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Katharina Höhnk

Backbuch von Christophe Felder: Chocolat ★★★★

Chocolat. 200 Rezepte mit Schokolade
Christophe Felder, Fotos Michel Langot
Christian Verlag (2014)
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Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.

Katharina Höhnk

Von

Die Kunst der Patisserie setzt sich in ihren Lehrwerken fort, denke ich, als ich die schwere Chocolat-Neuerscheinung in den Händen wiege. Die Fotografen rücken den süßen Kunstwerken so nah wie nie auf den Zuckerpelz und jeder Handgriff wird akribisch dokumentiert. Es scheint, als könne man mit der Gabel einen Bissen nehmen. Die süßen Kompendien dieser Zeit vernebeln die Sinne. Zunächst – bis man irdisch in der Küche wirbelt.

Christoph Felder (samt Team) beherrscht diesen ersten Zauber besonders gut. Bereits mit seinem pinken Manifest Die hohe Kunst der Patisserie, das ich mir trotz seines stolzen Preises an einem grauen Tag gegönnt habe, setzte der Franzose eine Marke, an denen seine Kollegen fortan vorbei mussten und man darf sagen, das hat dem Kochbuchmarkt gutgetan, wie man erst kürzlich hier sehen durfte.

autorenfoto-christophe-felder-chocolat-valentinasSeit Jahren bewundere ich Felders publizistische Wortmeldungen (Foto des Autors links). Da ich unter ständiger Frankreich-Sehnsucht leide und mir eine 10-jähige Abwesenheit auferlegt habe (Paris nicht inklusive), damit ich auch anderes von der Welt sehe, habe ich mir ein Abo der Elle á table gegönnt. Ich kann sie nicht wirklich empfehlen – zu gleichförmig, zu viel Advertorials wie z.B. in diesem Monat mit Oreo-Keksen –, aber sie punktet mit Highlights wie z.B. mit Felder.

Innovation mit klassischen Referenzen

Klassikern mit kleinen Modifizierungen widmet er sich in dem Magazin. In diesem Monat Panna cotta arlequin. Klassiker sind auch das Sujet in seinem oben erwähnten pinkfarbenen Patisserie-Werk.

Aus diesem erwartbaren Schema ist er für Chocolat ausgebrochen. Hier zeigt er Innovation mit Erdung. Es muss als Beleg unbedingt die Haute Couture-taugliche Schokoladenmarquise mit Pistaziensauce erwähnt werden – eine braune Mousse mit grünen Streuseln in hellgrüner Sauce badend. Oder das Tartelettes „Miss Hagebutte“ – es erinnert an Mondrian, nur andere Farbauswahl. Geerdet wird die Rezeptauswahl mit schokoladigen Paris Brests und tiefbrauner Saint-Honoré. Rezepte von Freunden sind auch dabei: Vianneys Würfel von Vianney Santa aus Dünkirchen – ein Dessert aus Schokolade und Spekulatius – oder Lokus von Yves Nahum – ein schokoladiger Quader.

Erst Fotos, dann die Erklärung

Den Rezepten voran gestellt ist ein Grundrezepte-Teil mit Step-by-Step-Fotos. Sie verführen zu denken, dass mit dieser Fotoanleitung alles gesagt sei. Aber Konsistenzen und Worst-case-Szenarien sind dann doch besser in Sprache verpackt und waren für mich als Ahnungslose – denn ich weiß, was ich alles nicht weiß – manchmal eine Leerstelle.

backbuch-chocolat-christophe-felder-inside-1-valentinasEs folgt dem Allgemeinen das Spezielle: Tarte & Tartelettes (Schokotarte mit Popkorn – sehr americaine), Cremes, Torten (mmh – Zitronen-Dacquoise), Kleines, Desserts, Confiserie, Einfaches (sic! Eifeltürme für Amelie) und Meisterstücke. Das liest sich gut, buchstäblich nicht ganz so leicht, denn der Text fließt optisch mitunter tiefschwarz auf lavendellila bedrucktem Papier oder auch mal miniaturklein bei den Zutaten. Aber – très chic und so ganz und gar nicht casual-hingeworfen wie zurzeit State of the Art ist. Erfrischend.

100% Manufaktur-Qualität

Felders Rezepte haben 100% Manufaktur-Qualität. Hier wird alles selbst gemacht: Nugat und Schokoladenblätter. Schokoblätterteig und Waffelhörnchen. Das sieht immer sehr einfach aus, die Schwelle rutscht in die Tiefe – so ist es gewollt, aber der Schein trügt natürlich in Sachen Zeit. Vier Fotos heißen nicht Zack-Zack-Zack-Zack, sondern je mind. eine halbe Stunde inkl. eine halbe Spülmaschinen-Füllung. Das ist der Preis für glückliche Geschmackserlebnisse.

