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Katharina Höhnk

Backbuch von Lutz Geißler: Brotbackbuch Nr. 4 ★★★★★

Brotbackbuch Nr. 4 –
Backen mit Sauerteig
Lutz Geißler
Autorenfoto: Christina Weiß
Verlag Eugen Ulmer (2019)

Fünf Sterne: Valentinas Liebling – zum Schwärmen gut.

Charlotte Schrimpff

Von

Wo wir wohl wären ohne Internet? Also, gar nicht grundsätzlich, aber in Bezug auf Brot und Brötchen? Hätte das Bäckereiensterben auch derart um sich gegriffen, die Ausbreitung der Backshops und Aufbackstationen? Wäre eine so florierende Heimbäckserszene entstanden – und das kommerzielle Pendant in Form von Slow- und Holzbackenthusiasten?

Ohne Lutz Geißler (Foto unten) gäbe es manches davon jedenfalls nicht, so viel ist klar. Hätte der gelernte Geologe nicht vor 11 Jahren die Sache mit dem Mehl und dem Wasser und dem Salz für sich entdeckt und seine Gehversuche vom allerersten Brot bis zum mittlerweile neunten Backbuch online dokumentiert: Die Hobbybäckerwelt wäre eine andere.

Backbuchautor Lutz Geißler

Sein „Plötzblog“ gehört zu den renommiertesten Quellen für Rezepte und „Bäckerlatein“ – sodass inzwischen sogar Profis von ihm lernen wollen, wie sie zurückfinden von den Vor- und Fertigmischungen zu gutem, echtem Brot.

Die Sache mit dem sauren Teig

Eine größere Station auf der Lernkurve: die Arbeit mit Sauerteig. Eigentlich so denkbar simpel: Es reichen Mehl und Wasser, um eins der ältesten Backtriebmittel der Erde zu züchten. Nur das Handling ist mitunter kapriziös: zu heiß, zu kalt, zu wenig Futter, zu viel Zeit – all das setzt einem „Anstellgut“ auf Dauer zu. Kein Wunder, dass viele dankend verzichten – (industrielle) Hefen sind einfach das kleine Bisschen verlässlicher. Auf der anderen Seite gibt es wenig Befriedigenderes, als etwas aus dem Ofen zu ziehen, das nicht nur aussieht wie Brot, duftet wie Brot, schmeckt wie Brot – sondern obendrein ganz ohne „fremde“ Hilfe entstanden ist. Mehl, Wasser, Salz sind genug– wie gesagt.

Darum habe ich ein bisschen gehofft, dass es in Geißlers Brotbackbuchreihe auch irgendwann diesen einen Band geben würde, der sich einzig und allein Sauerteigen widmet. Denn die Art, wie er seine Grundlagenwerke gestaltet – ein erstes, allgemeines für Einsteiger und leicht Fortgeschrittene, das zweite rund um den Faktor „Zeit“, ein drittes für Gebäcke aus Vollkorn –, schien mir bestens geeignet, auch meine eigene Sauerteig-Bäckerei ein Stückchen weiter zu schubsen. Vieles passierte bei mir bis dato nämlich eher zufällig – mit den entsprechenden Desastern. Die zu vermeiden lernen, weil man alles besser versteht … das wär’s!

Sauerteigschule für Anfänger und Fortgeschrittene

Ganz brav habe ich also ganz vorne angefangen – mit Vorwort und Einführung, ersten Hinweisen zu Zutaten, Zeiten, häufigen Fragen – bevor ich den Rezeptteil überhaupt beblätterte. Und wusste gleich schon so viel mehr: dass es wirklich sinnvoll ist, auf Teigtemperaturen zu achten etwa (was ich bis dato geflissentlich ignoriert hatte); weshalb es klug ist, verschiedene Sauerteige für verschiedene Anwendungszwecke vorzuhalten (dito); und, vor allem – warum.

Backbuch von Lutz Geißler: Brotbackbuch Nr. 4

Ich tue mich wesentlich leichter, „Anweisungen“ zu folgen, wenn ich den Grund dafür kenne. Und Geißlers schlichte, aber genaue Erklärungen gepaart mit Grafiken, Fotos und Tabellen führten sogar dazu, dass ich nennenswert in den dicken Theorieteil im hinteren Teil des Buches einstieg, bevor ich das erste Mal in der Küche stand (sehr hilfreich dabei: die insgesamt drei Lesebändchen). Es ist wirklich irre, was sich der Mann angeeignet hat – von biochemischen Hintergründen für jahrtausendealtes Erfahrungswissen, über das Mikrobiom verschiedenster Sauerteige von fest bis flüssig (Stichwort: Hefewasser!) und Weizen bis Reis, bis hin zu Tricks und Kniffen zum Ansetzen oder Umzüchten von Teigen, ihrer Haltbarmachung… wow!

