und gesagt, dass es wieder an der Zeit ist, dies gründlich aufzufrischen.
Wir sehen ja zwei grundverschiedene Entwicklungsrichtungen: die größere Masse geht weiter in Richtung Convenience, der kleinere Rest interessiert sich aber wieder stärker für Ernährung und damit auch fürs Kochen. Man glaubt gar nicht, wie viele junge Menschen man heutzutage wieder auf dem Markt sieht am Samstag! Das ist ermutigend – und diese Zielgruppe wollen wir unsererseits ermutigen. Studenten, die vielleicht gerade zu Hause ausgezogen sind, zeigen, dass es eine Essens-/Kochwelt jenseits der Mama oder des Lieferservices gibt. Die Botschaft lautet: es ist nicht schwer, du musst dich nur trauen!
Katharina: Eure Rezeptkapitel sind gegliedert in das „Das Prinzip“, „Der Prototyp“ und „Das Kreativlabor“, jeweils zu einem Thema, wie z. B. Quiche oder Frikadelle. Was erwartet den Leser auf der Doppelseite „Kreativlabor“ eines Rezepts?
Matthias: Im Kreativlabor wird ausprobiert, variiert. Wenn du das Prinzip kapiert und am wirklich bewusst so simpel wie möglich gehaltenen Prototyp einmal umgesetzt hast, geht die eigentliche Tür erst auf. Mein Lieblingsbeispiel ist das Gratin. Erst erfährst du, welche Kartoffeln überhaupt funktionieren, welche Art von Käse passt, warum man die Sahnemilch warm und nicht kalt abschmeckt, wie man die Kartoffeln schneidet und einschichtet. Danach wird´s spannend und flexibel: mal ein paar Scheiben Rote Bete dazwischen stecken, gerne auch Äpfel oder Birnen, warum nicht auch Rüben oder Sellerie? Und weil Aufläufe mit Gratins verwandt sind, machen wir da auch noch Vorschläge. Es soll viele bunte Möglichkeiten geben, aber dennoch auf dem Boden dessen, was sinnvoll ist.
Katharina: Was waren eure Kriterien bei der Rezeptauswahl?
Matthias: Wir haben uns bewusst orientiert an dem, was überwiegend ohnehin auf den Tisch kommt. Klassiker. Basisrezepte, aus denen man viel machen kann. Eine gute Mischung aus all dem, was geläufig ist. Hey, wenn die Schwiegereltern in spe mal vorbeikommen und der junge Held mit einem Stück Fleisch glänzen will, dann geht das über Niedrigtemperaturgaren gelingsicher und ohne riesigen Aufwand. Pizza muss immer, Pastasauce auch, aber heute eben auch Wok oder Currys. Grundkocharten mussten dabei sein.
Der Anspruch ist wirklich, dass man dieses Buch hat und damit so ziemlich alles kochen kann, was nicht gerade völlig abgehoben ist. Mein Sohn ist 17 und er findet das Konzept geil. Er kocht seit einer Weile schon fast jede Woche etwas daraus nach – und es schmeckt. Ihm und uns auch. Macht ihn super stolz.
Katharina: Was ist das Spannende am Kochenlernen?
Matthias: Das Spannende am Kochenlernen ist sicherlich das Gefühl, eine Unabhängigkeit zu bekommen. Sich selbst und Anderen eine Freude zu bereiten, weil das Kochen zu Hause, gerne auch gemeinsam, mikrogesellschaftlich im Umgang miteinander, so viel mehr bringt, als nur Essen zu gehen. Und es kommt eine Sicherheit mit ins Spiel. Das ist jetzt aber nur die eine Seite. Wenn jemand gerne kocht, entwickelt er oft auch ein Mehr an Geschmack, er möchte wissen, ob sich das Eine vielleicht auch mit dem Anderen verträgt. Das ist dann der wahre Genuss, und dieser Aspekt kann ein Leben bestimmen.
Genussmenschen sind oft gelassener. Am Ende des Lebens, da bin ich mir sicher, blickt ein Mensch nicht darauf zurück, wie viel Geld er verdient hat, sondern wie er gelebt hat. Das ist nun vielleicht eine arg große und wohl auch nicht so gewollte Klammer, doch mit „Das Prinzip Kochen“ kann man die ersten Schritte gehen. Und viele der nächsten auch.
Katharina: Was ich am Kochen liebe, ist die Tatsache, dass die gesammelte Erfahrung ein immer größer werdender Schatz ist. Irgendwann blickt man in den Kühlschrank und sieht die Rezepte, indem man in Aromen und Methoden denkt, aber nicht in Rezepten, es sei denn, das Repertoire ruft. Wie siehst Du das? Wie verändert sich das Vorgehen über die Jahre?
Matthias: Ich sehe das ganz ähnlich, Katharina. Ich selbst koche eigentlich nie nach Rezept – oder ich schaue mir ein Gericht in verschiedensten Büchern an und klaube mir dann die besten Ideen daraus zusammen. Aber selbstverständlich darf ich einen Kochneuling nicht überfordern. Ich muss ihm Bestätigung und Selbstbewusstsein verschaffen, ein Glücksgefühl, etwas Tolles gekocht zu haben. Ihm ein Handwerkszeug mitgeben. Irgendwann kauft er im Laden, was ihm gerade gut gefällt, nicht, was auf seinem Zettel steht. Hibbelig bin ich selbst meist dann, wenn ich etwas ausprobiere, an das ich mich selbst noch nie gewagt habe. Dann darf´s auch wieder gerne eine Anleitung mit Rezept sein. Ich bin ja schließlich kein Koch … 😉
Katharina: Herzlichsten Dank!
Veröffentlicht im Dezember 2016