Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Im Winter ist immer Zeit für einen guten Tee. Statt Trübsal blasen und das schlechte Wetter anklagen, kann man doch sehr viel besser sacht in die Teetasse pusten und sich in eine Decke einwickeln. Und dann darf der Tee seine Wirkung entfalten. Denn eins ist sicher: Tee ist nur nicht dazu da, um den Durst zu löschen. Mitnichten.
Und genau auf diesem Prinzip ist das Buch von Paula Grainger und Karen Sullivan aufgebaut. Pünktlich zum Spätherbst hielt ich „Kräutertee“ in der Hand. Es ist erschienen im Hallwag Verlag und von der Aufmachung her recht verspielt: schöne Bilder, Verzierungen auf jeder Seite, der Tee ist in Vintagetassen oder in türkischen Teegläsern angerichtet. Im Prinzip also eine Mischung aus modernem Landhausstil und Hamam-Ästhetik.
Das Inhaltsverzeichnis bestätigt die Erwartung an den Band, indem es alle Hoffnungen des modernen, gestressten Großstädters und natürlich auch Kleinstädters anspricht. Wer wünscht sich nicht Reinigung und Detox oder Auftrieb und Schwung? Zum Schluss wird sogar über den Tee hinaus gedacht und es werden ein paar Getränkerezepte vorgestellt, die ebenfalls mit Kräutern zu tun haben und ihre Wirkung tun sollen.
Morgenwärme & Sommerliebe
Kräuter als Herzstück des Buches sind in einer Art ausführlichem Glossar in Wirkung und Herkunft erläutert. Darin finden sich so Alltägliches wie Fenchel neben Seltenheiten wie Fischrinde. Passend werden mögliche Bezugsadressen gleich im Anschluss angeführt.
Das, was meinen Mann so an meinem Rezensentinnendasein befremdet, ist die Tatsache, dass sich unsere Küche in gleichem Maße mit Neuem füllt wie das Bücherregal um Kochbücher wächst. Und Widerspruch ist natürlich zwecklos. Seit „Kräutertee“ biegt sich unser Gewürzregal ordentlich durch. Hier wurde viel probiert.
Manche der Tees tragen ihre Absicht fast wie eine Drohung gleich im Namen, darunter etwa „Darmbesänftiger“ oder „Blutzucker-Regulierer“. Aber auch bei „Morgenwärme“ oder „Sommerliebe“ lässt sich ihre erwartete Wirkung erahnen.
Mit heißem Wasser und einer Teekanne gerüstet haben wir (wir sind meine ganze Familie, allesamt glühende Teetrinker) uns an die unterschiedlichen Empfehlungen gewagt. Wie auch die Aufmachung sind die Rezepte äußerst professionell gemacht. Es ist an viele Details gedacht. Die Maximaltemperatur wird angegeben und wenn nötig gar die Art der Teekanne.
Mehr ein Ratgeber fürs Wohlbefinden
Doch wie bewertet man ein „Kräutertee“-Buch, das weniger ein Rezeptbuch sein will als ein Ratgeber fürs Wohlbefinden? Ein Arzneibuch, das Rezepte zur Heilung oder Linderung verschiedener Beschwerden feilbietet, ist einfach kein Kochbuch. Hier war ich also mit meinem Latein am Ende.
Daher auch eher nur der Versuch einer Bewertung: Ehrlicherweise ist für mich eine ausführliche Dusche mit anschließendem Espresso immer noch die bessere Morgenreinigung als der gleichnamige Tee. Doch wie so vieles oder auch manches, zeigt sich Wirkung häufig erst in der Wiederholung. Und da ich inzwischen ein gewisses Alter erreicht habe, trinke ich derzeit – nein – nicht den „Wechseljahretee“, sondern mit einiger Stetigkeit den „Strahlend schöne Haut-Tee“. Wirkung bisher leider nicht erkennbar. Da muss ich wohl noch weiter trinken. Aber dafür schmeckt der Tee. Und das gilt auch für andere Tees aus diesem Buch. Sie schmecken mitunter gut, aber dieser Aspekt steht wahrlich nicht im Vordergrund und ist eher zufälliger Nebeneffekt. Und genau das bringt mich zu dem berühmtem „ja, aber …“.
Was mich an „Kräutertee“ störte, wenn man so sagen kann, ist die Haltung, die dieses Buch einnimmt – und genau deshalb hat es mich nicht überzeugt. Es will Ratgeber und Helfer sein, statt durch Geschmack zu bestechen. Wenn ich tatsächlich ein Buch über Kräuterheilkunde lesen möchte und Rat suche, dann gibt es da allerlei Möglichkeiten, ohne in der aktuellen Kochbuchauslage zu stöbern.
Bis zu acht Kräuterarten
Andererseits könnte man einwenden, dass das Buch natürlich einen schönen und leichten Zugang zur Heilkunde mit Kräutern ermöglicht. Aber dafür ist es dann leider nicht schön genug und auch nicht leicht genug. Allein die Titel der Tees wie „Auf geht‘s mit Elan!-Tee“ oder „Lak-y-minz“ erinnern aufs Schlimmste an Titeleien von Frisörsalons. Das überzeugt nicht.
Was die Leichtigkeit angeht, so sind die Tees natürlich sehr einfach zuzubereiten. In Zeiten des Internets sind auch ungewöhnliche Kräuter leicht in den heimischen Haushalt zu transportieren. Dennoch umfassen die meisten Rezepte etwa acht verschiedene Kräuter – und das muss man dann auch wirklich wollen.
„Kräutertee“ macht also ein Angebot, das ich von einem Kochbuch nicht erwarte und auch gar nicht bekommen möchte. Und das ich nicht zuletzt auch gar nicht einschätzen kann. Daher mein abschließendes Votum: Abwarten und Tee trinken. Vielleicht wirkt es ja. Schmecken tut es ja durchaus, mitunter.
Veröffentlicht im November 2018