Die gleiche Aufgeräumtheit bei den Rezepten selbst: Sortiert nach Getreidebasis ihres Anstellguts und innerhalb der Kapitel aufsteigend nach Schwierigkeit hat man keinerlei Mühe, sich zurechtzufinden (einzig im Kapitel mit den Weizensauerteigen empfiehlt es sich, genau nach der geforderten Teigausbeute (TA) des Anstellguts zu schauen – es wird häufiger mit der festeren Lievito Madre gearbeitet als mit TA 200). Die üblichen Tabellen am Seitenrand zu relevanten Parametern eines Gebäcks wie Zubereitungszeit, Teigmenge, -temperatur und -einwaage tun ihr Übriges. Besonders gefiel mir, dass es ein eigenes Kapitel für Reste-Rezepte gibt – denn die fallen beim Füttern von Sauerteigen zwangsläufig an und es ist einfach viel zu schade, Überbleibsel zu entsorgen.

Großes Geschmacksglück

Weil in meinem Kühlschrank seit einigen Jahren ein Roggenanstellgut lebt, hielt ich mich zunächst an entsprechende Anleitungen und setzte parallel und „from scratch“ einen Weizensauerteig à la Geißler an. Mit beidem fanden sich die Lieblinge schnell: Das Roggenvollkornkastenbrot gab es binnen Rezensionszeitraum diverse Male – Marke: so einfach, so gut –, und auch die Frühstücksbrötchen mit Lievito madre haben bereits häufiger am Tisch gestanden, obwohl wir solchen „hellen“ Brötchen normalerweise kernigere eindeutig vorziehen.

Zum Weiterlesen

Leseprobe beim Verlag

Blog des Autors

Mehr von Lutz Geißler bei Valentinas

Die Pizza gefiel, das nussige Dinkelsaatenbrot genauso, und es harrt noch wahnsinnig viel mehr der Verkostung: Ein Stollen mit Lievito madre ist fest für die nächste Adventszeit vorgemerkt. Es ist eine Schande, dass es Geißĺers Waffeln bis jetzt noch nicht gab. Die polnische Sauerteigsuppe „Żurek“ steht sehr weit oben auf der Liste – von diversem Süßkram wie Nusszopf, Cookies und Muffins ganz zu schweigen.

Ich kann mir ehrlich gesagt niemanden mit Affinität zu (gutem) hausgemachtem Gebäck vorstellen, der/die nicht von diesem Buch profitiert: Sauerteig-Newbies werden behutsam an die Hand genommen, Profis tauchen ab in Hintergrundwissen und Rezeptentwicklung. Plus: Das alles zwischen Buchdeckeln ist so unendlich viel praktischer als teigfingerverklebtes Scrollen auf dem Smartphone – nur so von wegen „Internet“, siehe oben. Das allerdings hat noch einen, entscheidenden Vorteil: Wer nicht wochenlang auf einen eigenen, entwickelten Sauerteig warten will, kann sich in der von Geißler ins Leben gerufenen Sauerteigbörse umsehen: Dort bieten Hobbybäcker/innen Ableger ihres Anstellguts zum Teilen an.

Veröffentlicht im Mai 2020

4 Kommentare

  1. Annett

    Liebe Charlotte,das BBB Nr.4 ist für mich das beste Buch und der würdige Abschluss dieser Reihe.Das Dinkelvollkornbrot mit Möhre finde ich zum Beispiel total lecker und habe es schon mehrfach gebacken.Aber auch das Roggenvollkornbrot mit Walnuss und Feigen ist unglaublich würzig und nur mit Butter ein Gedicht!!
    Probiere unbedingt das San Francisco Sourdough Bread.Dieses Brot ist der absolute Hammer!
    Lg Annett

  2. Christiane

    Liebe Charlotte, das hört sich toll an! Wie zeitintensiv sind denn die Rezepte? Ich habe eines der ersten Brotbücher von Lutz Geißler und fand‘ das Nachbacken damals doch teils recht kompliziert, mit Vor- und Zurückblättern und viel Zeit/Aufmerksamkeit. Wie ist das hier? LG, Christiane

    • Charlotte

      Liebe Christiane,
      es gibt im Buch von/bis/über – also: „eher“ fixe Gebäcke, manche, die über zwei Tage geführt werden und wenige für die Super-Geduldigen. Backen mit Sauerteig „geht“ halt buchstäblich nicht so schnell wie mit (großen Mengen Industrie-)Hefe. Weil ich das schon kenne bzw. das Geißlers’sche Zeitmanagement gewohnt bin, ist mir nichts als sonderlich kompliziert aufgefallen. Meistens sind es kurze Phasen des „Hands on“ und dann: stehen und gehen lassen. Vor- und Zurückblättern musste ich jedenfalls nicht :).
      Hilft Dir das?
      Herzlich: Charlotte

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