Es liegt etwas in der Luft. Liegt es? Ist es schon eine breite Bewegung oder noch eine lose Ansammlung Food-Passionierter? Als mir Delicate – New Food Culture in die Hände fiel, blieb kein Zweifel: Es ist geschafft. Aus einem Bächlein ist ein Strom geworden, der seine erste Schnelle erlebt. Nicht nur hierzulande, sondern überall, wo Essen nicht nur reines Überleben bedeutet.
Das Buch Delicate präsentiert Food-Konzepte weltweit, die das Thema neu interpretieren abseits von exklusiven Feinschmecker-Zirkeln und Sternegastronomie. Vorgestellt werden Produktdesign, Shops, Gastronomie, Initiativen, Magazine und Kunst. Jedes Konzept wird auf 1-2 Seiten mit einem knappem Vorstellungstext und vielen Bilder vorgestellt. Delicate dokumentiert. Das Interpretieren überlässt das Buch seinen Lesern. Das lässt viel Raum für die eigenen Gedanken, warum das Jetzt dem Thema Food einen Stempel eigener Art aufdrückt: casual, hedonistisch, verspielt, politisch, Kontext-bezogen und sozial.
Wie z. B. Conflict Kitchen in Pittsburg (USA). Ein Take-Away-Imbiss. Jon Rubin und Dawn Welesiki bieten monatlich eine wechselnde Karte an. Die Gerichte stammen immer aus Ländern, mit denen die USA im politischen Konflikt steht wie z.B. Nordkorea, Afghanistan und Iran. Begleitet wird das Angebot durch Events, Diskussionen und Performances. Aufklärung über die Geschmacksknospen.
Bread Exchange von Malin Elmlid steht für eine Idee, die sich seinen Weg bahnt, wenn man sich davon leiten lässt, Freude zu teilen, egal ob etwas “was bringt”. Malin backt in Berlin ihr eigenes Brot, das in der Zubereitung sehr aufwendig ist. Heraus kommen mehr Laibe als benötigt. Statt sie zu verkaufen, tauscht sie sie und zwar mit Menschen, die ebenfalls Besonderes zu vergeben haben. So treffen bei ihr Pakete mit selbstgemachter Marmelade, Kräuter, Wein. Warum? Nicht alles ist verkäuflich.
Was es für Möglichkeiten für den Lebensmittelhandel gibt, ist hier auch zu sehen: Der Warmoesmarkt in Amsterdam (NL) ist ein Beweis, wie es aussieht, wenn Event-Architektur und Wochenmarkt zusammentreffen. Oder der Metzger Victor Churchill in Sydney, der Fleisch anbietet eingerahmt von einem besonderem Shop-Design. Fleisch wirkt hier wie etwas, was es immer sein sollte: ein wertvolles Gut.
Was ich an dem Buch absolut vermisst habe, sind die Web-Events oder -Konzepte. Nicht, weil ich dem Genre zugehöre, sondern weil das Web mit seinen Kommunikatoren ein wesentlicher Treiber der Entwicklung ist. Im Internet hat sich die kritische Menge der Passionierten gefunden und spricht darüber. Addiert man ihre Leser, den Austausch und das Netzwerk, das alle verbindet, dann ist der Strom erst komplett.
Delicate – New Food Culture ist die Momentaufnahme einer Bewegung, die gerade ihre Nische verlässt. Ausschnitte ihrer Konzepte und Ideen weltweit zu entdecken, ist absolut inspirierend.
Veröffentlicht im Juni 2012
Solche Bücher finde ich inspirierend. Menschen, die mehr aus dem Kochen machen. Anderen das essentielle Bedürfnis, nämlich Essen, wieder als neue Erfahrung zu bieten, ist eine großartige Sache. Schade, dass die Funktion des Internets bei der Betrachtung zu kurz kommt. Und dennoch toll, dass diese Entwicklung dokumentiert wird.
Viele Grüße
Jinja
Habe ich mal auf meinen Wunschzettel gesetzt….