Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Véronique Witzigmann hat sich in den letzten Jahren einen Namen als Expertin für Süßes gemacht. Sie verkauft selbst gemachte Marmeladen, gibt Backkurse und hat mehrere Bücher über das Backen, Einkochen und Einmachen veröffentlicht. Ihr neues Buch „Süßes“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schwergewicht. Mit 1,5 kg Gewicht und in großem Format kommt „Süßes“ edel und ernsthaft zugleich daher.

Bevor es zu den Rezepten geht, wird uns auf den ersten 70 Seiten ein ausführlicher Theorieteil präsentiert. Darin geht es unter anderem um Mehlkunde, Kuvertüren, Süßungs- und Bindemittel, Aromaten, Teigarten und Praxistipps für den Notfall. Unbekannt war mir zum Beispiel, dass Ober- und Unterhitze für eine gleichmäßigere Hitze sorgt als Umluft, die das Gebäck zudem schneller austrocknet, und welche entscheidende Rolle die Temperatur der Zutaten für das Gelingen des Teiges spielt. Da der Theorieteil zahlreiche Tipps enthält, empfehle ich auch ungeduldigen Bäcker*innen, dieses Kapitel nicht gleich zu überspringen (oder zumindest später einen Blick reinzuwerfen); es lohnt sich.
Vermisst habe ich in dem Buch allerdings eine Anleitung, wie man Mengenangaben für verschieden große Backformen umrechnet. Denn das hat mich wirklich geärgert: jeder Kuchen wird in einer anderen Form gebacken und von 20 bis 28 cm Durchmesser bei Springformen und 20 bis 26 cm beim Gugelhupf ist alles vertreten; selbst die Kastenformen haben unterschiedlich Maße. Warum??? Und wer hat schon so viele verschiedene Backformen zu Hause? Ohne Umrechnungshilfe ist das ein echtes Versäumnis!
Zum Weiterlesen:
Update: Zur Rezension mit Rezepten
Leseprobe beim Verlag
Website und Instagram der Autorin
Mehr Kuchen-Backbücher bei Valentinas
Backyoga
Aber diesen Ärger mal beiseite: Ab Seite 74 endlich geht es zu den Torten, Teilchen, Tartes und Kuchen und es wird ganz wunderbar. Traditionelle Kuchen wie Frankfurter Kranz, Bienenstich, Donauwelle oder Linzer Torte machen beim Kaffeekränzchen mit der Oma gute Figur, und auch Schokofans kommen voll auf ihre Kosten: Es gibt Schokotorte mit Schokofüllung, Schoko-Drip-Cake, Schoko-Cookies, Financiers und gleich zwei Rezepte für Schoko-Tartes. Anspruchsvoll wird es im Tortenkapitel, dort werden Sachertorte, Schwarzwälder Kirsch, Prinzregenten-Torte, Pina-Colada-Torte und vieles mehr gebacken. Gebäck mit Früchten ist ebenfalls reichlich vertreten: Beeren-Roulade, Aprikosenkuchen, Zwetschgendatschi, Pflaumen-Frangipane-Tarte…. ach, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!

Ich beginne mit meinem Favoriten, dem Käsekuchen. Hier gibt es gleich mehrere Varianten zur Auswahl, einen Käse-Mascarpone-Kuchen, eine Saurrahmtarte oder Cheesecake-Tartelettes. Ich wähle die Mascarpone-Variante und bin überrascht, wie locker und luftig der Kuchen trotz der reichlichen Menge Mascarpone schmeckt; Orangen- und Zitronenabrieb verleihen ihm eine frische Note. Damit es in der Oberfläche keine Risse gibt, wird der Kuchen mehrmals nach je 20 Minuten Backzeit für einige Minuten aus dem Ofen genommen. Das funktioniert tadellos und der Kuchen ist ein Hit.
Genauso begeistert bin ich von den getesteten Hefeteig Rezepten: Die Zimt-Schokoladen-Schnecken schmecken am besten noch warm vom Blech, und der Gugelhupf mit in Rum eingeweichten Rosinen ist wunderbar fluffig und sieht aus wie gemalt. Perfekt gelingt auch die Johannisbeer-Baiser-Torte, bei der die Säure der Beeren die Süße des Baisers perfekt ausbalanciert.
Die Autorin mag es übrigens sehr süß, sodass ich bei vielen Rezepten die Zuckermenge etwas reduziert habe, ohne dass das Ergebnis darunter gelitten hätte. Das beste Beispiel für „supersüß“ war der Rhabarber-Baiser-Kuchen, bei dem ich erwartet hatte, dass die Säure des Rhabarbers es locker mit dem Baiser aufnehmen würde. Weit gefehlt – erstens enthält auch der Rührteig ordentlich Zucker, und zweitens wird das Baiser mit der doppelten Menge Zucker im Vergleich zum Eiweiß hergestellt. Das ergab nach langem Schlagen zwar eine schöne, glänzende Masse, aber den Testessern war der Kuchen viel zu süß.
Véronique Witzigmann:
„Immer schon wollte ich ein Buch schreiben, in dem sich zu vielen, zu fast allen Anlässen ein passender Vorschlag findet, egal, ob es die Suche nach einem Geburtstagskuchen für die Oma ist oder die Einladung einer Freundin mit Glutenunverträglichkeit.“
Einige Rezepte gelangen mir nicht so gut, wie ich gehofft hatte, aber das kann ich beim nächsten Mal leicht nachjustieren, zum Beispiel durch längeres Backen (Windbeutelringe mit Walnusssahne – sooo lecker, auch wenn innen noch etwas pappig), weniger Zucker oder weniger Gelatine (Beeren-Roulade). Es lohnt sich also, beim Backen Notizen zu machen, dann klappt es beim nächsten Mal garantiert besser.
Für den Großteil der Kuchen ist neben den Formen kein besonderes Equipment erforderlich (mit Ausnahme einer exakt messenden Küchenwaage), und ich habe alle Massen problemlos mit meinem kleinen Handmixer hinbekommen. Für Torten und Gefülltes habe ich mir noch Tortenrandfolie sowie Spritzbeutel (nicht die aus Papier!) und -tüllen besorgt. Und o. k., ich habe mir letztendlich doch noch zwei neue Springformen gekauft. Nach Auswertung der Rezepte lohnt es sich, in Formen mit 20 und 26 cm Durchmesser zu investieren, denn die werden am häufigsten verwendet.
Summa summarum ist dieses Backbuch trotz einiger kleinerer Mängel für mich aufgrund der Vielfalt der enthaltenen Rezepte und der soliden Anleitungen zum Standardwerk geworden. Unter den über 70 Rezepten finden sowohl Anfänger als auch fortgeschrittene Bäcker*innen dort etwas für jeden Anlass. Backyoga at its best!
Veröffentlicht im Februar 2023