Manuela Rüther tauschte nach einer Ausbildung als Köchin ihre Kochschürze mit der Kamera und dem Laptop aus. Den Kochlöffel schwingt sie vor allem für ihre kulinarischen Artikel. Sie gestaltet sie vom Text über die Rezepte bis zu den Fotos meist selbst.
Besonders an ihrer Perspektive ist die Natürlichkeit, mit der sich das Essen präsentiert, die dabei nicht auf die warme Leichtigkeit des Lebens verzichtet. Im Kontrast dazu stehen ihre Aufnahmen, die sie dann schießt, wenn wir die Augen gerne verschließen. Auf dem Food Photo Festival in Tarragona erhielt sie für eine ihrer Fotoarbeiten der letzteren Kategorie den Foodfeature Award 2010, die hier zu sehen ist.
Katharina Höhnk: Seit 2005 arbeitest Du als Foodfotografin und kulinarische Journalistin. Wie begann Deine Freude am Essen und welcher beruflicher Weg schloss sich daran?
Manuela Rüther: Ich habe 2005 aufgehört, hauptberuflich zu kochen und ein Studium begonnen. Im Hinterkopf hatte ich eine vage Idee in Richtung „freiberuflich über Essen schreiben, eventuell Restaurantkritiker oder so“ – von „Foodfotografin/Journalistin“ war das noch ziemlich weit entfernt. Es folgten: Studium, ein Praktikum in einer Regionalredaktion der Kölnischen Rundschau, eines beim Feinschmecker, erste Rezeptkolumne, erste Reportagen, Rezepte und Fotos für Landlust, Saisonküche, Die Welt und Effilee… 2008/2009 würde ich daher als Start in die Selbstständigkeit sehen. Über die Zeitschriften kamen wiederum andere Kunden, so dass ich mittlerweile ganz gut ausgelastet bin.
Freude an gutem Essen hatte ich schon immer. Die Faszination für die Küche war irgendwie da, spätestens seit einem Nebenjob während des Abis. Nach der Schule musste ich mich dann entscheiden, wollte aber keinesfalls studieren, also lernte ich in Köln Köchin. Meine Eltern fanden das gut. Die meisten Schulfreunde haben mit dem Kopf geschüttelt und konnten sich nicht vorstellen, warum man als „Hochschulanwärter“ „nur“ eine Ausbildung macht.
Katharina Höhnk: Spannend finde ich die Einflüsse des landwirtschaftlich geprägten Elternhauses und der Kochausbildung, die Deine Perspektive in Wort und Bild prägen. Gibt es Details, woran sie deutlich werden?
Manuela Rüther: Wenn ich Essen fotografiere, ist das wirklich Essen – kann man reinbeißen, ist gewürzt, lecker und lebendig. Das kommt rüber, denk ich. Wenn ich Reportagen mache, dann, weil ich zu dem Thema etwas zu sagen habe. Und wenn ich draußen fotografiere, dann nicht, weil ich denke, dass ist jetzt Kunst oder total cool oder wahnsinnig angesagt. Sondern weil es mich reizt. Weil ich eine Situation, einen Menschen, eine Landschaft spannend/extrem/reizvoll/abwegig/unglaublich finde.
Genau diese Neugierde führte mich zum Beispiel zu einer Hausschlachtung im Eichsfeld. Ich wollte einfach sehen, wie so etwas abläuft. Erleben, wie meine Großeltern ihre Nahrungsmittel produziert haben. Ich wollte das in erster Linie für mich wissen. Weil ich das Gefühl hatte, dass es das Szenario in zehn Jahren so nicht mehr gibt.
Katharina Höhnk: Du bietest Deinen Auftraggebern Rezepte, Texte und Fotos zugleich an. Wie sieht eine Produktion für eine solche Serie aus?
Manuela Rüther: Es kommt natürlich auf den Auftraggeber und die Strecke an. Für die Strecke mit den arabischen Süßigkeiten (Foto links), in der ja Rezepte und Text vorkommen, verbrachte ich drei Nachmittage im Restaurant meiner Gastgeberin Frau Nazal – ich beobachtete sie beim Kochen und hörte ihr zu, notierte die Rezepte. Weil die spontan geschossenen Foodfotos nicht dem entsprachen, was ich mir vorgestellt hatte, backte und fotografierte ich zu Hause alles noch einmal. Das dauerte vielleicht zwei Tage, vielleicht drei, inklusive Einkaufen, Aufbauen, Aufräumen…. Dann die Rezepte schreiben – nochmal ein Tag…. na ja, und wenn ich nicht vorher in Palästina gewesen wäre….wäre mir die Idee gar nicht gekommen… also müsste man die Reise als Recherche auch noch draufrechnen ; ) – Scherz!
Bei dem Artikel „Angetütert durch den Nachmittag“ (Foto links) hatte ich eine Idee, die ich tagelang umzusetzen versuchte. Irgendwie war ich aber nicht zufrieden. Schließlich blieb nur noch ein Tag Zeit. Ich verabredete mich mit Sebastian Bordthäuser, mit dem ich die Strecke geplant hatte und der die Weine zum Kuchen empfohlen hat, und wir fotografierten alles an einem Nachmittag.
