Drei Sterne: Hat Stärken, aber überzeugt nicht ganz.
Der Österreicher Dietmar Fercher weiß wovon er spricht. Sein Buch Süße Klassiker. Die feinsten Desserts und Mehlspeisen aus Österreich ist ein Standardwerk. Zu Recht, wie ich finde. Mit seinen Weihnachtsklassikern versucht der ehemalige Chef-Patissier der Imperial-Hotels nun daran anzuknüpfen. Doch kommen die Klassiker für meinen Geschmack hier etwas altbacken daher.
Kulinarische Kreativität hat Grenzen, wie wir hier vor Kurzem gesehen haben. Auch Fercher hat alle Keks-Rezepte (sieben insgesamt) seines Erstlings, einschließlich der Fotos, übernommen. Sogar das Titelbild des kleinen Büchleins stammt aus Süße Klassiker. Ich nehme es ihm nicht ganz so übel, weil Vanillekipferl und Florentiner ja wirklich zum klassischen Repertoire gehören und eben in beiden Büchern ihre Berechtigung haben. Außerdem folgen in den Weihnachtsklassikern der Kategorie der Klassiker Kapitel zum Mürbteigeks, Butterkeks, Lebkuchen, Windbäckerei, Mandelgebäck, Weihnachtlichen Kuchen, Konfekt&Marzipan. Prima ist das kleine Glossar im Anhang, für das man in einem österreichischen Back-Buch ja doch recht dankbar ist.
Bei der konkreten Auswahl Rezepte sah ich jedoch nicht viele der Kekse auf unserm Teller liegen (oder besser: ich befürchtete sie zu lange dort liegen zu sehen…). So gibt es z.B. ein paar Rezepte mit Orangeat, Zitronat und Belegkirschen. Aber diese Zutaten gehören einfach nicht zum Inhalt meines Backregals. Ist das nun klassisch und zeitlos oder doch eher aus der Zeit gefallen? Oder gehöre ich einfach nicht zur intendierten Zielgruppe dieses Büchleins? Die ich ganz ohne Wertung eher auf 55+ schätzen würde, eben in einer anderen Zeit kulinarisch sozialisiert.
Wieder anderes passt einfach nicht zu meiner momentanen Lebenssituation. Gefüllte Dörrpflaumen mit Slibowitz, Feigenkuchen mit Weinbrand, Kirschherzen mit Cherrybrandy – das ist nun mal nichts für kleine Kinder. Ich mag es im Übrigen auch nicht. Auch verschiedenstes Baisergebäck als Christbaumbehang spricht mich nicht an. Der Vollkornbananenkuchen strahlt da am ehesten noch Zeitgeist aus, klingt aber auch nicht unbedingt nach vorweihnachtlicher Schwelgerei.
Die Fotografien unterstützen diesen Eindruck. Sie sind natürlich, da vom gleichen Fotografen (Konrad Limbeck), sehr ähnlich wie in „Süße Klassiker“: hier wie dort altes Porzellan mit viel Gold und drapiert auf damastenen Tischdecken. Und doch sind die Bilder der Weihnachtsbäckerei viel dunkler, die Brokatstoffe schwer und in gedeckten Farben. Die Kekse wirken dabei als hätte man sie auf dem Dachboden in einer Schatztruhe gefunden. Nicht staubig und trocken, aber eben aus einer anderen Zeit.
Und doch möchte ich dem Büchlein nicht unrecht tun. Denn das es seine Qualitäten hat, lässt sich nicht leugnen. Die Rezepte lassen sich gut nachbacken und die Kekse schmecken. So haben z.B. die Plätzchen durch die Verwendung von Puderzucker eine ganz tolle Konsistenz bekommen. Und im besten Sinne „wie gekauft“ geschmeckt. Das werde ich mir merken! Wenn mir alle nachgebackenen Kekse auch ein klein bisschen zu süß waren.
Doch hat mich während des Nachbackens auch mehrmals leichte Panik ergriffen, weil die Teige erst nicht binden wollten. Gerade den Mürbteig, den man ja nur kurz und mit Fingerspitzen vermengen soll, musste ich richtig kneten, um eine homogene Masse zu bekommen. Überhaupt der Teig: Bei den Linzer Kipferln war er so zäh, dass er mir fast den „Dressiersack“ gesprengt hat. Ich habe schließlich mit der Hand Kugeln geformt und aufs Blech gesetzt. Aber lecker waren sie! Einige der Kekse waren mir auch etwas zu aufwendig, wegen der zusätzlichen Herstellung einer Fülle, einer Tunkmasse, einer Glasur oder eines zweiten Keks’, weil Doppeldecker…
Die Geschmäcker sind nun mal verschieden. Und dieses Büchlein wird mit Rezeptauswahl und Aufmachung bestimmt seine Fans finden. Denn ohne Frage, Herr Fercher ist ein Könner seiner Zunft und seine Rezepte haben Qualität. Sie waren bloß nicht unbedingt alle nach meinem Geschmack.
Veröffentlicht im November 2012
Man, ihr seid ja gerade fleissig…
Nachdem ich auch immer wieder Probleme mit unterschiedlichen Rezepten für gespritztes Gebäck hatte, habe ich für mich festgestellt, daß es wohl zweierlei Teige gibt. Die sehr weichen, die sich gut von Hand spritzen lassen und nicht mit dem Spritzgebäckaufsatz der Küchenmaschine und die eher festen Teige (die gebacken besser schmecken), die nur mit Hilfe des Aufsatzes in eine schöne Form zu bringen sind.
Ah, das ist interessant. Bei einem meiner letzten Rezepte dachte ich, Mann, diese Konditoren müssen aber Muckis haben … 🙂