Als Leserin überwältigte mich ein Rezept dann, wenn sich aus dem übersichtlichen One-Pager-Rezept eines mit vier arbeitsintensiven Verweisrezepten entpuppte. Da wurden meinerseits Abkürzungen gewählt und z.B. zu einem vorzüglichem Nugat im Glas gegriffen statt selber loszulegen, das muss gesagt sein.

Ein Buch von einem Patissier für andere

Felders Chocolat richtet sich somit in erster Linie an seine Kollegen, bei denen Zeit & Aufwand eine andere Rolle spielen. Das ergibt sich auch aus Umkehrschluss des o.a. Kapitels mit dem Namen Einfaches – das andere sei schwierig, ist schließlich die dahinterstehende ehrliche Aussage. Bei dem o.a. pinken Patisserie-Werk empfinde ich übrigens den Ansatz stärker dem Homebaker zugewendet, so dass diese Art der vereinfachenden Adaptierung weniger notwendig ist für jemanden wie mich.

backbuch-chocolat-christophe-felder-inside-2-valentinasSchokolade über Schokolade über Schokolade – Felder setzt sie konsequent ein. Als Nachahmer muss man unbedingt auf Qualität setzen, sonst kommt man seiner Idee nicht nahe. Aromatisch fand ich den Bogen bei manchen ausprobierten Rezepten überzogen wie z.B. bei der Tarte mit Mandelcreme: Schokoladenblätterteig, darauf eine Schoko-Orangenmandelcreme, Apfel und schließlich geschmolzene Schokolade. Andererseits zeigt es natürlich die kulinarischen Spielwiesen auf, wie mannigfaltig sich alles mit braunem Gold verfeinern lässt.

Und manchmal ist es auch eine Frage, wie viel man davon zu sich nimmt. Isst man wie vorgeschlagen 100 g der Venusia-Mousse aus je 100 g Zucker, Schokolade, dunkle Schokolade und Butter plus 4 Eier oder 200 g, wie man es gerne täte? Felders Portiönchen sind typisch Frankreich, wo auf diesem Kochniveau kleine Happse üblich sind. Dann ist auch Raum für aromatische Statements.

Christoph Felder zeigt prachtvoll, zu welcher Form die Patisserie unter Verwendung von Schokolade auf Spitzenniveau auflaufen kann mit innovativen Rezepten, die auf Klassiker verweisen. Er schreibt dieses Mal mehr für Kollegen, so anspruchsvoll arbeitet man hier; die Handwerkskunst zeigt ihr wahres Gesicht auch in Sachen Zeit. Können kann man sich aber mit seinen Rezepten beibringen, wenn Basiswissen vorhanden ist, die den Gaumen reich belohnen. Felder greift tief in den Schokoladentopf und dekliniert jede Möglichkeit der Anwendung durch – ein intensives Geschmackserlebnis, das bei mir manchmal den Gedanken „Etwas weniger ist mehr“ auslöste. Aber das sind Kriddeleien auf einem großartigen Niveau.

Veröffentlicht im Mai 2015

4 Kommentare

  1. Claudia von La Pâticesse

    Ich durfte schon bei Christophe Felder eine Klasse belegen und kann nur sagen, es lohnt sich. Genauso wie seine Bücher und Chocolat im Besonderen. Immer verständlich, immer lehrreich und die Abwechslung von klassischen zu innovativen Methoden und Rezepten gefällt mir auch sehr gut. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich alle seine Bücher und auch alle anderen Bücher zur französischen Pâtisserie nur auf Französisch kaufe. Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass die deutschen Übersetzungen, leider manchmal ungenau und manchmal auch ein wenig an Sachverstand fehlen lassen bzw. Mengenangaben falsch sind, da in Frankreich ein Beutel Backpulver nun mal nicht einem Beutel Backpulver in Deutschland entspricht usw. usw. Dies hat aber nichts mit Christophe Felder zu tun, der einfach nur wunderbar ist! Klare Kaufempfehlung!
    Claudia von La Pâticesse

    • Katharina

      Oh, danke Claudia – wertvoller Tipp. Ich beneide Dich um die Klasse direkt bei ihm.

      • Claudia von La Pâticesse

        Hallo Katharina
        Hätte ich auch gleich dazuschreiben können. Frankreich 11 g und Deutschland 16 g, obwohl beide für 500 g Mehl ausgelegt sind. Bei manchem Rezept, kann es da Überraschungen geben. Andere Länder andere Zutaten 😉
        Grüße
        Claudia

        • Katharina

          Oh ja! Wieder etwas gelernt. Das ist in der Tat ein Unterschied. Dickes merci!

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