Wenn „nur“ Rezepte und Fotos angefragt sind – wie es in Zeitschriften ja schon mal der Fall ist: Dann schlage ich meist ein Thema/Idee für eine Strecke vor. Meist sind das sechs bis acht Rezepte pro Thema. Falls Interesse besteht, schreibe ich die Rezepte. Je nach Redaktion werden die erstmal gegengelesen, nachgekocht und bestätigt. Dann koche und fotografiere ich. Alles in allem bin ich bis zu einer Woche beschäftigt.
Katharina Höhnk: Muss man eigentlich mögen, was man fotografiert? Und wie bildet man die Dynamik des Kochvorgangs ab?
Manuela Rüther: Man muss lieben, was man fotografiert – würde ich jetzt mal ganz pathetisch behaupten. Oder besser: Man muss fasziniert sein, neugierig, gespannt. Kochen ist ja per se dynamisch – zumindest empfinde ich das so. Man muss es also „nur“ noch fotografieren.
Katharina Höhnk: Foodfotografie wird neben Motiv und Styling vor allem durch das Licht bestimmt. Welche Rolle spielt es bei Dir und wie haben sich Deine Vorlieben verändert?
Manuela Rüther: Licht ist die größte Herausforderung und gleichzeitig das stärkste Mittel. Beim Schlittschuhlaufen gibt es dafür ein Wort, die B-Note?? Ohne Licht ist ein Bild nichts. Licht und Schatten bringen Bilder zum Leben, vermitteln Gefühle, Situationen, Stimmungen. Natürlich muss man das erstmal lernen, also gewissermaßen neu „sehen lernen“. Da ich ja leider keine Foto-Ausbildung genossen habe, ging es halt nach dem Trial and Error – Prinzip. Toll und sehr hilfreich sind und waren auch „richtige“ Fotografen: Andreas Thumm, Jens Brüggemann und Thomas Herbrich haben mir zum Beispiel geholfen.
Jedes Licht drückt bestimmte Stimmungen aus. „Am besten“ leuchtet man also aus, wenn das Licht genau das ausdrückt bzw. die Geschichte erzählt, die man mit dem Foto vermitteln möchte.
Katharina Höhnk: Welche Details bei Licht, Texturen und Hintergründe findest Du eher “zeitlos” und welche “modern”?
Manuela Rüther: Ich würde einen Trend von absoluter Schärfe und Dr. Oetker-Stil, zur „ich seh nichts-Donna Hay-Unschärfe“ und mittlerweile wieder zurück zu einer Art klareren „Blende 8-Optik“ feststellen. Modern sind zweifelsohne ein absolut „natürlicher look/back to the roots“, eher minimalistische Deko bis hin zu Inszenierungen mit Spielzeugmännchen.
Zeitlos?? Weiß ich nicht! Was die Zukunft bringt? Wahrscheinlich eine Art 50er oder 70 Jahre Kochbuch-Look. Oder wieder mehr schwarz-weiß? Ich würde mir Rezepte und Fotos öfter in größeren Zusammenhängen wünschen – eingebettet in Reportagen, Porträts oder in eine Art Experimentier-Szenerie – so, wie Vijay Sapre es in Effilee macht.
Katharina Höhnk: Was sind aus Deiner Sicht in jüngster Zeit die auffälligsten optischen Meilensteine der Foodfotografie ?
Manuela Rüther: Amélie Lombard macht tolle Sachen! Oft bewundere ich die Arbeit von Maria Grossmann.
Katharina Höhnk: Was passiert nach dem Fotografieren mit dem Essen?
Manuela Rüther: Es wird aufgegessen. Meist ist es zu viel für mich und meinen Freund – dann freuen sich die Nachbarn. Den Dundee Cake, den ich kürzlich für die Welt am Sonntag gebacken und fotografiert habe, ging auf Anfrage postwendend nach Berlin und beglückte die Stil-Redaktion.
Katharina Höhnk: Deine Lieblingskochbücher im Hinblick auf Fotografie?
Manuela Rüther: Die meisten Stéphane Reynaud (Schwein & Sohn!!) und Jamie Oliver-Bücher Viva Espana. Das Kochbuch von Frank Camorra/Richard Cornish. Außerdem Neues grosses Konditorbuch von Adolf Heckmann (1950) und die timelife-Bücher – aus nostalgischen Gründen.
Katharina Höhnk: Herzlichsten Dank!
Veröffentlicht im November 2010
Absolut. Ich finde ziemlich spannend, wie es sich verändert hat und vor allem welche Fotos trotz “ihres Alters” schön bleiben. Das sind Raritäten, zugegeben. Und selten solche mit Aspik etc. 🙂
Wirklich ein interessantes Interview! Ich finde es auch besonders spannend, wie die Speisen im wahrsten Sinne des Wortes ins richtige Licht gerückt werden. Die Kochbücher meiner Mutter sehen regelrecht finster gegen die neuen Sachen aus – und so viel Aspik und garnierte Eier und solche Sachen. Mode und Kochbüchern sieht man zumindest das Jahrzehnt an.
ah! da erinnere ich mich an fragen zu den fragen. interessantes interview, wie so oft hier. danke.
Schön, Manuela Rüther mal ein bißchen kennen zu lernen. Danke Katharina, Deine Leute-Beiträge sind immer echt fein und interessant ausgewählt!
Dank Dir, Stevan!
Hallo Stevan, da muss ich mich erstmal anschließen!! Die Beiträge sind toll recherchiert und deshalb vor allem \“gut gefragt\”. Bin im Dezember in HH – vielleicht ergibt sich ein Kaffee?