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Katharina Höhnk

Backbuch von Melissa Forti: Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch ★★★★★

Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch, Melissa Forti, Fotos: Danny Bernardini, Prestel Verlag (2020)

Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Katharina Höhnk

Von

Traditionen sind ein wirkungsvoller sozialer Kitt der Gesellschaft. Das gilt für familiäre und kulinarische und insbesondere für weihnachtliche. Meist beschränken sie sich dabei auf den Genuss und das gemeinsame Erleben, denn das ist bereits erfüllend. Aber wann und warum nahmen sie eigentlich ihren Anfang? Wer an dieser tieferliegenden Frage interessiert ist und den Blick nach Italien gleichermaßen richtet, dem empfehle ich Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch.

Die gebürtige Römerin gehört zu den wenigen italienischen Kochbuchautor:innen, deren Bücher ins Deutsche übersetzt werden. Das hat seinen Grund: Der ausgebildeten Konditorin half hierzulande ein Auftritt in der TV-Show Kitchen Impossible (2017). Der in jeder Hinsicht wuchtige Chefkoch Tim Raue besuchte die zierliche Forti in ihrem damaligen Café in Ligurien, um ihre berühmte Tiramisu-Torte nachzubacken. Und das misslang gründlich.

Kochbuchautorin Melissa Forti
Kochbuchautorin Melissa Forti

Inzwischen hat Forti, die in Rom geboren wurde und in L.A. sowie London lebte, ihre eigene TV-Show. Zusammen mit Giorgio Locatelli moderiert sie das TV-Format Maitre Chocolatier Talents. Ihre Karriere ist aber auch eine internationale, denn Forti verantwortet künftig das gastronomische Konzept des Cafés Duse der 25hours-Hotelgruppe in Kopenhagen, das wohl im Frühjahr 2022 seine Pforten öffnen wird. Hier wird man ihre Torten exklusiv genießen können.

Rezepte mit Geschichte

Aber man kann sich die Reise sparen, denn ihre Backwerke lassen sich selber machen. Man nehme dafür einfach Fortis Weihnachtsbackbuch. Es umfasst im stilvollen Retro-Look 70 Rezepte vorwiegend italienischer – aber nicht nur – Herkunft in festlicher Anmutung.

Zum Weiterlesen

Leseprobe beim Verlag

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Mehr Koch- und Backbücher zur Weihnachtszeit bei Valentinas

Imposante Torten und prächtiges Gebäck wie Croquembouche auf italienische Art, Mandarinen-Creme-Kuchen und neapolitanischer Hefe-Napfkuchen reihen sich hier aneinander fast wie in einer Kuchenvitrine. Für deren Aroma wird an Nichts gespart: Schokolade, Nüsse, Trockenfrüchte, Zitrusfrüche und Alkohol (Rum, Haselnusslikör etc.) prägen ganz saisonal die Zutatenlisten. Um keine falschen Hoffnungen zu wecken: Rezepte für Plätzchen gibt es, aber in übersichtlicher Anzahl.

Beim ersten Stöbern spricht mich die Rezeptauswahl sofort an, weil sie für mich Neues bereithält, und sei es nur eine spannende Verfeinerung. Denn Forti präsentiert Eigenes und Klassiker mit modernen und kreativen Einflüssen bei der Zubereitung inklusive der Zutaten (Rohrzucker, Aquafaba). Manches musste ich erst einmal recherchieren, wie etwa Konditorsahne (mind. 35 % Fett oder Schlagsahne mit einem Löffel Mascarpone) und Manitobamehl (aus eiweißreichem Weichweizen).

Backbuch von Melissa Forti: Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch
Backbuch von Melissa Forti: Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch

Das Weihnachtsbackbuch ist aber nicht eine bloße Rezeptsammlung, sondern die Autorin ist der „tieferen Bedeutung der Dinge“ nachgegangen, wie sie es eingangs etwas rätselhaft umschreibt. So präsentiert sie ihre Torten, Plätzchen und Weihnachtsbrote nicht nur mit persönlichen Worten und handwerklichen Tipps, sondern auch immer wieder in ihrem historischen Kontext. Das ist spannend wie interessant. Denn es ist auffallend, dass kulinarische Adventtraditionen zwar einen großen Wert als Kontinuum genießen, aber kaum einer weiß und schreibt, wie es begann und wie alles zusammenhängt. Bei Forti erfahre ich mehr, zum Beispiel dass der Gewürzkuchen Panforte aus Siena seit dem frühen Mittelalter in der toskanischen Stadt gebacken wurde, als sie eine Handelsmetropole war und Gewürze ein Luxusprodukt waren.

