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Katharina Höhnk

Backbuch von Valéry Drouet & Pierre-Louis Viel: Kuchen! ★★

Kuchen! Macarons, Éclairs, Tartes & Co.
Valéry Drouet & Pierre-Louis Viel
h.f. ullmann (2016)

Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.

Charlotte Schrimpff

Von

Wenn das Auge mitisst, ist „Kuchen“ mit Ausrufezeichen ein echtes Schlaraffenland. Schon ins Cover… äh: den abgebildeten Paris-Brest möchte man einmal kräftig beißen und kommt danach aus dem visuellen Fressen nicht mehr heraus. Bloß: dabei bleibt es – leider.

Gemeinsam mit dem französischen Mango-Verlag haben Valéry Drouet und Pierre-Louis Viel vor einigen Jahren den Grundstein für eine kleine kulinarische Enzyklopädie gelegt. „Kuchen!“ steht da in einer Reihe mit seinen ähnlich affirmativ beschrifteten Geschwistern „Pasta!“, „Burger!“ oder „Fleisch!“, die praktischerweise inzwischen in diversen Sprachen von Englisch über Polnisch und Litauisch erhältlich sind und allesamt von Viel in foodpornoesker Manier abgelichtet wurden. Der h.f.ullmann-Verlag übernahm einen Teil dieser Serie nun in deutscher Übersetzung ins eigene Programm.

Eine Grundlagen-Bibliothek, die suggeriert: Mit uns geht nichts mehr schief. Und das will bei Klassikern französischer Pâtisserie wie Macarons (zäh oder zerbrechlich?), Cannelés (Bräunungsgrad!) oder Éclairs (Luftnummer oder Flatschen?) schon was heißen. Aber weh dem, der sich allzu unbedarft ans Werk macht – der Teufel steckt auch hier im Detail.

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300 + 300 = 500?

Schon bei den Mengen – vor allem in den Grundrezepten – schaut man besser genau hin. Vom Sandteig wird allenthalben 500 Gramm verlangt. Ein kurzes Überschlagen der Angaben im Grundrezept – 150 Gramm Zucker, 150 Gramm Butter, 280 Gramm Mehl, ein Ei, ein Eigelb – liefert aber ein Zielgewicht von roundabout 600 Gramm. Tjaa! Wiegt der gebackene Teig vielleicht nur noch 500 Gramm? Muss ich rechnen? Drouet (links) schweigt sich aus.

In diesem Stil geht es weiter: Für die Buttercreme drei Seiten später werden 100 Milliliter Crème anglaise benötigt. Deren Rezept – das muss man wissen, denn dieser Verweis fehlt – findet man sechs Seiten darauf und ergibt 400 Milliliter. Also: rechnen. Wie viel Buttercreme selbst man dann erhält bzw. was die Zielmenge aller anderen Massen auf dieser Seite ist: großes, großes Fragezeichen. Falls also – zum Beispiel für die Galette mit kandierten Äpfeln – 100 Gramm Konditorcreme verlangt werden, steht man vor einer Gleichung mit mehreren Unbekannten (wie viel Wasser verdampft, wenn man Wasser und Zucker zu gleichen Anteilen so-und-so lange kocht?) oder mit Resten da – ich habe in der Regel auf beides keine Lust. Zumal mit Tabellen o. Ä. so leicht Abhilfe geschaffen gewesen wäre! Überhaupt hätte man, wenn man sich schon den Grundlagen widmet, auch etwas wie Blätterteig (wirklich kein Akt!) mitbehandeln können. Im Rezeptteil relativ häufig verlangt, wird dann aber ein nicht näher definiertes Convenience-Produkt verwendet.

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Spezifikationen sind übrigens ein weiteres großes Thema. Oder weiß wer aus dem Stehgreif, was kandierte Knorpelkirsche und Engelwurz sind (Zutatenliste fürs Nougatglacé)? Backen wir mit Umluft oder Ober- und Unterhitze? Wie groß sind unsere Formen? Wenn ich schon mit Kochbuch koche, möchte ich das alles nicht erst recherchieren müssen!

Nur gucken, nicht nachmachen

Ich habe mich also weitgehend an Rezepte gehalten, bei denen ALLE Komponenten in der Zutatenliste bekannt sind und vollumfänglich genannt werden. Das Gefahrenpotential war trotzdem hoch. Mit Versuch Eins – dem Rhabarberkuchen mit braunem Zucker – hab‘ ich eine echte Bruchlandung hingelegt, denn der Teig wurde und wurde nicht fest. Nicht nach der doppelten Zeit im Ofen, nicht nach einem Rettungsversuch in der Pfanne. Zum Glück hat „Matsch“, wie das Ergebnis sofort tituliert wurde, nur familienintern schmecken müssen. Das immerhin tat er – Fett sei dank. Die Schokoladentorte ging deutlich unkomplizierter von der Hand, ließ aber das Geschmacks-Aha vermissen. Meine Motivation hat dann nur noch für den Karottenkuchen mit Nüssen und Safran gereicht – der immerhin: brauchbar.

Drouets und Viels Back-Band ist ein klassischer (Rein-)Fall von schönem Schein: Ein bisschen weniger Foodporn, dafür ein ordentliches Mehr an Funktionalität hätten den Kuchen gut getan. Immerhin: Das Ärgernis kostet nur einen Zehner und Viels herrliche Bilder machen sich einzeln sicher ganz wunderbar als Wandbehang in der Küche…

Veröffentlicht im Oktober 2016

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