Vier Sterne: Ein Kochbuch, das zufrieden macht.
Es ist wohl der Aussteigerinnen-Traum schlechthin: das eigene Café/Deli/Bistro, irgendwo süß an einer Ecke. Catherine Kluger, vormals Anwältin, hat ihn sich 2009 erfüllt. Fast sogar übererfüllt, denn zwischenzeitlich trugen drei Pariser Filialen ihre Handschrift. Wie viele davon heute übrig sind, lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen. Wo man sie aber definitiv noch findet, ist im deutschsprachigen Kochbuchregal – ebenfalls dreifach.

Ihr Erstling zu Tartes und Tartelettes brachte Katharina zum Schwärmen, ihre Knuspermüslis bekehrten Mitvalentine Ulrike und umso gespannter war ich auf Klugers zweite Sammlung mit Rezepten für flache Kuchen à la française (links ein Foto der Autorin). Allein das: Weitere 34 süße und 24 herzhafte Ideen plus 10 Suppen und Salate als Beilage, keine vier Jahre nach dem ersten Band!
Queen of Quiches
Kluger hält sich vielleicht auch darum nicht lange mit Vorbemerkungen oder Erklärungen auf: Vier Seiten genügen hier für die Grundlagen – Anleitungen für je einen salzigen und süßen Tarte-Teig, einen „feinen“ Auslegeteig sowie eine universelle Eiermilch –, bevor sie die eigentlichen Rezepte für saisonal-herzhafte und -süße Gebäcke präsentiert: Thunfisch, Paprika und Salzzitrone im Frühling/Sommer, Rinderschmorbraten „Chianti“ mit Karotten und Tomaten im Herbst/Winter bzw. Pfirsich, Zitronengras und Zitronenverbene (F/S) oder Mousse-au-chocolat mit Haselnüssen (H/W). Ein schöner Mix aus kreativ und klassisch, finde ich.
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Auf Charlotte Lascèves ganzseitigen Fotos sind diese Kreationen schlicht und teilweise regelrecht elegant inszeniert (Schwarze Johannisbeere!). Bei genauerem Hinsehen stellt man überdies fest, dass Klugers Tartes nicht ganz so flach und umfangreich ausfallen, wie man es von anderen Autor:innen kennt, sondern in Formen à 20 cm Durchmesser und mit einer Randhöhe von 3–4 cm (salzig) bzw. 2–3 cm (süß) gebacken werden. Ein nicht unwesentliches Detail, wie Katharina bereits 2011 bemerkte.
Ich behalf mir zunächst mit einer kleinen Springform, war allerdings etwas irritiert, dass auf manchen Bildern auch eckige Tartelettes zu sehen sind oder Tartes aus länglichen Formen – ohne, dass das in den nebenstehenden Rezepten Erwähnung fände. Dadurch, dass diese fast durchweg auf die eingangs genannten Grundlagen zurückgreifen, lesen sie sich insgesamt recht knapp – lassen so allerdings umso mehr Raum für wunderschöne Illustrationen aus der Hand von Myriam Huré.
Kluge Kombinationen
Die Leichtigkeit des Layouts sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine Tarte à la Kluger in sich hat: Allein in den Böden stecken knapp drei Stunden Zeit – fürs Kneten, Kühlen, Rollen, nochmalige Kühlen, Blindbacken und Versiegeln. Und auch die Beläge brauchen in der Regel mehr Zuwendung als „Käse reiben“ und „Eier verquirlen“.
Catherine Kluger:
„Suchen Sie beim Backen stets nach dem perfekten Timing, der richtigen Dosierung, spielen Sie mit Textur und Backzeit, um die Zutaten zur Geltung zu bringen. Es geht nicht einfach darum, hübsche Tartes zu produzieren, sondern die Tartes von innen her zu denken.“
Arbeit, die sich jedoch oft 1:1 in Geschmack übersetzt: Klugers Tartes verfügen nicht nur über perfekt-knusprig-mürbe Unterlagen, die bei uns ab sofort das Maß aller Dinge sind, sondern punkten mit ausgewogenen Aromen in sahnigem Guss. Am liebsten mochten wir bislang die Kombination von gerösteten Champignons mit Parmesan und Rosmarin und die eher nahöstliche Zusammenstellung aus Karotten, Kreuzkümmel, Harissa und Koriander.
Beim Testkandidaten aus der süßen Abteilung stellten sich zunächst einige Mengenfragen – etwa, wie aus 250 ml Flüssigkeit, 250 g Mehl und 185 g Butter ein „geschmeidiger“ und formbarer Teig werden soll. Ich habe mich nicht getraut, viel mehr als 50 ml Milch zu nehmen, was zu einer gut handelbaren Masse führte, die die Form ideal auskleidete bzw. wie gewünscht gitterförmig belegte. Die Apfelmenge schnitt ich wiederum auf Sicht, was definitiv sinnvoll war (s. u.).
Nein, Klugers Tartes sind keine schnellen Teller – zumindest, wenn man sie nicht nur noch aus der Vitrine heben muss. Wer allerdings heimlich vom kleinen Bistro an der Ecke fantasiert, kann mit ihrer Hilfe anfangen zu üben: Das ist Goldstandard. Ein Tartebuch für Fortgeschrittene und Köchinnen, die mitdenken.
Veröffentlicht im August 2022