Aber das Backbuch widmet sich vor Würzigem wie dem Panforte erstmal Sahnigem. Wow-Torten füllen das erste Drittel des Backbuchs. Sie werden gewickelt, geschichtet und gefroren – atemberaubend. Bei mir bliebe es beim reinen Genusslesen, denn auch mir würde ein Raue-Erlebnis drohen. Ich wendete mich daher den folgenden zwei Dritteln zu, den Gebäck-Kapiteln.

Melissa Forti:

„Ich möchte der breit gefächerten italienischen Backkunst meine Ehre erweisen und auch meine Interpretationen internationaler Rezepte vorstellen, damit ihr eure Liebsten verwöhnen und auch noch mit Hintergrundinformationen mitgeben könnt. Buon Natale!“

Anspruchsvoll

Beim Nachbacken probiere ich dann jedes Niveau aus – vom ganz einfachen Pan d’Arancio bis zum projektmäßigen Panettone mit Schokolade. Auffallend ist, dass Fortis Rezeptanweisungen zwar präzise und enorm kleinschrittig durchformuliert sind, aber ihre Rezepte eher beim zweiten Versuch glatt gelingen, weil sie handwerklich anspruchsvoll sind und wenig Spielraum lassen. Bringt man kein Grundlagenwissen wie z. B. zum Thema Hefeteig und Schokoladetemperieren mit oder man meint, es immer besser zu wissen, dann ist der erste Durchgang eher ein experimentelles Projekt mit sicherlich steiler Lernkurve. So erging es mir beim Schokoladen-Panettone, der fordernd war, was durchaus als Kompliment gemeint ist, denn es hat Spaß gemacht und ich sehe dem zweiten Mal mit Freude entgegen.

Es gibt nur eine Kritik meinerseits an dem Buch und das ist eine herstellerische: Nicht glücklich bin ich mit dem Format und Layout des Backbuchs. Diese Textmengen und -arten hätten eine größere Schrift und viel mehr Platz verdient.

Melissa Forti präsentiert in ihrem Weihnachtsbackbuch Eigenes und verfeinerte Klassiker vor allem der italienischen Tradition. Im Vordergrund stehen prächtige Kuchen und aromatisches Gebäck. Ihre Auswahl ist besonders wie ansprechend, aber auch unterhaltend durch Fortis breit gefächerte Erläuterungen. Sicherlich ein Backbuch, das bleibt. Aber aufgepasst: So lieblich und verspielt Melissa Fortis Weihnachtsbackbuch in seinem Retro-Look daherkommt – die tendenziell anspruchsvollen Rezepte gehören in die Hände von Fortgeschrittenen oder von Mutigen.

Veröffentlicht im November 2021

2 Kommentare

  1. Angela

    Die Rezension trifft zu 100% zu. Ich habe beide Bücher von Melissa Forti. Beim Lesen möchte man sofort loslegen, so inspirierend sind die Rezepte und schön fotografierten Backwerke. Aber eben mal so nebenbei, wie ich so manchen Kuchen schnell und routiniert herstelle, geht es bei Melissa Forti nicht. Ich spreche aus Erfahrung. Daher ist Deine Einschätzung, liebe Katharina, goldrichtig: man muss backen und damit umgehen können, dass manches erst beim zweiten Mal (oder nie) gelingt. Das fördert zumindest bei mir den Respekt vor dem Handwerk. „Glernt isch glernt“, wie man bei uns in Baden sagt.

    • Katharina

      Liebe Angela, dank dir herzlichst für die Zeilen, auch für die treffende Ergänzung „(oder nie)“. Herzlichst Katharina

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