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Katharina Höhnk

Backbuch von Sophia Lewis: Dear Doris ★★

Dear Doris – Traditionelle britische Backrezepte made vegan, Sophia Lewis, ZS Verlag (2021)

Zwei Sterne: Begeisterung sieht anders aus.

Maike von Galen

Von

Den klassischen walisischen Backrezepten ihrer Großmutter ein modernes und gesundes Update zu geben: Dieses Ziel verfolgt die Modedesignerin Sophia Lewis mit ihrem veganen Backbuch „Dear Doris“. Ein spannendes Herzensprojekt, dem leider ein entscheidender Faktor verloren geht: der Genuss.

Ein dunkelblauer Leineneinband, darauf ein Bild von reifen Pfirsichen und einem saftigen Obstkuchen – schon der erste Blick auf das Backbuch lässt einen zur Großmutter Doris nach Wales träumen, wo sie in ihrer Küche steht und allerlei Leckereien backt.

Backbuchautorin Sophia Lewis (© Gaby Schuetze)
Backbuchautorin Sophia Lewis (© Gaby Schuetze)

„Dies ist kein gewöhnliches Kochbuch, sondern eine Hommage an meine Großmutter Doris“, schreibt Sophia Lewis (Foto links) in ihrer Einleitung und schwärmt auf vielen Seiten und mit schönen privaten Fotos von ihrer Kindheit in Wales, wo sie gemeinsam mit ihren Großeltern in einem Drei-Generationen-Haushalt lebte.

Vegane Transformation

Lewis erinnert sich an Apfelkuchen, Welsh Cake und Rhabarberstreusel – viele zuckrige Köstlichkeiten, die ihre Großmutter buk und den vielen Gästen im „White House“ zum Tee servierte. Doch all diese Rezepte einfach zu sammeln und abzudrucken, ist nicht Ziel dieses Buches.

Denn bei allem Schwärmen für ihre Großmutter steht Lewis auf der anderen Seite dem verschwenderischen Gebrauch von Butter, Zucker und Eiern höchst kritisch gegenüber: „Sie konnte nicht ahnen, dass ihre guten Taten von ihren Enkeln und Urenkeln mal als mögliche Ursache für Krankheiten und Umweltschäden angesehen werden“, schreibt Lewis, die sich gemeinsam mit ihrer Tochter daran gemacht hat, den Rezepten ein „modernes Update“ zu verpassen.

Zum Weiterlesen:

Leseprobe beim Verlag

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Heißt konkret: Alle Rezepte im Buch sind vegan, verzichten in den meisten Fällen auf Weizenmehl und raffinierten Zucker. Stattdessen greift Lewis zu allerlei anderen Süßungsmitteln wie Dattelzucker, Xylit, Kokosblütenzucker oder Ahornsirup. Weizenmehl ersetzt sie durch Mandel-, Buchweizen- oder Reismehl.

Ersteinkauf: teuer!

Nach der ersten Begeisterung für die Idee des Backbuchs kommt bei mir Ernüchterung auf: Mein Einkaufszettel an Ersatzprodukten ist lang und der Einkauf teuer, wie sich herausstellt – wäre es nicht sinnvoller gewesen, sich auf jeweils einen Ersatz für Zucker und Weizenmehl zu beschränken?

Auch beim weiteren Blättern durch das Buch bin ich verwirrt: Nach schönen Schilderungen der Kindheit in Wales finde ich mich plötzlich in Italien wieder, wo Lewis Freundin Susanne Nadler lebt und sich wohl ebenfalls vegan ernährt – sie steuert ein paar Plätzchen- und Müslirezepte bei. Nach einem Kapitel über Großvater Dick geht es dann auch noch um Sauerteigbrot – Sophia Lewis und ihre Tochter haben wie so viele Menschen in der Pandemie einen Sauerteig im Kühlschrank und deshalb noch einige Rezepte für Brot aufgenommen. Auch eine Doppelseite mit Saft-Rezepten irritiert mich: Waren die bei Doris etwa nicht vegan?

Backbuch von Sophia Lewis: Dear Doris
Backbuch von Sophia Lewis: Dear Doris

Nun muss Vielfalt ja erst mal nichts Schlechtes sein – würden die Rezepte funktionieren. Und vor allem: gut schmecken. Natürlich muss man das sorgsam auseinanderhalten: Geschmack ist schließlich hochsubjektiv. Meinen, so viel sei gesagt, treffen Sophia Lewis’ Rezepte allesamt nicht. Zu stark übertönt der Kokosblütenzucker und das Lebkuchengewürz die Äpfel im Bonfire-Apfelkuchen, zu trocken schmeckt mir das Bara-Brith-Früchtebrot, zu matschig sind die Banana-Pancakes ihrer italienischen Freundin.

Nichts Positives

Die „Welsh Cakes“ – eine Art walisischer Pfannkuchen – backe ich sogar im Vergleich: Einmal wie von Sophia Lewis vorgeschlagen mit Margarine, Mandeldrink und (wie zu oft) Lebkuchengewürz, dagegen klassisch mit gesalzener Butter und Ei. Weizenmehl und Zucker sind in beiden Fällen erlaubt – trotzdem verlieren die veganen Welsh Cakes den Vergleich, auch wenn sie noch das Leckerste sind, was ich aus dem Buch gebacken habe.

Wirklich katastrophal fällt das Sauerteigkapitel aus, auch weil es schlecht redigiert wurde: So soll ich für den Flammkuchen erst den Ofen auf 250 Grad vorheizen, dann Mehl und Salz mit Wasser und Sauerteigansatz mischen und den dann weitere 24 Stunden bei Zimmertemperatur gehen lassen. Was genau passiert in der Zeit mit meinem Ofen?

Generell halte ich es für eine schlechte Idee, den fertigen Teig mit dem Sauerteiganteil 24 Stunden bei Raumtemperatur stehen zu lassen. Herauskommt im Fall der Focaccia ein großer Klumpen Sauerteig, der auch nach dem Backen nicht mal entfernt an das fluffige und knusprige Weißbrot erinnert, das auf dem Foto neben dem Rezept abgedruckt ist. Stattdessen ein völlig übersäuertes Gummibrot und lange Gesichter beim Abendessen.

So bleiben am Ende vor allem Enttäuschung und Zweifel: So sehr ich die Idee, klassische Rezepte vegan und „gesund“ abzuwandeln, zunächst mochte, zeigt dieses Buch klar die Grenzen eines solchen Vorhabens: Es gibt vielleicht einen Grund, warum unsere Großmütter mit viel Butter, Zucker und Eiern gebacken haben. Und ja: Das kann man in diesen Zeiten kritisch hinterfragen. Meine Antwort wäre darauf eher: Maß halten. Ich esse lieber pro Woche ein Stück „echten“ Schokoladen-Birnen-Kuchen von Doris selbst, als jeden Tag eine sicherlich gesündere Alternative ihrer Enkelin.

Veröffentlicht im September 2022

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